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wurde der Thron auf seinem Podest von zwei Ritterrüstungen, den rotweiß gefärbten Schilden der Ritter des Heiligen Johannes von Jerusalem sowie zwei großen schmiedeeisernen Standleuchtern.

      Der Großmeister-Palast war fast gleichzeitig mit der Kathedrale des Heiligen Johannes errichtet worden, nachdem 1565 nach viermonatiger Belagerung ein großer Angriff der Türken zurückgeschlagen worden war. Jean de la Vallette-Parisot war der Gründer der Stadt Valletta. Vor ein paar Jahren, 1574, hatte er die von Gerolamo Cassar konstruierten Prachtbauten der Stadt vervollständigen lassen.

      Giuliano Salce hatte Hasard diese Dinge während der Überfahrt von Santorin nach Malta erzählt. Der Thronsaal wie viele andere Säle des Palastes war mit kunstvollen Wandteppichen geschmückt, die Szenen aus der Geschichte des Ordens wiedergaben. Es existierte auch eine Waffenkammer der Ritter, ein beachtlich langer Saal, in dem die Waffen und Rüstungen vergangener Jahrhunderte und der Jetztzeit zu betrachten waren. Unter den Rüstungen befand sich auch eine germanische, die, so hieß es, von Garzes getragen worden war.

      Der greise Großmeister stand auf und hob die rechte Hand.

      „Bitte, Philip Hasard Killigrew“, sagte er in akzentfreiem Englisch. „Treten Sie zu mir, ich möchte Ihnen die Hand schütteln.“

      Hasard nahm die Stufen des Podestes. Ohne Zögern und irgendwelche Beklemmungen schritt er auf diesen großen alten Mann mit dem schlohweißen Haar zu, streckte die Rechte aus, ergriff die ihm dargebotene Hand und drückte sie. Es war erstaunlich, über welche Kraft und Energie de la Vallette auch im hohen Alter noch verfügte – sein Händedruck vermittelte etwas davon. Und in diesem Augenblick fühlte Hasard sich wieder an seinen Vater Godefroy von Manteuffel, den Malteserritter, erinnert. Ja, es bestand eine unverkennbare Ähnlichkeit zwischen beiden, weniger in der Physiognomie als vielmehr in den Charakterzügen.

      De la Vallette hatte graue Augen, keine eisblauen wie Hasards Vater. Es gab da viele Unterschiede – und doch erschien es Hasard so, als habe er den Großmeister schon früher gekannt, als sei dies mehr als ein Wiedertreffen zweier guter, alter Freunde.

      Das lag an der humanen Ausstrahlung, die von diesem Mann ausging. Hasard empfand tief in seinem Herzen äußerste Verbundenheit mit ihm. Hier hatte er einen gefunden, der seine Ziele teilte und seine Ideale verstand. Er wußte es, ohne daß sie darüber gesprochen hatten.

      Aber da war noch mehr. Hasard hielt nichts von großen Floskeln und ausschweifenden Dankesreden. Dennoch erfüllte ihn dieser Empfang mit Genugtuung, denn auf Malta erhielt er endlich die Anerkennung, die ihm in England versagt gewesen war. Dort hatte er der Königin seine immensen Schätze überbracht und nur Neid, Haß und Verachtung geerntet. Hier bekundete ihm der Großmeister der überall geachteten Ritter des „Ordens der Kavaliere“, daß auch ein Bastard Respekt und Ehre verdiente.

      „Ich danke Ihnen, Hasard“, sagte Jean de la Vallette-Parisot schlicht. „Ich habe von Giuliano Salce vernommen, daß Sie der Sohn von Godefroy von Manteuffel sind.“

      „Ja, das habe ich ihm gesagt.“

      „Ritter Godefroy ist bei Algier gefallen?“

      „Auf der Galeere des Uluch Ali. Als ich ihn gerade von dem Joch des Rudersklaven befreit hatte. Sein Mörder war ein gewisser Salvador de Coria. Er hat mit dem Tod für seine Tat bezahlt.“

      De la Vallette nickte. „Ich habe davon vernommen. Es werden die tollsten Geschichten über den Kampf verbreitet, aber Uluch Alis Vernichtung beweist, daß er endlich seinen Bezwinger gefunden hat. Ihnen, Hasard, steht der Ruhm zu, das Mittelmeer von einem seiner gefährlichsten, blutrünstigsten, grausamsten Piraten befreit zu haben.“

      „Ein zweifelhafter Ruhm. Meiner Familie hat er nichts eingebracht“, entgegnete Hasard bitter. „Ich habe nicht nur meinen Vater, sondern auch meine Frau Gwendolyn und meine beiden erst ein Jahr alten Kinder Philip und Hasard verloren. Aber, verzeihen Sie bitte, Sir, das gehört nicht hierher.“

      „O doch“, sagte der Großmeister. „Ich will die Ereignisse nicht in Ihre Erinnerung zurückrufen und Ihre seelische Qual vergrößern. Ich will Ihnen nur meine Hochachtung aussprechen, daß Sie trotzdem nicht verzagt haben und Ihren Weg weitergegangen sind. Giuliano Salce hat mir soeben, kurz vor Ihrer Ankunft, eine Menge über Sie berichtet. Ihr Verhalten, nachdem Sie den Schatz des Ordens an Bord Ihres Schiffes gebracht hatten, war beispielhaft. Ich will keine großen Kommentare dazu abgeben. Sie scheinen mir nicht der Mann zu sein, der Wert darauf legt. Aber ich möchte Ihnen einen Vorschlag unterbreiten.“ Ein Lächeln glitt über die faltigen Züge des Alten, als Hasard ihn überrascht anblickte.

