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       Johann Gottfried Schadow: Marianne Devidels, Rötel auf Papier

      Mariannes Vater Samuel Devidels war ein wohlhabender Wiener Juwelier. Er sorgte sich um das Schicksal seiner Tochter und erreichte schließlich nach fast sechs quälenden Jahren, dass seine Mattel aus dem strengen Klosterdasein «befreit» wurde. Er brachte sie zu entfernten Verwandten nach Berlin. Über jüdische Verwandtschafts-Kreise kam sie zu Henriette Herz und fand Gefallen an deren Salon, wo sie den fünf Jahre jüngeren Johann Gottfried Schadow kennenlernte.

      Es war Sympathie auf den ersten Blick. Das geschah zu der Zeit, als Schadows Ausbilder Tassaert im Einvernehmen mit seiner Frau Marie-Edmée die gemeinsame Tochter Félicité «unter die Haube» zu bringen gedachte. Auserwählter war ausgerechnet der junge Schadow. Sie waren sicher, dass dieser eine glänzende Karriere machen und den gut dotierten Posten des Hofbildhauers als Nachfolger Tassaerts übernehmen würde. «Obwohl erst 19 Jahre alt, gedachte mein Meister, mir eine Frau zu geben. Die Bestimmte war ein artiges Kind, aber es hatte sich meine Neigung anderswo hingewendet. In stiller Verlegenheit verblieb ich bis zum Mai 1785, entfloh dann …, ließ fahren des Meisters Gunst, Pension und sonstige Aussichten …» (Johann Gottfried Schadow).

      Hauptsächliches Fluchtmotiv war seine Marianne. Ein zweites Motiv «zu entfliehen» hatte zu tun mit dem Roman «Eusèbe» von Jean-Charles Tiebaut de la Veaux, für den Schadow den Titelkupfer mit dem «Triumph des Lasters» gestaltet hatte. Das Ganze war eine Satire gegen den Minister Graf Hertzberg. Das Buch wurde konfisziert. Dem Autor und seinem Illustrator drohten Schwierigkeiten. Zeitgleich dazu verbreiteten sich mehrere mutige satirische und gesellschaftskritische Blätter von Schadow, die ihm viel Bekanntheit, aber auch erheblichen Ärger mit den preußischen Tugendwächtern einbrachten.

      So suchte und fand Schadow eine glaubwürdige Begründung dafür, allen Konflikten aus dem Wege zu gehen. Er beschloss und verkündete einen Studienaufenthalt in Rom, um sich an den klassischen Vorbildern weiterzubilden. Dagegen konnte keiner etwas sagen, und ein langgehegter Traum des Künstlers war es ohnehin.

      Heimlich gab es freilich noch den Hintergedanken, vorher seine Mattel zu heiraten und Mariannes Eltern in Wien zu besuchen.

      Vater Devidels war so großzügig, dem künftigen Schwiegersohn die Reise und ein durchaus üppiges Stipendium für die Rom-Studien zu finanzieren, und so «floh» Schadow mit seiner Geliebten 1785 aus Berlin. Die geplante Hochzeit stellte sich allerdings als schwierig heraus. Eine katholische Jüdin und ein noch nicht «ehemündiger» protestantischer Künstler konnten damals vor Kirche, Staat und Gesellschaft noch nicht standhalten. So lebten die beiden zunächst in «wilder Ehe».

      Eine der Zwischenstationen auf dem Weg nach Wien und Rom war Dresden. Schadow folgte damit der Einladung des berühmten Porträtmalers Anton Graff (1736–1813), mit dem er in Verbindung stand und dessen Kunst er verehrte. Graff verstand es, in seinen Bildnissen den Charakter des Menschen zu erfassen, über die äußere Ähnlichkeit hinaus. Das war genau die Intention, die Schadow bei seinen eigenen Arbeiten verfolgte.

       Anton Graff, Selbstbildnis mit grünem Augenschirm, 1813

      Bei Graff und dessen Frau gaben sich Schadow und seine Marianne als Verheiratete aus. Es wurde nicht hinterfragt. Graff interessierte sich mehr für die grafische Mappe Schadows und nahm sich Blatt für Blatt vor. Sie sprachen über Rom und die Kunst der Vorväter. Schließlich gab Graff seinem Besucher ein Empfehlungsschreiben an den Bildhauer Franz Anton von Zauner in Wien, der ihn zu römischen Verbindungen weiter vermitteln sollte.

