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      3.

      Die Mühle lag am Bach, der sich aus den Abflüssen des Maares bildet und sich durch den schmalen Wiesenrain des engen Tales der Kleinen-Kyll zuschlängelt. Wenn das Maar hochstand und die Wiesen der Bauern überschwemmte, dann stürmte auch der Bach breit dahin, daß sich das große Mühlrad schwungvoll drehte. Aber wenn das Maar sich zurückgezogen hatte in seine geheimnisvolle Tiefe, eingesunken war wie ein Auge, das sich, alt und müde, schließen will, dann sickerte der Mühlenbach lässig dahin. Dann feierte das Rad. Der Herr feierte und die Knechte auch. Auf dem Lotterbett der Mahlstube dehnten sich die weißbestäubten Jungen, blinzelten träge nach den Mehlstäubchen, die im Sonnenlicht tanzten, und rissen gähnen das Maul auf. Es kam erst Leben in sie, wenn der Herr draußen rief: »Angespannt, ech faohren eweil!« Was? Der fuhr schon wieder aus?! No ja – die Burschen lachten sich zu – dann konnten sie ja auch im Dorfwirtshaus einkehren und die Seph karessieren, so sich die sehen ließ.

      Wenn die runden Pferdchen mit dem leichten Wägelchen davongetänzelt waren und der Herr mit der Peitsche noch einmal lustig zurückgeknallt hatte nach dem verschlossenen Fenster der Wohnstube, stahlen sich auch die Knechte vom Hof; und die Magd folgte.

      Einsam war die Mühle. Die starke Herrenstimme, die das Haus vom Giebel bis zum Keller füllte und muntere Nachklänge in allen Winkeln erweckte, tönte wo anders. Das leise Zittern und Schwanken der Dielen, das Schlagen und Pochen und Schaufeln des Rades hatte aufgehört: das Herz der Mühle stand still. Dann ging Frau Tina wohl hinaus aus der Stube, ums Haus herum bis zum Mühlgraben, stand mit hängenden Armen eine lange Weile und besah sich das stille Rad. So kolossal hing das da – ach, ihre Hände waren zu schwach, um in seine Speichen zu greifen! Sie konnte es nicht antreiben, es war ja so groß und schwer. Ach, wenn es sich doch wieder drehte! Wie anders sah es aus, wenn seine breiten Schaufeln wie rührige Hände ins Wasser faßten, immer wieder und wieder, und sich einen Gischt übergossen, einen perlenden Guß nach dem andern, der immer weißer und weißer wurde, leuchtend wie Schnee, hervorschäumend aus grünlichen Tiefen. Wie schön war das Rauschen und Brausen; die Musik, die hörte sie gern!

      Daß mit dem Stillstehen des Rades auch das Surren und Brummen der Kreissäge verstummt war, schaffte ihr weiter kein Leid. Die machte ja keine Musik, wie das große Mühlrad im schäumenden Wasser, die schnurrte und kreischte ihr nur widrig in die Ohren.

      Wenn nur die Kreissäge nicht wär’– die gab ihm immer die Ausrede! Bald mußte er zur Holzversteigerung – jetzt in den Gemeindewald, dann in den königlichen Forst – bald hierhin, bald dorthin; vor Morgengrauen brach er schon auf und kam längst nach Mitternacht erst wieder heim. Und dann mußte er hinunter an die Mosel, Aufträge einsammeln für seine Kreissäge, für das vielfräßige Ungeheuer mit den scharfen Zähnen; nie war genug Futter für das da! Bis an den Rhein gar, plante er, wollte er nächstens fahren, das Geschäft so erweitern. Jetzt blieb er schon Tage aus o je! – und dann am Ende gar noch länger! Und immer wurde getrunken. Das ist bei Geschäften nicht anders. Und immer war er der erste dabei, der Lustige, der Spendable!

      Die junge Frau sah sich besorgt um: es lagen der Bretter so viele aufgestapelt, fast so hoch wie das Haus. Als wenn die alle schon einen Käufer gefunden hätten! In diesen schönen, glatten Brettern, die das weiße Fleisch der Bäume entblößt zeigten und noch den Duft des Waldes an sich hatten, steckte viel Geld, ein ganzes Kapital. Dabei hatte der Vater doch letzt geschrieben, heuer seien die Ernteaussichten schlecht an der Mosel; die Reblaus war drunten, es half kein Bespritzen und Gießen mehr mit dem und jenem, was der Herr Landrat verordnet hatte – da brauchten sie nicht viel Fässer.

      Sie ging um die Stapel herum und betrachtete sie ängstlich unter hochgezogenen Brauen: wer sollte all das Holz kaufen?! Der Hannes hatte bar bezahlen müssen bei der Versteigerung – aber wer zahlte ihm? Die Kunden, die ihr Korn bei ihm mahlen ließen, zahlten meist nicht bar Geld, die gaben einen Molter vom Sack.

      Ach, wenn der Hannes nur nicht so viel Holz kaufen möchte! Das wäre er seinem Renommee schuldig, sagte er, ordentlich einkaufen müßte man.

