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wohl schwer aufzutreiben sein, wie?“

      „Im Prinzip schon“, antwortete Oliver O’Brien. „Aber wir wissen ja nicht, was die spanischen Konvois mitbringen, die Havanna anlaufen. Der Hafen ist doch einer der wichtigsten Umschlagplätze für die Dons.“

      „Klarer Fall“, sagte Arne und grinste. „Die richtige Art, das Geschäft zu betreiben, dürfte wohl sein, entsprechende Ladungen und Angebote abzuwarten, auf Teufel komm ’raus die Preise herunterzuhandeln und immer das Günstigste zu nehmen, was der Markt bietet. Ich habe vor, die Lagerkapazitäten voll auszunutzen. Läßt das Angebot einer Ware nach und steigt die Nachfrage, kann ich natürlich auch wieder mit Gewinn verkaufen. Das Handelshaus von Manteuffel soll schließlich ein florierender Betrieb sein und keine Zuschüsse nötig haben.“

      O’Brien mußte jetzt doch lachen, obwohl ihm eigentlich gar nicht danach zumute war. „Dir gelingt es, Arne. Du bist doch der geborene Händler, wie mir scheint.“

      „Aber keine Krämerseele“, sagte Arne. „Darauf lege ich Wert.“

      „Jussuf allein genügt dir als Helfer aber nicht“, gab Eggens zu bedenken. „Du brauchst mindestens noch einen Mann. Wie willst du sonst die Bücher führen und die Übersicht behalten?“

      „Das findet sich noch“, erwiderte Arne. „Das Wichtigste ist erst mal der Anfang. Geht jetzt und erklärt den Männern, was sie zu tun haben. Alle, die nicht zur Hafenwache gehören, sollen sich zum Landgang bereithalten. Sagt mal, wo steckt Jussuf eigentlich? Den habe ich schon seit gestern abend nicht mehr gesehen.“

      „Er ist in seiner Kammer“, sagte O’Brien. „Vielleicht unterhält er sich mit seinen Tauben.“

      „Ich sage ihm selbst Bescheid.“ Arne verließ mit den beiden die Kapitänskammer und ging zu Jussuf, der tatsächlich in ein ernstes Zwiegespräch mit seinen Lieblingen verwickelt zu sein schien. Er hockte auf der Koje und blickte die Kiste, in der es wie üblich gurrte, kollerte, girrte und flatterte, seltsam starr an. Seine Lippen formten Worte, die Arne nicht verstand.

      „Jussuf“, sagte er. „Ich muß dich leider unterbrechen. He, wo bist du eigentlich mit deinen Gedanken?“

      Jussuf wandte ihm sein breites, freundliches Gesicht zu. Sein sichelförmiger Schnauzbart war sorgsam gezwirbelt, seine schwarzen Augen wirkten wie poliertes Ebenholz.

      „Kapitän“, erwiderte er ernst. „In meinen Gebeten unternehme ich lange und ausgedehnte Reisen nach Mekka, der Heiligen Stadt. Siehst du nicht, daß ich nach Osten blicke? Ein türkischer Halbmond strahlt in der Nacht, und die Eingebung des Propheten erhellt meinen Geist.“

      „Es ist schon seit einiger Zeit Tag“, sagte Arne trocken. „Aber natürlich will ich deine Meditation nicht stören.“ Er traf Anstalten, sich wieder zurückzuziehen, aber natürlich sprang Jussuf jetzt auf. Er konnte seine Neugierde ohnehin kaum noch zügeln. „Kapitän“, sagte er. „Gerechter Herr deines ergebenen Dieners Jussuf, verzeih mir. Dein Erscheinen kann nur Gutes verheißen. Geht es los? Ziehen wir jetzt in dein neues Haus ein?“

      „Ja, aber ich muß dir noch etwas berichten, in das ich auch die anderen Männer inzwischen eingeweiht habe“, entgegnete Arne. „Hör mir gut zu.“ Er setzte ihm auseinander, was es mit der Anwesenheit des Don Juan de Alcazar in Havanna auf sich hatte und was O’Brien, Eggens und er besprochen hatten.

      Jussufs Augen weiteten sich.