      Ende Mai 1785 trafen Schadow und seine Marianne in Wien ein, wo sie von den Schwiegereltern herzlich in Empfang genommen wurden. Sie mussten gestehen, dass es ihnen noch nicht gelungen war zu heiraten. Vater Devidels hatte aber die Nachricht von der Hochzeit unter Verwandten und Bekannten bereits verbreitet. So mussten sie das Spiel – nun freilich familiär geduldet – weiterspielen.

      Als Schadow mit dem Empfehlungsschreiben von Graff den Wiener Bildhauer Franz Anton von Zauner besuchte, traf er auf eine Lebenseinstellung und auf Ideale, die ihm schon vertraut vorkamen.

      Franz Anton von Zauner (1746–1822) war Freimaurer, 1784 in der Loge «Zur wahren Eintracht» in Wien aufgenommen, einer «Gemeinschaft in brüderlicher Liebe und gemeinsamen Streben nach allem Wahren, Guten, Schönen» (so steht es in der Logenordnung).

       Porträt von Franz Anton von Zauner an der Fassade des Landesmuseums Ferdinandeum in Innsbruck, 2016

      Meister vom Stuhl der Loge «Zur wahren Eintracht» war Ignaz Edler von Born (1742–1791), der für Mozart und Schikaneder Vorbild des weisen Sarastro in der «Zauberflöte» wurde und sich beziehungsreich zitieren lässt: «Ist Wahrheit, Weisheit und die Beförderung der Glückseligkeit des ganzen Menschengeschlechts nicht auch der eigentliche Endzweck unserer Verbindung?» (Ignaz von Born im «Journal für Freymaurer»)

      Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791), Mitglied der Wiener Loge «Zur Wohltätigkeit», war häufig Gast in der «wahren Eintracht» und wurde dort auch durch Ignaz von Born zum freimaurerischen Gesellen befördert. Zu den Mitgliedern der Loge «Zur wahren Eintrach zählte neben vielen Wiener Persönlichkeiten auch Joseph Haydn (1732–1809).

      Zauner, Schöpfer des Wiener Kaiser-Joseph-Denkmals und des Grabmals für Leopold II. in der Augustinerkirche, hat übrigens später auch ein Denkmal für Ignaz von Born gestaltet und am Sockel freimaurerische Symbolik untergebracht.

      Schadow hatte die freimaurerisch inspirierte Ausrichtung des Salons von Henriette Herz in bester und frischer Erinnerung. Er hatte sich möglicherweise auch in Gesprächen mit Marcus Herz über Ideale des Bundes ausgetauscht. Nun war Franz Anton von Zauner ein weiterer Stichwortgeber. Vier Wochen lang weilte Schadow in der Donaumetropole. In dieser Zeit traf er sich immer wieder mit Zauner, und zwischen den beiden entwickelte sich eine herzliche Freundschaft.

      «Mit dem Bildhauer Franz Zauner verbündet er sich innig, so dass sie lange nach Schadows Abreise noch einen fruchtbaren Gedankenaustausch führen. Dieses Bündnis hat tiefreichende menschliche und künstlerische Wurzeln.» (Joachim Lindner: «Wo die Götter wohnen», Berlin, 2008)

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      Italienische Impressionen

      Es war «die heftigste Erschütterung, welche aus Bewunderung für die Schönheiten der Kunst in ihm erregt wurde …»

      Johann Gottfried Schadow

      Zwischenstation auf dem Weg nach Rom war Florenz. Schadow begab sich begeistert auf die Spuren der «alten Meister», wie die der Renaissance, die immer wieder die Proportionierung nach den Maßverhältnissen des menschlichen Körpers gesucht haben. «Als er nach Florenz kam», schrieb er in seinen Erinnerungen, «und die kolossalen Arbeiten des Michelangelo und Giovan di Bologna auf offenem Platze sah, liefs ihm eiskalt über den Rücken». Er verfolgte die künstlerischen Gedanken von Johann Joachim Winckelmann, der die «edle und stille Größe» als Schönheitsideal des «archäologischen Klassizismus» aufgefasst hatte (1755). Er durchstreifte die Kirchen und Paläste, besuchte die Gemäldegalerien und fühlte sich nahezu heimisch in den Uffizien. Das war seine Welt. Kunst zu sehen, zu erleben, in sich aufzunehmen und sich anregen zu lassen. Es war «die heftigste Erschütterung, welche aus Bewunderung für die Schönheiten der Kunst in ihm erregt wurde» (Schadow). Schadow war ständig mit dem Skizzenbuch unterwegs, hielt fest, was die alten Meister geschaffen hatten und interpretierte sie. Marianne war seine geduldige Begleiterin.

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