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Stoß Klafterholz gestiegen und schoß nun von dort den fremden Hund mit Erbsen aus seinem Pustrohr.

      Als Hannes jetzt aus der Tür trat, sah er es und mußte laut lachen: ei, wi schoß der Jung’ so gut, und wie dumm war der Nero! ’s waren ja keine Schrote, nur Erbsen, die auf seinem dicken Fell abprallten!

      Aber jetzt, halt, das war ein Wehgeheul! Dicht am Auge war die Erbse angeprallt; wie von einem Schuß getroffen, wälzte sich das große Tier winselnd im Staub. Josephchen stieß ein Siegesschrei aus, aber Hannes sprang mit einem Fluch zu: das konnte dem Hund das Auge kosten!

      »Dau Biwak!« schimpfte er und drohte dem Knaben. »Maach! Ech verhauen Der dän Buckel!«

      Der Junge lachte und schnitt eine Grimasse, sein hübsches Gesicht, Augen, Wangen, Mund, Nase, alles schrumpfte zusammen wie bei einem Kautschukmännchen; und nun streckte er die Zunge heraus. Er fühlte sich auf dem Holzstoß sicher.

      Aber der große Mann langte hinauf und packte ihn bei den Beinen. Ehe das Josephchen sich’s versah, war es heruntergezogen, stand auf der Gasse, und die breite Hand des Müllers fiel ihm schwer auf die Kehrseite.

      Ind diesem Augenblick trat Jakob Laufeld aus der Tür; er wurde blaß und rot bei dem, was er sah.

      »Vadder!« schrie der Junge durchdringend.

      Aber Hannes ließ sich nicht beirren, wieder und wieder fiel seine schwere Hand nieder. »Exkusört,« sagte er entschuldigend, »de Jong hat meine Hund geschoss’, eweil moß hän sein Prüjel kriehn.«

      »Dat es meine Saach,« rief der Laufeld gereizt.

      »Vadder, Vadder,« kreischte der Junge dazwischen und schrie viel mehr, als die Prügel weh taten.

      »Laoßt de Jong los!«

      »Nä!« Hannes wurde nun auch gereizt durch den befehlenden Ton. »Wurscht widder Wurscht!« Die Empörung überkam ihn, als er jetzt, da Nero an ihm in die Höhe sprang, das blutende Auge des Tieres sah. »Wann dat Dier blind gieft, schicken ech Eisch de Rechnung. Äwer fürerscht soll Eiren dreckige Jong …«

      Seine aufs neue erhobene Hand wurde festgehalten; der Laufeld schrie ihn an, zitternd vor unterdrückter Wut:

      »Onnerstieht Eich! Wißt Ihr dann net, wän Ihr vor Eich haot? Rührt de Jong net mieh an! Ech schicken Eich dän Scher-schant uf dän Hals – in’t Loch met dem, dän onschullige Könder schlät!«

      »Oho!« Des Müllers Augen fingen gefährlich an zu funkeln. »Wän sei Ihr dann, dat Ihr hei dat gruß Maul hatt? Ech sein akkerat esu vill wie Ihr. Dän Müller-Hannes braucht sich vor keinem zu schenieren, vor Eich am allerwenigsten, dat Ihr’t wißt. Hei, haste noch einen« – er hieb dem Jungen noch einen derben auf – »on nau lauf on erzähl, dän Müller-Hannes haot der dän Hintern beschlaon!«

      Heulend lief das Josephchen fort. Ein paar Weiber und Kinder hatten sich schon angesammelt; nun fanden sich auch noch einige Männer dazu. Sie zogen alle lachend die Mäuler breit und freuten sich, daß die zwei Großen sich zankten. Der Müller stand wie ein streitbarer Recke. Die Weiber guckten nach ihm: was war der Müller-Hannes doch für ein schöner Kerl!

      Jakob Laufeld fühlte sein Ansehen schwinden. Nicht, daß er dem andern an Länge nachgestanden – er war auch hoch wie ein Baum –, aber er hatte nicht die gleiche Ochsenkraft. Der Klügere gibt nach, und er war der Klügere.

      »Ech giehn eweil,« sprach er, »de Kerch da drum ze versäumen, wär waohrhaftigens Gott Sünd. Awer geschenkt es et Der net, Müller-Hannes – mir zwei sprechen ons noch ehs!« Und damit eilte er, anscheinend ruhig, hinüber zur Kirche.

      Hannes sah ihm nach mit schallendem Lachen. Dann bückte er sich und untersuchte seinen Hund. Ein gefälliges Weib füllte einen Napf am Brunnen und brachte auch ein Stück altes Schürzenzeug. Gefährlich verletzt schien das Auge des Hundes weiter nicht, das Bluten hörte gleich auf, und Hannes wurde sehr vergnügt. Lange nicht hatte ein solches Gefühl der Genugtuung seine Brust gehoben: dem hochmütigen Kerl, der dem Besucher nicht einmal entgegenkam, dem hatte er’s jetzt aber ordentlich gegeben. Fröhlich lud er die Leute, die sich so teilnehmend gezeigt, zu einem Schöppchen ins Wirtshaus.

