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an Bord der „Le Vengeur III.“, wo er die Arbeiten besonders sorgfältig überwachte und immer wieder selbst mit Hand anlegte.

      Ramsgate deutete zum Werftgelände, wo ein Teil seiner Männer dabei war, Ausrüstungsgegenstände und Werkzeuge in Kisten zu packen und diese zum Kai zu transportieren.

      „Ich habe einen Zeitplan aufgestellt. In drei bis vier Tagen, denke ich, werden wir mit allem fertig sein.“

      Jean Ribault lehnte sich an die Achterdecksbalustrade seines stolzen neuen Schiffes. Er warf einen Blick zum Hauptdeck und zur Back. Etwa ein Dutzend Arbeiter waren auf der „Le Vengeur III.“ beschäftigt. Die Masten waren bereits aufgeriggt und auch das laufende und stehende Gut eingeschoren. Nur noch Kleinigkeiten waren jetzt zu erledigen, Zimmermannsarbeiten, die dem schmucken Neubau den letzten Schliff gaben. Ribault wandte sich wieder um und sah Ramsgate zweifelnd an.

      „Hier an Bord sehe ich keine Probleme, Hesekiel. Auch auf der ‚Tortuga‘ nicht. Aber wie wollt ihr es in der kurzen Zeit schaffen, die komplette Werftausstattung zu verladen?“

      „Hesekiels Leute sind nicht allein“, sagte der Seewolf, „wir haben vier Crews, die mit anpacken können, wenn die Zeit wirklich knapp wird.“ Er deutete mit einer Kopfbewegung zu den vor Anker liegenden Galeonen.

      Ramsgate schüttelte den Kopf.

      „Das wird nicht nötig sein. Meine Männer wissen, was sie brauchen, und sie werden es so ordnen, daß es kein großes Durcheinander gibt, wenn wir in der Karibik unsere neue Werft aufbauen. Nichts gegen eure Crews, aber sie würden unsere Sachen nur durcheinanderbringen.“

      Hasard wechselte einen Blick mit Jean und lächelte. Der alte Ramsgate war nicht umsonst für seine Perfektion bekannt. Seine außergewöhnlichen Leistungen im Schiffbau beruhten nicht zuletzt auch auf der ungeheuren Präzision, die er bei seiner Arbeit walten ließ. Wenn auf der Ramsgate-Werft ein Arbeitstag zu Ende ging, lag alles auf seinem Platz – von der größten Axt bis zum kleinsten Nagel.

      Hasard sah den erfahrenen Mann forschend an. Freundschaftlich verbunden waren sie seit vielen Jahren, und so war ihm sicher nicht schwergefallen, den Entschluß zum Aufbruch zu fassen. Dennoch glaubte Hasard aber, einen Hauch von Wehmut in den Augen des alten Mannes zu erkennen.

      Hasard legte ihm die Hand auf die Schulter.

      „Es wird nicht leicht für dich sein, alles zurückzulassen. Jetzt, da es ernst wird, wird dir das erst richtig bewußt.“

      „Von was redest du?“ entgegnete der Schiffbaumeister lachend. „Ich lasse nichts zurück. Ich nehme alles mit. Sogar die meisten meiner Männer. Jedenfalls die, die unverheiratet und ungebunden sind.“

      „Du weißt genau, daß ich das nicht meine“, entgegnete der Seewolf. „Du läßt einen Teil deines Lebens zurück.“

      Hesekiel Ramsgate wurde ernst.

      „Darüber brauchst du dir nicht den Kopf zu zerbrechen. Mir wird nichts leid tun, gar nichts. In einem Land, in dem Halunken wie dieser Sir Andrew Clifford schalten und walten können, hält mich nichts mehr. Es steht schlimm um England, wenn die Krone nicht mehr die Macht hat, solchen Verbrechern auf die Finger zu klopfen.“

      „Daran wird sich nie etwas ändern“, sagte Jean Ribault, „aber es ist nicht nur in England so. In Frankreich und Spanien und in allen möglichen anderen Ländern ist es die gleiche Leier. Überall, wo sich Leute ihr Stück aus dem Kuchen der Macht schneiden wollen, gibt es Intrigen und Verbrechen. Ehrliche Leute sind dagegen hilflos, weil sie nur geradeaus denken, weil sie nicht mit den Waffen kämpfen, die da heißen: List, Heimtücke, Niedertracht und was weiß ich.“

      „Du hast deinen Beruf verfehlt“, sagte Hasard. „Mit solchen schönen Worten kannst du dich glatt als Prediger auf eine Kanzel stellen.“

      Der schlanke, dunkelhaarige Franzose grinste.

