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einem Mittwoch – waren drei Handelsgaleonen aus Cadiz in Cartagena eingetroffen. Sie brachten Leinen, Kleidungsstücke, Schuhe, Wein, Hieb- und Schußwaffen, Brustpanzer, Werkzeuge und Haushaltsgeräte. Klar, daß von den Weinfässern gleich einige für den Gouverneurskeller abgezweigt wurden, diskret wie immer.

      Indessen sortierte der Sekretär Don Ignazios, ein spitzbärtiges Männchen, einer Maus nicht unähnlich, die Post, die von der Casa den drei Galeonen für den Vizegouverneur mitgegeben worden war.

      Darunter befand sich ein Schriftstück, das mit dem königlichen Siegel versehen war – eine Order für den Señor Vizegouverneur. Der Spitzbart des Männchens begann zu zittern, und seine Hände wurden feucht. Das passierte ihm immer, wenn Briefe mit dem königlichen Siegel eintrafen. Es vermittelte ihm das Gefühl, einen unerhört wichtigen Posten innezuhaben, gewissermaßen Auge in Auge oder Ohr an Ohr mit Seiner Erlauchten Allerkatholischsten Majestät. Ein erhebendes Gefühl, zumal der Maus die Gnade Don Ignazios zuteil geworden war, die königlichen Briefe öffnen zu dürfen.

      Er öffnete, aber zuvor wusch er sich die feuchten Hände, ordnete seine Kleidung und polierte die Platte seines Schreibtisches, obwohl die eh wie ein Kinderpopo glänzte. Aber das mußte sein, galt es doch, Seiner Allerkatholischsten Majestät – verkörpert durch Brief und Siegel dort auf dem Schreibtisch – in tiefstem Respekt und untertänigster Würde gegenüberzutreten.

      Und die Maus zelebrierte vor dem eigenen Schreibtisch, auf dem Königliches lag, einen Kratzfuß, einen sehr tiefen – und noch einen mit einem Schrittchen voraus.

      Das Schrittchen war zuviel, und beim Aufrichten bumste es. Da war die Schreibtischkante im Weg. Ein paar Sternchen blitzten im Kopf des Männchens auf, und es schmerzte sehr. Kanten an Schreibtischen sind nun mal hart.

      „Verzeihung“, murmelte das Männchen erschrocken, als habe Seine Majestät zugeschaut und sei ob des Bumses unwirsch.

      Inzwischen landete ein blauschillernder Brummer auf dem königlichen Schreiben und begann, die Flügel zu putzen. Man bedenke – ein Brummer auf dem Erhabenen! Welch ungeheuerliche Schändung!

      „Ksch-ksch!“ zischte das Männchen und wedelte mit der rechten Hand. „Weg da!“

      Der Brummer summte beleidigt ab. Drüben im Türmchen des Klosters von Notre-Dame-de-la-Poupe läuteten die Glocken die vierte Nachmittagsstunde ein. Am Hinterkopf des Männchens entwickelte sich eine längliche Beule. Sie wurde mannhaft ignoriert. Es galt, den Brief des Erlauchten zu lesen, Wort für Wort, Satz für Satz – eine königliche Offenbarung, verschnörkelt und mit Girlanden verziert, erhabener Ausdruck des Herrschers über Spanien und seine Kolonien, über Neapel, Mailand, die Freigrafschaft Burgund und die Niederlande.

      Und das Männchen las.

      Lippen formten unhörbare Worte, Augen wanderten von links nach rechts, sprangen zur nächsten Zeile der majestätischen Verkündigung, Andacht versammelte sich im Gesicht, Denkfalten vertieften die Stirn.

      Der Brummer raste im Tiefflug über den Schreibtisch. Das Männchen bemerkte es nicht. Der König von Spanien sprach. Im fernen Escorial weilte er, weit weg über Tausende von Meilen. Von dort aus tat er kund, was er von Seinem untertänigsten Don Ignazio erwünschte – und fürwahr, es war der Wunsch einer königlichen Majestät, angemessen Seiner herrscherlichen Würde, symbolhaft gleichsam.

      Zutiefst aufgewühlt las das Männchen den Brief noch einmal von oben bis unten. Dort klammerten sich seine Augen an der königlichen Unterschrift fest. Ah! Dort hatte Seine Hand geruht! Die Augen der Maus schimmerten verzückt.

      Der Brummer flog einen Frontalangriff auf die Stirn der Maus, bog im letzten Moment nach rechts und kurvte mit einem bösartigen Summton an die Zimmerdecke.

      Da war das Männchen doch ein bißchen zusammengezuckt. Es starrte wütend zur Decke hoch. Die hehre Stunde war entweiht, nichts war diesen Untieren heilig, sie vergingen sich an Seiner Majestät.

