Скачать книгу

hatten. Sie rangen und rauften wie am jüngsten Tag ohne den geringsten Anflug von Gnade.

      Ben war immer beeindruckt von LuAnnas wilder, leidenschaftlicher Art ihn zu vernaschen. Sie war wie eine Athletin. Mit subtiler Grazie und der Gewandtheit eines Champions. Andere Male war sie explosiv, mit dem rohen, furchtlosen Überschwang eines Anfängers.

      Schon bald lagen sie sich erschöpft in den Armen. Ben bekam bei ihr ein Zugehörigkeitsgefühl wie nirgendwo sonst. Er war ein Mann der eher ruhigen Sorte. Das isolierte ihn von einer Inselbevölkerung, die selbst vom Rest Amerikas abgeschnitten war, aber das machte ihm nichts aus. Viele Touristen, die während der Sommersaison die schmalen Pfade entlang spazierten, hielten diese Reserviertheit für Dummheit, Bestechlichkeit, oder schlimmer, inzüchtige Torheit. Selbst unter Bens eigenen Leuten galt das Tauchen nach Austern anstelle des Harkens mit der Hand oder per Maschine als Schummeln und unterschied ihn von den anderen. Obwohl Tauchen offensichtlich effizienter war, erduldete Ben die übliche Geringschätzung von Exzentrikern, die nicht nach alten Traditionen leben wollten oder konnten. Er wusste, dass sie das anders sehen würden, wenn sie mal fünf Minuten in der Kälte auf dem schummrigen Meeresboden verbrächten. Ben war nicht geldgierig, allerdings wurde jeder hart gewonnene finanzielle Vorteil durch das Tauchen schnell beiseitegelegt für den Tag, an dem LuAnna seine Braut werden würde.

      Im Falle von LuAnna, einem auf Smith Island geborenem und aufgewachsenem Mädchen, war die Tatsache, dass sie zur Natur- und Wasserschutzpolizei übergelaufen war, ein Verrat vom Kaliber eines Kaisers, wie ihre Nachbarn zu sagen pflegten. Sie war letztendlich an das Ostufer gezogen und lebte allein, während Ben im zweiten Golfkrieg gedient hatte. Es hatte zu viel Druck von »wohlwollenden« Nachbarn gegeben, den unkonventionellen Ben Blackshaw zu vergessen und sich einen normaleren Insulaner zu angeln.

      Während LuAnna döste, besah sich Ben diese bemerkenswerte Frau. Das letzte Licht des Tages war schon lange im Westfenster verschwunden. Der früh aufgehende Mond kämpfte sich durch Gewitterwolken im Osten. Es gab gerade genug Licht, um zu sehen, dass Officer Bryce schlank gebaut war. Es war ein Wunder, dass ihr Waffengürtel nicht von ihren schmalen Hüften rutschte. Das sollte nicht heißen, dass sie oben herum nicht reich gesegnet war. Ihre Schönheit wurde unterstrichen durch ihre Größe und Haltung, keine Spur der befangenen, verkrümmten Haltung eines vollbusigen Mädchens, das in einer Kleinstadt voll einsamer Männer aufwuchs. Wenn sie nicht gerade friedlich schlummerte, leuchteten ihre Augen im schönsten Blau der Welt. Funkelnde Augen in einem Gesicht, das dem ihrer Mutter ähnelte. Sie beide hatten ihre Eltern verloren, doch LuAnna konnte wenigstens das Grab ihrer Familie besuchen. Sie lagen Seite an Seite auf dem Friedhof der Tylerton Methodistenkirche.

      Obwohl sie Anfang dreißig war, hatten die Jahre in der Sonne der Chesapeake Bay dafür gesorgt, dass sich ihre Augenwinkel in Fältchen legten, wenn sie lächelte, so wie sie jetzt lächelte. Sie war aufgewacht und sah ihm dabei zu, wie er über sie nachsann.

      Sie murmelte: »Ich glaube, du hast mir das Hirn rausgevögelt.«

      Ben lächelte. »Du hast mir gefehlt.«

      Sie streckte sich und kuschelte sich dann an ihn. »Du mir auch. Aber wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass du noch auf etwas anderem herumkaust als auf mir.«

      Ben sagte nichts über die Gefühle, die dieser Tag der Offenbarungen entfesselt hatte; der große Reichtum in seiner Reichweite, der Verlust seines Vaters und die damit verlorene Chance auf ein Wiedersehen mit ihm.

      Jetzt, wo der Aufenthaltsort seines Vaters bekannt war, fragte er sich, wo seine Mutter all die Jahre gesteckt hatte und wo sie nun sein könnte. Eine Frage zu beantworten, warf eine neue auf und legte eine weitere tiefe Quelle des Kummers frei.

