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      Die Klinge zischte an ihm vorbei und hackte mit dumpfem Klang ins Holz.

      Im selben Moment wurde er von der Last ihres muskulösen Körpers auf die Planken gerammt. Er hatte nicht mehr viel Zeit. Vielleicht noch Sekunden. Jeden Augenblick konnten die Decksleute aufmerksam werden.

      Er spannte seine Armmuskeln an und ließ sie explodieren. Mit angewinkeltem Arm hieb er ihr den Ellenbogen in den Bauch. Ihr Körper wurde locker und fiel von ihm ab. Sie stieß einen gurgelnden Schmerzenslaut aus und krümmte sich neben ihm, das verzerrte Gesicht nahe vor dem riesigen Messer, das im Plankenholz federte.

      Blitzartig war El Tiburon auf den Beinen. Das eigene Messer flog wie von selbst in seine Rechte. Mit einem Fußtritt schleuderte er die Blankwaffe der Black Queen aus ihrer Reichweite. Dann hielt er ihr die Klinge drohend vors Gesicht, während sie sich gerade halb aufgerichtet hatte.

      „Ich bin kein Mörder“, sagte er leise und drohend, „du brauchst nicht zu denken, daß ich dich jetzt absteche wie ein Tier. Ich bin nicht von deiner Sorte, denn ich töte keinen wehrlosen Gegner.“

      „Warum?“ keuchte sie. „Warum, verdammt noch mal?“

      „Deine Handlanger“, entgegnete er eisig, „Nazario und Sarraux. Sie haben auf Tortuga versucht, mich umzubringen. Dafür haben sie inzwischen ihr Leben gelassen. Du bist an allem schuld. Deshalb wirst du sterben.“

      Ihr Gesicht versteinerte. Schlagartig begriff sie, was dieser Mann von Anfang an wirklich vorgehabt hatte. Die Erkenntnis, derart getäuscht worden zu sein, war wie das Eingeständnis eines furchtbaren Fehlers. Ihre eigene Unzulänglichkeit hatte zu dieser Situation geführt, die für sie entwürdigend war. Sie empfand in diesem Augenblick nichts anderes als Wut auf sich selbst.

      Und sie wußte, daß sie ihn nicht noch einmal überlisten konnte. Eine einzige falsche Bewegung, nur ein Muskelzucken, und er würde zustechen.

      „Das hast du fein eingefädelt“, flüsterte sie tonlos, „erst hast du Caligula außer Gefecht gesetzt, und jetzt bin ich an der Reihe. Ich gestehe, ich habe dich nicht durchschaut.“

      „Dein Fehler. Wenn du am Leben bleiben würdest, könntest du daraus lernen, daß du deine Gefühle besser unter Kontrolle halten mußt.“

      Ihre Augen flackerten ihn über die tödliche Klinge hinweg an.

      „Auf was wartest du? Bring es hinter dich. Aber ich schwöre dir, du wirst dieses Schiff nicht lebend verlassen.“

      „Zerbrich dir nicht meinen Kopf.“ Sein Grinsen hatte eine solche Eiseskälte, daß jetzt sie es war, die ein Schaudern verspürte. „Du wirst jetzt aufstehen und meine Anweisungen befolgen. Ich habe gesagt, daß ich keinen wehrlosen Gegner töte.“

      Sein Messer wechselte so blitzschnell von der Rechten in die Linke, daß sie die Bewegung mit ihren Augen kaum verfolgen konnte. Dann zog er den Drehling und spannte den Hahn. So nahe vor ihrem Gesicht sah die Waffe riesenhaft aus. Das mächtige stählerne Laufbündel gähnte sie mit seinen kreisförmig angeordneten Mündungen an.

      Sie schalt sich eine Närrin, daß sie sich für diese Waffe nicht früher interessiert hatte. Es war eine Seltenheit. Nur wenige Leute besaßen ein solches Monstrum, mit dem man sechs Schüsse hintereinander abfeuern konnte, ohne nachladen zu müssen. Warum, zum Teufel, hatte sie ihm das Ding nicht abgeluchst?

      Zu spät, über solche Fehler noch nachzudenken.

      Langsam, vorsichtig, begann sie, sich aufzurichten.

      Joaquin wich einen Schritt zurück. Er schob das Messer in die Scheide und ließ sie dabei nicht einen Lidschlag lang aus den Augen. Die schußbereite Waffe war auf ihre Brust gerichtet, ohne daß das Laufbündel auch nur um eine Haaresbreite schwankte.

      Erst in diesem Augenblick hörte er eilige Schritte und aufgeregte Stimmen. Es erleichterte ihn fast, denn er hatte längst damit gerechnet, daß die Kerle aufmerksam werden würden. Jetzt klärten sich die Fronten. Aus den Augenwinkeln heraus sah er die ersten Gestalten beim Niedergang an Steuerbord auftauchen. Fast im selben Moment auch an Backbord.