      Es wurde Zeit, dem Señor Vizegouverneur das Schreiben Seiner Allerkatholischsten Majestät zu überbringen, auf daß auch Don Ignazio der Ehre teilhaftig wurde, die königlichen Zeilen zu lesen und etwas zu veranlassen.

      Der Brief mit dem königlichen Siegel fand den ihm gebührenden Platz auf einem silbernen Tablett, das die Maus zuvor noch einmal auf Hochglanz poliert hatte. Auch das mußte so sein – jedenfalls nach Ansicht der Maus, die einen Königs-Tick hatte. Ein Tablett aus Edelholz hätte es auch getan, aber das war der Maus zu schäbig.

      Don Ignazio de Carillo studierte die von den Galeonen mitgebrachten Frachtlisten, als sein mausgesichtiger Sekretär nach behutsamem Klopfen eintrat, sich verhalten räusperte und zum Schreibtisch schritt. Ja, ein Schreiten war es, gemessen und würdevoll, als führe die Maus eine Prozession an.

      Beim Öffnen der Tür hatte auch der Brummer einen Standortwechsel vorgenommen und war über dem Kopf der Maus in den Arbeitsraum Don Ignazios vorgestoßen. Der Raum war natürlich größer als das Sekretärsbüro. So konnte sich der Brummer voll zum Langflug entfalten, was einen dauerhaften Summton zur Folge hatte, dem es auch an Durchdringlichkeit nicht mangelte.

      Die Maus biß die Zähne zusammen.

      Don Ignazio schaute, auf, runzelte die Stirn, sein Blick folgte dem Brummerflug.

      Die Maus hüstelte und verkündete: „Ein Brief Unserer Durchlauchtigsten Majestät!“ Das silberne Tablett mit dem Königlichen wurde serviert, die Hände hielten es wie eine Reliquie über den Schreibtisch und vor die Nase Don Ignazios.

      Dessen Blick kehrte zurück, sein Stirnrunzeln vertiefte sich.

      „So!“ sagte Don Ignazio, nicht sonderlich interessiert.

      Hier müssen wir einfügen, daß Don Ignazio im Gegensatz zu seinem Sekretär keineswegs an einem Königstick litt, nein, ganz und gar nicht. Es mangelte ihm an dem gebührenden Respekt. Außerdem betrachtete er königliche Briefe mit dem gesunden Mißtrauen eines Mannes, der aus langer Erfahrung weiß, daß sie in der Regel nichts Gutes enthalten. Zumeist hatten sie die fatale Eigenschaft, etwas zu verlangen und somit störend zu sein.

      „Ein königlicher Auftrag!“ verkündete die Maus und hatte den schwärmerischen Blick drauf. Seine Hände hielten immer noch das Tablett.

      Don Ignazio hatte es ja geahnt. Ein Auftrag!

      „Er wird unsere ganze Kraft erfordern!“ verkündete die Maus.

      Daß die Maus „unsere“ sagte, ließ die Hoffnung offen, die Arbeit zu delegieren.

      „Laß sehen!“ sagte Don Ignazio unwirsch.

      Er nahm den Brief vom Tablett und behandelte ihn wie etwas Lästiges, aber nicht wie eine Reliquie. Und dann las er.

      Sein Geiergesicht wurde rot und röter, aus seinem schmallippigen Mund drang ein Zischlaut der Wut, und als er am letzten Schnörkel der königlichen Unterschrift angelangt war, warf er den Kopf zurück und stieß ein hysterisches Gelächter aus.

      Die Maus erbleichte, der Spitzbart zitterte.

      „Wahnsinn!“ schrie Don Ignazio. „Sind die denn des Wahnsinns?“ Seine rechte Rückhand knallte mehrmals gegen das Erhabene, das er mit der Linken hielt. Es sah aus, als ohrfeige er den Brief. „Ich soll eine Schiffsladung voller Affen auf den Weg nach Spanien bringen – possierliche und lustige Äffchen! Geeignet, Seiner Majestät Freude und Heiterkeit zu vermitteln! Was bin ich denn? Ein Affenfänger?“ Don Ignazios Faust landete krachend auf dem Schreibtisch.

      „Aber …“, stotterte die Maus und war am Flattern.

      „Nichts da!“ schrie Don Ignazio wutentbrannt und wurde sehr vulgär. „Die sollen mich am Arsch lecken! Possierliche Äffchen! Daß ich nicht lache! Diese verlausten Mistviecher!“

      „Aber …“, setzte die Maus noch einmal an, wurde aber wieder unterbrochen.

      „Wer hat diesen Quatsch ausgeheckt?“ donnerte Don Ignazio. „Wer hat ihm diesen Floh ins Ohr gesetzt?“ Mit „ihm“ meinte er Seine Allerkatholischste Majestät. „Doch nur irgendwelche verdammten

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