      Die Pferde wurden ausgespannt und in den Stall geführt. Der Hund bekam als Schmerzensgeld einen ganzen Teller Braten, der Herr ließ sich auch ein Essen auftragen. Und jetzt hub das Trinken an. Aus einem Schöppchen wurden viele. Die Wirtsstube saß gestopft voll, einen Freitrunk ließ sich keiner entgehen. Und sie hatten den Müller-Hannes wirklich alle gern; die Freude, traktieren zu können, stand dem ja auf dem Gesicht, und jeden Neuzukommenden begrüßte er mit Hallo.

      Das war ein Anstoßen: »Prost! Eier Wohl! Ihr sollt läwen! Hannes, uf Dein Spezielles!«

      Das war ein Gläserklirren, ein Austrinken und ein Einschenken, ein Auf-den-Tisch-Stoßen, ein dröhnendes Gelächter und ein wirres Durcheinander. Jeder drängte sich heran, Hannes die Hand zu schütteln.

      Die Wirtsstube faßte längst nicht mehr alle Gäste. Draußen unterm Fenster standen die, die nicht mehr hinein konnten, man reichte ihnen von innen die gefüllten Gläser heraus. Manch ein Glas ging dabei in Scherben, aber das machte nichts, der Müller-Hannes zahlte ja alles.

      Der war selig, berauscht von dem vielen Händeschütteln, dem unausgesetzten Zutrinken. Jeder hob sein Glas gegen ihn: »Prost, Hannes.« Er kannte seine Gäste gar nicht alle.

      So ging es den ganzen Nachmittag. Die Dorftraße hinunter brauste der Jubel, und die Kunde flog von Haus zu Haus: »Dän Müller-Hannes es in Schneidersch! Juhe, juhe, laoße mir aach derhin giehn!«

      Auch die Kinder rannten herbei und drängten sich an der Wirtshaustür. Müller-Hannes rief ein paar näher, das flachsköpfige Karlchen und das schwarzhaarige Pittchen. Er strich ihnen über die wassergestrählten Scheitel und steckte jedem von ihnen einen Groschen in die Hand:

      »Lauf, kaof der ebbes!«

      Glückstrahlend stoben die beiden davon. Und nun faßte bald eine ganze Schar auf der Gasse Posto, und viele Kinderaugen bettelten. Wie eine Tracht junger Füchse lauerten sie. Ein besonders Kühner stimmte das Martinslied an:

      »Heiliger Sankt Märtes,

       Met de siewe Kärze,

       Flieg zu einem reiche Mann,

       Bring mer eine Dahler dann,

       Mir eine – Dir eine,

       De freche Könder gar keine!«

      Hannes hatte sich erhoben und war ans Fenster getreten – schon stand er nicht mehr ganz fest –, sein rundes, jetzt sehr rotes Gesicht strahlte wie die liebe Sonne.

      Da wurde der Gesang immer kecker, die Kinder bekamen Mut. Er nickte ihnen zu, sie nickten wieder; die Kinderaugen lachte, die seinen auch.

      »Hah!« – Ein staunendes Aufatmen.

      Müller-Hannes hatte in die Tasche gegriffen – wie ein Stern schoß ein blanker Taler durchs Fenster. Nun lag der auf dem Pflaster.

      »Hah!« Noch einer und noch einer!

      Ein gellender Jubelschrei stieg empor. Hei, wie dei Kinderschar übereinanderstürzte! Sie rannten, stolperten, purzelten, kugelten. Ein Knäuel wälzte sich auf der Gasse: braun, blond, schwarz, Ärmchen, Beinchen, Höschen, Röckchen, dicke Mädchen, dünne Mädchen, rote, blaue, grüne Strümpfchen, alles durcheinander. Hundert Fingerchen packten zu. Raufen, Stoßen, Schlagen, Puffen, Kreischen, Jauchzen, Lachen und Weinen.

      Der große Mann am Fenster lachte sich halbtot. Wieder griff er in die Tasche.

      »Lenche, Tinche, Kättche, Juppi, ufgepaaßt!«

      Die erdarbten Taler des Bäcker Driesch flossen als silberner Regen aufs Straßenpflaster; und nicht nur die Kleinen fingen ihn auf, auch die Großen. Es war ein Jubel ohne Grenzen. Ein donnerndes Vivat brauste vom Wirtshaus hin zu des Laufeld Haus und stieg jauchzend empor bis zum Abendstern.

      Nicht einen einzigen Taler behielt Müller-Hannes zurück; das Hinauswerfen machte ihm gar

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