      Sie fühlte hier an und dort an: hu, schon klamm, feucht! Und wenn all dies Holz nun hier liegen blieb, bis der Spätherbst kam mit seinen Regengüssen, und Berg und Grund vor Nässe trieften?! Wenn die durchdringenden Nebel alles bis ins Innerste aufweichten!? Wenn der endlos lange Eifelwinter kam, der weiter nichts kann als Schnee herunterschütten oder mit eisigem Frost alles zusammenpressen, daß es knackt und in sich reißt?! Wenn dann hier die Bretter Spalten und Fugen wiesen oder moderten und faulten, wer gab dann nur halb das Geld dafür, das sie gekostet?!

      Frau Tina schüttelte betrübt den Kopf. Wenn der Hannes doch hören wollte, um was sie ihn bat: »Laß doch e Dächelche drüber ufschlaon!« Ausgelacht hatte er sie: wie konnte er wohl über so viel Bretter ein Dächelchen schlagen lassen? Bis Herbst waren die ja auch längst verkauft! Ein Schuppen hätte ihm freilich angestanden, vorzüglich fürs Chaischen, das jetzt notdürftig untergebracht war; aber wohin sollte er den setzen? Platz war nicht, gerade daß das Wohnhaus und der Stall sich eingequetscht hatten zwischen dem Bach und der Böschung der Landstraße; den Hofraum brauchten die Wagen, schwer genug war das Wenden zwischen Hauswand und Holzstapel. Als sie ihm den Platz vorgeschlagen, den das Gärtchen am Ende zur Not doch bot, war er heftig geworden.

      »Ons’ schien Gärtche? Dat es mein Pläsier! Dat laoßen ech mer net verfumfeien!« Und er hatte wieder neue Rosenstöcke aus Trier kommen lassen und allerhand feines Gesäms, das nicht aufging.

      Nein, die Rosen würden hier nie blühen! Tina ging in den Garten und richtete ein Stämmchen auf, das der Eifelwind umgestoßen. Sie suchte einen Bast, daß sie es anbinde, aber da wurde sie gewahr, es war eingeknickt, gebrochen in der Wurzel. Den Bast ließ sie fallen, und in einer plötzlichen Traurigkeit kehrte sie sich ab – dem half kein Anbinden mehr!

      Die Sonne, die bis dahin noch geschienen, war hinter den Berg gesunken. Schatten düsterten im Tal. Wenn’s auch noch Sommer hieß, man dachte doch schon an Herbst. Fröstelnd ging die einsame Frau zwischen den Beeten auf und ab und suchte nach einigen Blumen. Viele fand sie nicht, die Beete waren verrast, Unkraut machte sich breit; das grüne, klammernde Moos, das so geschwind im Feuchten gedeih, fing schon an, den Pfad zu überziehen. Von der Brennenden Liebe, die sie im ersten Mai ihrer Ehe miteinander gepflanzt, blühte kein voller, rotglühender Busch mehr, nur noch ein einziger Stengel. Rasch knickte Tina den ab, er sollte vorm Muttergottesbild prangen.

      Jesus, wie sah es hier bös aus! Geld genug hatte der Garten gekostet, aber da war keiner, der ihn in Ordnung hielt. Sie sah an sich herunter und streckte die schmalen Hände aus – graben und jäten, ja, das war keine Arbeit mehr für sie! Ach, seit einem Jahr nicht mehr! Die Geburt des kleinen Mädchens hatte sie schwach gemacht.

      Sie mußte es doch dem Hannes sagen, daß der den Garten in Ordnung brachte – aber nein, nein, lieber nicht! In Ordnung bringen, das hieß für ihn: Arbeiter bringen, alles Alte herausschmeißen und Neues einsetzen lassen. Es mußte schon so bleiben.

      Niedergeschlagen verließ die Frau den düstern Garten; sie hatte sich lange verweilt. Am Mühlengraben kam sie wieder vorbei – es rührte sich nichts – da hing noch immer das leblose Rad. Sie mochte es gar nicht mehr ansehen; ihr wurde so bang. Ein Lied, das sie oft in der Heimat gehört, schoß ihr auf einmal durch den Sinn:

      »Da drunten in dem tiefen Tale,

       Da steht eine Mühle zum mahle –«

      und weiter?!

      Mit einem scheuen Blick sah sie sich um.

      »Das Mühlrad, das große, das Mühlrad blieb stehn,

       Ach Gott, was ist in der Mühle geschehn?!«

      Die Schatten dunkelten tiefer. Wie gejagt flüchtete die Frau in die Stube, wo das kleine Mädchen lag und greinte, setzte den Fuß auf die Schwinge der Wiege und brachte sie in Bewegung. Sacht schaukelte die hin und her und lullte das Kind wieder ein; aber die Gedanken der Mutter kamen so rasch nicht zur Ruhe.

      Die Nacht sah finster zum Fenster herein. Wenn doch der Hannes bald

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