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und beanspruchte seinen Ich-bin-der-König-der-Welt!-Posten auf Miss Dotsys Bug. Die gewiefte, majestätische Kreatur kannte Ben und Knocker Ellis als leichte Opfer. Er schnorrte täglich Almosen in Form von frisch aus der Schale gelösten Austern. Ellis nahm eine aus dem mageren Fang. Er hebelte sie flink mit dem Messer auf und ließ das zuckende Fleisch nach vorne schnellen. Lonesome George schnappte es sich mitten in der Luft, ruckte zweimal seinen Kopf, um den Happen in seinem Schnabel zu positionieren, und schluckte runter. Trotz eines heiseren Schreis, einem Zucken seines Brustgefieders und einem bettelnden gelben Auge gab Ellis dem fliegenden Schmarotzer danach nichts mehr. Ben stählte sich selbst, brachte es zur Sprache. »'n paar Probleme da unten.«

      Knocker Ellis nickte, schien so was erwartet zu haben. Der große Mann wartete stumm darauf, dass Ben weitersprach.

      »Der Sturm hat ein Boot versenkt. Da unten bei dem Austernfelsen. Nantucket Lance. Schönes Boot.«

      Knocker Ellis dachte kurz nach. »Tuckets sinken nicht.« Diese drei Worte ließen den langatmigen Fidel Castro stumm erscheinen.

      Ben kämpfte mit der Überraschung, Ellis so gesprächig zu erleben. Und Ellis hatte recht. Wie hatte Ben das übersehen können? All die Anzeigen und die Fernsehwerbung für die Nantucket Lance prahlten mit ihren geschlossenen Flotationskammern. Der Hersteller zersägte in einem Demonstrationsvideo den Rumpf auf einem See erbarmungslos in kleine Abschnitte, doch jedes Stück blieb über Wasser. Die Anzeigen waren erstaunlich und sicherlich überzeugend. Dennoch lag da ein unsinkbares Boot auf dem Grund der Chesapeake Bay. Und wieso trieb ein ertrunkener Mann mit einer einwandfreien Rettungsweste im Schlamm bei diesem Boot? Vielleicht war die Weste doch nicht ganz einwandfrei. Ben wollte es beim nächsten Tauchgang überprüfen.

      Er schob die letzte Frage beiseite. »Ich weiß, was ich gesehen hab.« Anstatt seinen Verlust zu enthüllen, sprach er lieber den Gewinn an. »War nich' allzu viel Ladung.«

      Knocker Ellis schaute ihn kritisch an. »So? Wie groß?«

      »Siebeneinhalb Meter vielleicht. Mittelkonsole. Drei 250er-Mercurys. Könnte ein hübsches Sümmchen erzielen.«

      Knocker Ellis kommunizierte für einen Moment mit seinem inneren Taschenrechner. »Müssen an die zweieinhalb Tonnen Ladung sein.« Er schüttelte den Kopf und lächelte leicht, als bewunderte er etwas, das Ben nicht verstehen konnte.

      Ben fragte: »Willst du mir was erklären und vielleicht mal den undurchschaubaren, allwissenden Powerboot-Guru sein lassen?«

      »Volllastkapazität«, sagte Ellis einfach.

      Ben war genervt. »Ich rede von einem gesunkenen Boot, das nicht sinken sollte, und du klingst wie eine Gebrauchsanweisung.«

      Ellis' Blick sagte alles. Ben fühlte sich wie ein Anfänger.

      Ellis sprach, als würde er Allgemeinwissen zitieren: »Die Volllastkapazität einer siebeneinhalb-Meter-Nantucket-Lancer mit Mittelkonsole liegt bei zweieinhalb Tonnen. Sie wird nicht sinken, solange Ladung, Ausrüstung, Passagiere, Treibstoff und Wasser in der Plicht dieses Gewicht nicht übersteigen. Miss Dotsys Kapazität dürfte ein paar Hundert Kilo mehr betragen, einfach wegen ihrer Größe.« Das erklärte das Boot, aber nicht Knocker Ellis' plötzliche Belesenheit darüber.

      In Erwartung von Bens Frage sagte Ellis: »Ich wollte selbst immer eine Lance, sollte ich es mir je leisten können, in den Ruhestand zu gehen. Also hab ich mich belesen.« Ellis nickte in Richtung des Stapels Scheffelkörbe, die Ben noch zu füllen hatte. »Ich muss sagen, der Ruhestand wird auf sich warten lassen, wenn du die Arbeit schmeißt, zum Krämpfekriegen, Schnitzen, Jammern und was weiß ich.«

      Nachdem er sonst üblicherweise wochenlang schweigen konnte, war Ellis plötzlich redselig, scharfsinnig und besserwisserisch. Ben wurde klar, dass er diesen Mann überhaupt nicht kannte. »Vielleicht ist die goldene Uhr gar nicht so weit weg.«