      „Zurück!“ brüllte er, ohne den Blick von der Black Queen zu wenden. „Zurück, oder eure Anführerin stirbt auf der Stelle!“

      Die Kerle prallten wie gegen eine unsichtbare Wand. Fassungslos, mit weit aufgerissenen Mündern, sahen sie die Szene, die sie nicht zu begreifen vermochten. Wie sollten sie das auch verstehen, wenn es selbst die Queen viel zu spät erkannt hatte? Niemand an Bord hatte auch nur den leisesten Verdacht gehegt, daß Joaquin Solimonte ein falsches Spiel getrieben hatte.

      Das Getrappel der Schritte verklang nach und nach. Auch jene, die von der Kuhl aus nicht einmal sehen konnten, was sich abspielte, verharrten. Die unglaubliche Nachricht wurde ihnen hastig von denen zugeflüstert, die schon den Niedergang erreicht hatten.

      Auch der Rudergänger hatte entsetzt den Kopf herumgedreht. Er war außer der Black Queen und El Tiburon der einzige auf dem Achterdeck.

      Die Negerin bewegte sich einen Schritt seitwärts, und sie sah, wie das Laufbündel des Drehlings präzise ihrer Bewegung folgte.

      „Tut, was er sagt!“ herrschte sie die Meute an. „Ich brauche keine Hilfe, verstanden? Und du hältst den Kahn auf Kurs! Sieh nach vorn!“

      Der Rudergänger begriff, daß er mit den letzteren Worten gemeint war. Gehorsam wandte er den Kopf.

      Joaquin Solimonte schob sich kaum merklich rückwärts, ohne dabei die Waffe aus der Visierlinie zu nehmen. Dann spürte er die Heckbalustrade im Rücken. Er sah, wie die Black Queen zögerte. Vier oder fünf Schritte hatte sie erst hinter sich gebracht.

      „Weiter“, befahl er mit eisigem Lächeln, „auf diese Entfernung treffe ich sogar eine Fliege.“

      „Dein Edelmut muß grenzenlos sein!“ zischte sie. Eine Spur von Hohn schien bereits wieder in ihr aufzuflackern. „Du willst es dir nicht zu leicht machen, wie? Sieht fast so aus, als ob du Angst hast, mich über den Haufen zu schießen.“

      „Geh weiter“, sagte er, ohne auf ihre bissigen Worte einzugehen. „Aber sieh zu, daß der Rudergänger aus der Schußlinie bleibt.“

      „Das soll ein richtiges Duell werden, was?“ Grinsend begann sie, die Schritte abzuzählen. Dann, als sie bei fünfzehn angelangt war, blieb sie stehen. „Reicht das?“

      „Ja. Du darfst dir jetzt eine bestimmte Waffe aussuchen und sie dir bringen lassen.“

      „Wie gnädig! Deine Fürsorge rührt mich zu Tränen. Ehrlich gesagt, du gibst dir viel zuviel Mühe, mein lieber Joaquin. Meine Waffe habe ich bei mir. Eine bessere kenne ich nicht.“ Sie klopfte mit der flachen Hand auf den Knauf der Pistole in ihrem Gurt.

      „In Ordnung.“ El Tiburon nickte und schob den Drehling zurück unter seinen Gurt, wobei er den Hahn entspannte.

      Über die Ruhe, die ihn erfüllte, war er selbst erstaunt. Jetzt, da der alles entscheidende Moment unmittelbar bevorstand, war die Last von seinen Nerven genommen. Er konzentrierte sich auf seinen Willen, dieses Ungeheuer von einem Weibsbild zu töten. Sie, die andere Menschen eiskalt über die Klinge springen ließ, hatte nichts anderes verdient als den Tod.

      „Na?“ ertönte ihre Stimme von neuem. „Welche weiteren Bedingungen hast du für unser feines Duell vorgesehen, mein Schatz?“

      Er wußte, daß sie ihn mit ihrem Hohn nur reizen wollte, damit seine Aufmerksamkeit nachließ. Aber in dem Punkt sollte sie sich verrechnen.

      „Ich bin ein höflicher Mensch“, entgegnete er und ahmte den höhnischen Klang ihrer Stimme nach. „Ich lasse dir den Vortritt. Du darfst deine Waffe ziehen und feuern, wenn du es für richtig hältst.“

      Für einen Atemzug stutzte sie. Dann verzerrte sich ihr Gesicht zu einer abfälligen Grimasse.

      „An deinem Größenwahn wirst du dich verschlucken“, fauchte sie.

      Sie hatte die letzte Silbe noch nicht ausgesprochen, als ihre Rechte abwärts zuckte.

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