      „Schlimm“, sagte er, als Arne geendet hatte. „Aber nicht unlösbar. Wäre dies nicht doch die Gelegenheit, eines meiner Täubchen auf die Bewährungsprobe zu schicken?“

      „Damit warten wir noch“, erwiderte Arne. „Aber schaff deine gefiederten Kameraden schon mal an Land. Du suchst den besten Platz aus, den du auf dem Hof findest, und richtest es ihnen dort so gemütlich wie möglich ein.“

      Jussuf strahlte. „Ich weiß schon jetzt, daß es ihnen dort gut gefallen wird. Oh, und auch ich bin in diesen Ort Havanna verliebt! Das Klima ist warm und freundlich, fast so wie in meiner Heimat.“

      „Ein feiner Platz“, sagte Arne. „Man muß nur aufpassen, daß man nicht irgendwo strauchelt und auf die Nase fällt.“

      Jussuf wurde wieder ernst. „Wir müssen sehr vorsichtig sein, ich weiß. Was mich betrifft: Ich werde alles tun, was in meinen Kräften steht, um nicht aufzufallen.“

      Ja, Arne wußte, daß er sich auf ihn verlassen konnte. Jussuf war ein liebenswürdiges Schlitzohr, intelligent und vor allen Dingen verschwiegen, was Arnes „Geschäfte“ auf Kuba betraf. Er war genau der richtige Mann für die Niederlassung in Havanna: Faktotum, Hausmeister, Diener und Späher zugleich.

      Aber Renke Eggens hatte recht: Ein Gehilfe genügte nicht. Arne hatte bereits einen Mann aus seiner Crew im Auge, der für die Aufgaben in der Faktorei bestens geeignet war und lesen und schreiben konnte. Er hieß Jörgen Bruhn.

       2.

      Arne hatte schon bei der ersten Besichtigung des Hauses festgestellt, daß es solide gebaut war. Es gab keine Probleme mit feuchten oder brüchigen Mauern, mit morschen Deckenbalken oder wurmstichigen Bohlen. Alles erweckte einen recht gepflegten, ordentlichen Eindruck. Die Lage direkt am Hafen war ideal – eine der Grundvoraussetzungen für das reibungslose Funktionieren einer kleinen Faktorei.

      Im oberen Stock, von der Halle aus erreichbar, befanden sich die Schlafzimmer und Wohnräume, die nicht nur Arne und seinen Gehilfen, sondern auch Gästen Platz bieten würden. Das Erdgeschoß bot sich als Kontor an, und im Keller konnte das Lager eingerichtet werden. Der ummauerte Hinterhof war geräumig, dort befanden sich ein paar Schuppen und Remisen.

      Einige Möbelstücke waren vorhanden. Arne mußte damit zu Beginn auskommen, den Rest würde er sich nach und nach beschaffen. Als er die Wohnhalle betrat, ließ er sich probeweise in den Sessel sinken, in dem der dicke Antonio am Vortag mehr gelegen als gesessen hatte.

      Arnes Blick wanderte die Treppe hinauf und wieder herunter, und wie zur Selbstbestätigung sagte er: „Ja, das Haus ist wirklich wie geschaffen für unsere Zwecke.“

      Jussuf setzte die Kiste mit den Tauben auf dem Steinfußboden der Halle ab und breitete die Arme aus. „Hier würde ich notfalls auch auf dem Boden schlafen, Kapitän.“

      „Übertreib nicht“, sagte Arne. Er grinste und erhob sich wieder. „Ein gemütliches Bett oder eine Koje ist besser. Komm, wir gehen nach oben und legen die Platzverteilung in den Zimmern fest.“

      Jussuf folgte ihm in das obere Stockwerk. Unten trafen inzwischen die anderen ein, Hein Ropers und zwölf Mann der Crew, die nach Arnes vorher erteilten Anweisungen Gepäck aus der Kapitänskammer der „Wappen von Kolberg“, Fracht und Proviant herübermannten.

      Arne hatte sich das Zimmer ausgesucht, dessen zwei Fenster direkt auf den Hafen blickten. Die Einrichtung bestand aus einem Bett, einem Stuhl und einem Waschtisch.

      „Großartig“, sagte er. „Zwar nicht halb so prunkvoll wie Don Antonios Residenz, aber dafür um so gemütlicher. Jussuf, wäre es dir recht, die Nachbarkammer zu beziehen?“

      „Aber – die ist doch genauso groß wie deine, Kapitän.“

      „Na und? Hat das irgendeine Bedeutung?“

      „Es ziemt sich nicht für einen Untertanen, dieselben Rechte wie sein Gebieter zu genießen“, erklärte Jussuf. „So schreibt es der Koran vor.“

      Arne drehte sich zu ihm um und stemmte die Fäuste in die Seiten. „Hör mal zu. Bei allem Respekt vor deiner Religion: Mein Gesetzbuch ist nicht der Koran, höchstens die Bibel, wenn du so willst. Da steht nichts über die Zimmerverteilung in einem deutschen Handelshaus auf spanischem Kolonialboden drin. Und noch was – du bist ein selbständiger Taubenzüchter und kein Lakai.“

      Jussuf lächelte breit. „Brieftaubenzüchter aus Beirut. Aber es bereitet mir ungeheuren Spaß, dir zu dienen, Kapitän. Außerdem hast du mir das Leben gerettet, hast du das

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