      Anstatt zu lügen, kam Ben lieber mit einer anderen, älteren Wahrheit. »Ich weiß einfach nicht, was du in diesem Mann siehst. Ich verstehe nicht, wie du trotz all des Pechs in meinem Leben hier landen konntest.«

      Ihr Lächeln wurde breiter. »Darüber sollte ich besser nicht allzu lange nachdenken. Mir fällt sonst vielleicht keine gute Antwort ein.« Sie küsste ihn sanft auf die Lippen, um zu zeigen, dass sie ihn nur aufzog. »Aber ich kann's dir sagen. Es ist eine Mischung aus Vertrautheit, Dummheit und Liebe. Und einer tiefen Wertschätzung davon, was du mit deinem Gerät anstellst. Nicht, dass du schlecht küssen würdest. Nicht, dass dein Lächeln mich nicht zum Schmelzen brächte. Und Gott sei Dank bist du nicht zu kurz gekommen, was dein Kinn angeht, wie leider bei so vielen Kerlen auf dieser Insel.«

      »War knapp. Mein Kinn wurde fast zu Brei geschlagen, als ich um dich gekämpft hab.«

      Ritterlichkeit fand sie sehr anregend. »Wann hast du jemals um mich gekämpft?«

      »Im Martin-Wildtierschutzgebiet, da war dieser alte Ziegenbock, der für dich geschwärmt hat …« In Wahrheit hatte Ben noch nie sein Revier rund um LuAnna markiert. Das musste er auch nicht. LuAnna lächelte und biss ihm in den Arm. Was folgte, war ihre eigene Variante von Polizeibrutalität. Ben genoss es in vollem Umfang.

      Sie rangen in feuchter Luft, die nach verschwitzten Leibern aus dem Meer roch. Ben wollte LuAnnas allzu scharfsinnigen Verdacht, ihn könnte etwas beschäftigen, zerstreuen. Obwohl er sie liebte und sie beruhigen wollte, musste sie jetzt wirklich gehen. Der Sturm durchwühlte den Tangier Sound zwischen Smith Island und dem östlichen Ufer, aber ihr Patrouillenboot konnte damit fertig werden. Und sie würde irgendwann sowieso gehen wollen. LuAnna zog es immer noch vor, vor einer Tour in ihrem eigenen Bett aufzuwachen. Sie hoben sich gemeinsame Übernachtungen für die Wochenenden auf, an denen sie nicht arbeitete.

      Ben drehte sich auf die Seite und sah ihr in die Augen, wie er es so oft getan hatte. »LuAnna Bonnie Bryce, willst du mich zu deinem Ehemann nehmen? Willst du mich zum Vater deiner Kinder machen und zum Großvater derer Kinder?«

      LuAnna lächelte ihn an, sah dann aber weg. Sie runzelte die Stirn und sagte: »Du weißt, dass ich darüber nachdenke. Das weißt du doch, oder Ben? Du bist mein allerliebster Krabberich. Und ich bin deine kleine Krabbe. Ehrlich gesagt bist du diesmal nicht mit dem Herzen dabei.«

      Ben blieb still. Ungeachtet seiner eigenen Geheimnisse war er sicher, dass LuAnna auch irgendetwas verheimlichte. Sie war sonst recht direkt. So neugierig er auch war wegen ihres grüblerischen Gebarens, er musste sie immer noch vergraulen und vor die Tür setzen.

      Der Mond erhob sich hinter unruhigen Wolken und LuAnna erhob sich mit ihm, um ihre Uniform anzuziehen. Sie warf Ben einen Blick aus den Augenwinkeln zu, als sie sich vorbeugte, um ihre vollen Brüste in den BH zu manövrieren. »Ben Blackshaw, du hast irgendetwas auf dem Herzen.«

      »Wenig Austern heute«, offenbarte er in der knappen Smith-Island-Art. »Der Sturm hat sie verschlickt, macht sie kaputt. Beschleunigt, was die Abwässer schon seit Jahren tun.«

      Er wollte ihr den Rest der Wahrheit sagen, seine angeborene Ehrlichkeit verlangte danach. Seine Liebe zu ihr verpflichtete ihn dazu. Das kleinste Geheimnis zwischen ihnen verdunkelte sein Herz mit Schatten, bis es offenbart war. Und doch erwähnte er nicht, dass sein toter Vater auf dem Meeresgrund lag. Er sagte nichts von dem gesunkenen Boot voller Gold. Je weiter sie in ihre Uniform stieg, desto mehr verhüllte sie seine geliebte LuAnna mit jedermanns Corporal Bryce. Begleitet von einem plötzlichen Schmerz fiel ihm ein, was er an LuAnna am meisten liebte: Er konnte sich ihr anvertrauen. In dieser Nacht glaubte er, dass er ihr nur mit seinem besseren Selbst trauen konnte. Sie war eine ehrliche Frau und eine übertrieben pflichtbewusste Polizistin. Das gesetzmäßig Richtige, das es zu tun galt, passte nicht mit seinem Bauchgefühl zusammen, das düsterere Befehle erteilte.

      Obwohl LuAnna mit eigenen Gedanken beladen schien, sprach sie ihrem Seemann dennoch Trost zu. »Du weißt schon, was du da unten tust. Morgen wird's besser.«

      Sie klang nicht so sicher. Der morgige Tag war noch ein ganzes Stück entfernt. Das einzig Sichere war, als er LuAnna zum Abschied am Pier küsste, dass seine nächtliche Arbeit gerade erst anfing.

      KAPITEL 7

      Maynard Chalk ließ sich langsam in seinen Bürosessel im Right-Way-Büro sinken. Er klappte ein Messer auf und kratzte das Blut unter

Скачать книгу