      „Wie wäre es“, sagte Ramsgate, „wenn ihr euch wieder den irdischen Dingen zuwendetet? Da wäre beispielsweise noch die Frage, wie die beiden Neubauten bemannt werden sollen.“

      „Richtig“, entgegnete der Seewolf und nickte, „ich habe meine Vorstellungen darüber, und auch Jean hat seine Überlegungen angestellt. Aber es wäre gut, wenn wir diesen Punkt alle gemeinsam besprächen.“

      Hesekiel Ramsgate war einverstanden. Mit den beiden Männern enterte er in die kleine Jolle ab, und sie pullten hinüber zur „Isabella“. Aus der Kombüse wehte der Duft von gebratenem Speck. Die Männer befanden sich im Logis und widmeten sich der vom Kutscher und Mac Pellew zubereiteten morgendlichen Mahlzeit. Hasard veranlaßte Luke Morgan, der als Deckswache eingeteilt war, zu den drei anderen Schiffen zu signalisieren.

      Oliver O’Brien befand sich bereits an Bord der „Isabella“. Gemeinsam mit Ben Brighton verließ der stämmige grauäugige Mann das Achterdeck, als Hasard ihnen zuwinkte. Kurze Zeit später enterte Arne von Manteuffel als erster über die Jakobsleiter auf. Hesekiel Ramsgate war aufs neue verblüfft, wie sehr dieser Mann seinem Vetter, dem Seewolf, ähnelte.

      Arne war breitschultrig und nur um eine Idee kleiner als Hasard. Besonders hervorstechende Merkmale waren sein blondes Haar, die eisblauen Augen und das scharfgeschnittene Gesicht. Die Ähnlichkeit war so frappierend, daß man ihn für Hasards Bruder halten konnte.

      Wenig später folgten der Wikinger und Siri-Tong, die Rote Korsarin. Hesekiel Ramsgate war fasziniert von der jungen Frau, die berückende Weiblichkeit und zugleich unbeugsame Härte ausstrahlte.

      Die Vorstellung, daß eine Frau eine wildverwegene Crew von Rauhbeinen anführte, mochte für manchen Seemann absurd sein. Doch schon bei seiner ersten Begegnung mit der Roten Korsarin war dem alten Ramsgate dank seiner Menschenkenntnis auf Anhieb klar gewesen: Wenn es eine Frau gab, die als Kapitän eines Seglers mit beiden Beinen fest auf den Decksplanken stand, dann war das Siri-Tong.

      Sie versammelten sich in der Kapitänskammer der „Isabella“.

      „In drei bis vier Tagen werden alle Arbeiten beendet sein“, sagte der Seewolf, „uns bleibt also nicht mehr viel Zeit, die letzten Einzelheiten zu regeln. Es geht jetzt um die Besatzung der beiden Neubauten. Jean wird selbstverständlich die ‚Le Vengeur‘ als Kapitän übernehmen. Soviel steht fest.“ Er wandte sich dem Schiffbaumeister zu. „Wie viele Männer werden sich uns von der Werft anschließen?“

      „Fünfzehn haben fest zugesagt“, erwiderte Ramsgate, „mit fünf weiteren verhandele ich noch. Ich will die Männer nicht überreden, aber es sieht so aus, als ob sie sich auch entschließen werden mitzugehen.“

      „Was Besseres können die Torfköppe nicht tun“, sagte der Wikinger dröhnend und hieb mit der flachen Hand auf den Tisch. „Hast du ihnen das nicht verklart, Mister Ramsgate?“

      „Natürlich habe ich das“, erwiderte der weißbärtige Mann und lächelte. „Aber ich gebe jedem genug Zeit zum Überlegen. Bei einer so wichtigen Entscheidung darf man nicht ungeduldig sein.“

      Thorfin Njal verschränkte die Arme vor der mächtigen Brust und prustete.

      „Ihr Engländer seid doch ein merkwürdiges Volk. Jedes Ding dreht ihr dreimal um, bevor ihr es richtig anfaßt.“

      „Du vergißt eine wichtige Tatsache“, sagte Oliver O’Brien.

      Der Wikinger ruckte herum.

      „Tatsache? Was soll das denn heißen? Ich rede doch nur von Tatsachen, Mann.“

      „Ebendrum“, fuhr O’Brien beharrlich fort. „Wir Iren und die Engländer können uns zwar meistens nicht riechen, aber wir haben doch eins gemeinsam: Über England sind deine Wikinger-Vorfahren genauso hergefallen wie über Irland. Und du kannst sicher sein, Mister Thorfin Njal, daß es eine verdammte Menge Engländer und Iren gibt, in denen Nordmannsblut fließt.“

      „Teufel auch“, brummte Thorfin Njal, „dann haben sie sich aber nicht besonders angestrengt, die alten Ahnen.“ Er hob die rechte Hand zum Helm, ließ sie aber schon auf halbem Weg wieder sinken. Ein schuldbewußter Ausdruck trat in sein Gesicht,

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