      Ellis wirkte interessiert. »Wie meinst du das?«

      »Dazu komm' ich noch, aber du musst erst etwas anderes wissen.« Ben sah dem westlichen Horizont entgegen, um Ellis nicht in die Augen sehen zu müssen. »Der Kapitän ist mit dem Schiff untergegangen.«

      Knocker Ellis verfiel wieder in sein Schlechte-Neuigkeiten-Schweigen. Ein langer, tiefer Atemzug. »Jemand, den du kennst?«

      Bens Hände verkrampften sich. Das Messer schnitt tief. Der kleine Schnabel der Holzente brach ab. Ben und Ellis starrten auf die verstümmelte Schnitzfigur. Ben warf sie über Bord und sah zu, wie sie auf den Dünungen davon tanzte. »Du kanntest ihn länger als ich.«

      Ellis schüttelte langsam den Kopf. War das die Bestätigung einer Vermutung oder einer Angst, dass etwas schiefgelaufen war? Ben war sich nicht sicher.

      Ellis sah Ben in die Augen. »Ihr Blackshaws habt 'ne höllische Art und Weise, die Dinge anzupacken. Du glaubst, es ist dein Vater? Nach all der Zeit fern der Insel?«

      »Wie ich sagte, es ist erst vor Kurzem gesunken. Der Sturm hat das Boot erwischt.«

      Knocker Ellis hakte nach. »Sicher, dass du ihn wiedererkannt hast? Nach fünfzehn Jahren und ein paar Tagen auf dem Grund?«

      »Der Leichnam, das Gesicht, ja, das war schrecklich anzusehen. Aber da ist diese Armeejacke. Die mochte er. Der Name daran ist falsch. Der Führerschein hatte auch einen ganz anderen Namen. Nicht überraschend. Er hätte seinen Eigenen schon lange geändert. Vielleicht mehr als einmal. Das Führerscheinfoto? Das war so hell wie der Tag. Es ist Paps. Älter, aber unverwechselbar. Hier, sieh selbst.«

      Ben zog die Brieftasche aus seinem Sammelbeutel und reichte Ellis den Führerschein.

      Ellis sah ihn sich mit zusammengekniffenen Augen an. Seine Schultern beugten sich, als wäre eine große Last auf sie gelegt worden. »Tut mir leid, Ben. War ein guter Mann.«

      »Schätze schon. Solange er in der Nähe war.« Zorn blitzte in Knocker Ellis' Augen auf, als Ben den Führerschein zurücknahm.

      Ellis griff nach dem Funkgerät in Miss Dotsys kleiner Kombüse. Er stellte Kanal 16 ein, die Frequenz, die von der Natur- und Wasserschutzpolizei abgehört wurde. Ben zog den Goldbarren aus seinem Sammelbeutel und legte ihn mit einem dumpfen Geräusch auf den Motorkasten.

      Mit dem Rücken zu Ben nahm Ellis das Sprechgerät in die Hand. »Wir bringen das besser hinter uns. Melden das den Behörden. Der verdammte Sturm kommt zurück.«

      »Knocker Ellis. Wir müssen reden.«

      Ben schaffte es nicht, die Anspannung in seiner Stimme zu verbergen. Ellis drehte sich um, sah den goldenen Batzen und kniff die Augen zusammen. »Na so was, Ben. Worüber denn bloß?«

      »Stell das Funkgerät ab.«

      Ellis gehorchte. Er zog sogar das Stromkabel aus der Rückseite des Empfängers. Er wusste, dass ein klemmendes Sprechgerät anderen Seeleuten, die auf einer öffentlichen Frequenz mithörten, Stunden an Unterhaltung bieten konnte. Lockere Plauderei auf Sendung hatte sogar die Standorte von lange geheim gehaltenen Austernfelsen enthüllt. Es war Zeit für größere Sorgfalt.

      Ellis wies mit dem Kopf auf den Goldbarren. »Ist das die Ladung, die du erwähnt hast?«

      Ben nickte. Knocker Ellis näherte sich dem Motorkasten und strich langsam mit einem knorrigen Finger über das Gold. Als er lächelte, sah es aus, als würde sein goldener Eckzahn mit dem Barren kommunizieren, schimmernde Strahlen, die sich über Reichtum und Unheil austauschten.

      Ellis räusperte sich. »Mehr davon da unten?«

      Ben nickte wieder. »Hab zwanzig Kisten gezählt. Zwei mal sechs in jeder Kiste.«

      »Meine Güte. Da haben wir aber mal tüchtig Schwein.« Knocker Ellis fuhr wieder den Computer in seinem Kopf hoch und rechnete los. »Zweihundertvierzig Barren. Eine Menge Gold, falls in jeder Kiste welches ist. Und hier ist ein Stempel. Vier-null-null o-z-t.«

      Ben grübelte laut. »Okay, das sind vermutlich Feinunzen.«

      Ellis fuhr mit seiner Rechnung fort. Und mit seinem Vortrag. »Zwölf Feinunzen sind

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