      „Einen Mann wie Sie, Philip Hasard Killigrew“, fuhr Jean de la Vallette fort, „nehme ich ohne die üblichen Prüfungen, ohne Wartezeit und ohne das allgemeine Zeremoniell in den Orden des Heiligen Johannes von Jerusalem auf. Als sein bedeutendster Ehrenritter.“ Er vollführte eine Gebärde zu der „Isabella“-Crew hin. „Und diese Männer würden wir als Adepten in unsere Reihen eingliedern, sie anlernen, prüfen und dann ebenfalls zu Rittern ernennen. Der Orden braucht Zuwachs. Und bessere Anlernlinge als euch Seewölfe gibt es nicht.“

      Carberry hustete. Shane, immer noch als Pirat kostümiert, kratzte sich in seinem grauen Bartgestrüpp. Matt Davies und einige andere hätten sich gern irgendwo verkrochen, und Batuti wußte nicht, wohin er blicken sollte. Denn soviel Achtung und Freundlichkeit waren ihnen noch nirgendwo entgegengebracht worden. Außerdem fühlten sie sich in dem prunkvollen Saal irgendwie fehl am Platz. Die See war ihr Element, die „Isabella VIII.“ ihr Zuhause, Schlachten und Abenteuer ihre Welt. Aber hier, im Palast, fühlten sie sich etwa so wie ein Schwarm Raben in einer Pfauenkolonie.

      Hasard brauchte nicht nachzugrübeln, er fällte seine Entscheidung sofort.

      „Sir“, erwiderte er. „Sie dürfen mir auf keinen Fall übelnehmen, was ich jetzt sage. Ich spreche für meine Mannschaft wie für mich selbst, aber natürlich bitte ich jeden vorzutreten, der sich anders entschließen will.“ Er sandte einen Blick zur Mannschaft hinüber. Ernst nickten ihm die Männer zu.

      „Ich bin sehr stolz auf Ihr Angebot“, sagte Hasard. „Ich weiß es zu würdigen, das dürfen Sie mir glauben. Ich würde Ihren Vorschlag auch gern annehmen, Sir. Viele Männer wünschen sich nichts sehnlicher als eine Chance wie diese. Und doch – ich muß leider ablehnen. Ich kann kein Malteserritter werden, nicht jetzt, nicht in meiner derzeitigen Lage. Es gibt einige zwingende Gründe, die dagegensprechen.“

      Der Großmeister hob die weißen Augenbrauen etwas an. „Glaubensgründe?“

      Ihre Blicke verfingen sich ineinander. Hasard mußte unwillkürlich lächeln, denn sie schienen wieder beide die gleichen Gedanken zu haben. Hasard entsann sich einiger Berichte über Heinrich VIII. von England, der von 1509 bis 1547 König gewesen war, ein typischer Herrscher der Renaissance – brutal, selbstherrlich und prachtliebend. Als ihm vom Papst die Trennung seiner kinderlosen Ehe von Katharina von Aragon verweigert worden war, hatte Heinrich sich kurzerhand durch Thomas Cranmer, den Erzbischof von Canterbury, scheiden lassen. 1533 war das gewesen. Heinrich hatte wieder nicht lange gefackelt und Anne Boleyn geheiratet. Diese Anne gebar ihm schließlich eine Tochter – Elisabeth, die königliche Lissy, die heute auf Englands Thron saß.

      Nach dem Bruch mit Rom und der Errichtung der anglikanischen Kirche hatte Heinrich, dieser unverbesserliche Querkopf, dann das königliche Supremat über die Kirche und darauf die Einziehung der Klöster durchgesetzt. Die Stabilisierung des Anglikanismus’ auf dem Grund des protestantischen Glaubensbekenntnisses wurde unter seinem Nachfolger, Eduard VI., vollzogen.

      Eduard VI. war jedoch nur ganze sechs Jahre lang Herrscher über die Insel. Heinrich VIII. war da aus anderem Holz geschnitzt gewesen, irgendwie erinnerte er Hasard an seinen Pflegevater, den Schnapphahn zur See Sir John Killigrew, diesen Erzhalunken.

      Und was hatte Anne Boleyn das Ganze eingebracht? Heinrich hatte ihren Kopf rollen lassen, als er ihrer überdrüssig geworden war. Elisabeth I. endlich, seit 1558 Königin, hatte die Staatskirche unter Schonung der Katholiken wiederhergestellt. Anfangs hatte ihr dies die Freundschaft Philipps II. von Spanien eingetragen, der ihre Exkommunikation verhinderte und sie zunächst gegen Maria Stuart deckte. Inzwischen

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