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auf. Ich habe dir schon hundertmal erklärt, wie ich es mit der Borddisziplin halte.“

      „Ja. Ein Kapitän geht mit gutem Beispiel voran.“

      „Genau das.“

      „Auch unter Deck, in seiner Kammer?“

      „Was in der Kapitänskammer geschieht, steht auf einem anderen Blatt.“

      Sie lächelte ihn dreist und mit einem Anflug von Verachtung an.

      „Du bist schon ein seltsamer Kapitän, Henry“, raunte sie. „Unberechenbar, weißt du? Schlimmer als Mechmed, dieser Bastard von einem Berber, den ich wie einen räudigen Schakal hasse.“

      „Haßt du auch mich?“

      Der Druck ihrer Finger um seinen Unterarm verstärkte sich. Ihre Mundwinkel sanken nach unten. „Bei Allah, wie kannst du so etwas auch nur annehmen! Manchmal empfinde ich Furcht vor dir, weil du so grausam sein kannst, in allen Dingen. Aber Haß – Haß ist das Gegenteil von Liebe, und noch liebe ich dich.“

      „Dann ist es ja gut“, sagte er.

      Aber ich werde dir mein Messer in den Leib stoßen, wenn der richtige Augenblick gekommen ist, dachte sie, denn ich will deine Reichtümer und vielleicht auch dein Schiff, nicht dich, Hund von einem Giaur!

      Es war falsch, dich meine Geliebte werden zu lassen, Dalida, sagte sich Lord Henry im stillen, ich wußte es von dem Tag an, als ich dich bei Mallorca aus der See fischte. Aber ich weiß diesen Fehler auszubügeln. Ich werde dich als Sklavin verkaufen, sobald sich die Gelegenheit dazu bietet, und ich werde ziemlich viel Geld für dich kassieren, denn du bist eine sehr hübsche Weibsperson.

      Lord Henry und Dalida – sie waren ein unvergleichliches, außergewöhnliches Paar, auch ihrem Äußeren nach. Henry war über sechs Fuß groß und blond. Seine blauen Augen drückten die wilde Entschlossenheit nordeuropäischer Seefahrer aus. Er war ein tollkühner Draufgänger und gnadenloser Kämpfer, ein Teufel von Kerl, dem das Wort Angst, aber auch die Begriffe Rücksicht und Skrupel völlig fremd waren.

      Dalida war relativ klein an Gestalt und von üppiger, vollbusiger Statur. Ihre langen schwarzen Haare fielen ihr bis auf die Schultern, und in ihren großen dunklen Augen lagen die Verlockung und die Rätselhaftigkeit des Orients. Sie sah die Welt völlig anders als Lord Henry und hatte andere Ziele als er, aber in zwei Dingen glichen sie sich: in ihrer grenzenlosen Habgier und in ihrer Furchtlosigkeit.

      Dalida war Abu Al-Hassans Lieblingsfrau gewesen, doch sie hatte mit keiner Wimper gezuckt, als sie ihn tot im Hof des Harems hatte liegen sehen. Nur zu gern hatte sie an Mechmeds Seite Marokko verlassen und sich in jene Abenteuer gestürzt, die für sie Erfolg, aber auch den Tod bedeuten konnten. Sie wollte reich werden und für immer frei sein. Um dies zu verwirklichen, war sie bereit, jeden erforderlichen Weg zu gehen und jedes Opfer zu bringen.

      In heuchlerischer Zuneigung blickte sie zu Henry auf und sagte: „Hast du noch Zweifel daran, den Seewolf zu stellen? Zerbrich dir nicht den Kopf darüber. Allahs Stimme sagt mir, daß wir seinen Vorsprung einholen und ihn fangen, noch heute nacht.“

      „Allahs Stimme? Herrgott, laß mich doch damit in Frieden!“

      „Dies ist unsere Glücksnacht, Henry.“

      „Du bist selbst versessen darauf, die Kerle zu erwischen, oder?“ fragte er spöttisch. „Das kann ich mir denken. Sie haben dir den Lederbeutel mit deinen Habseligkeiten abgenommen, und außerdem hast du immer noch eine Rechnung mit diesem narbigen Hurensohn zu begleichen, mit diesem Carberry.“

      „So ist es. Du gibst nichts auf meine inneren Stimmen, aber ich sage dir: Wir treiben sie gegen die Küste von Zypern, und diesmal ist es ihr Untergang.“

      „Wir töten sie und holen uns den Schatz der Medici wieder?“

      „Ja. Und wir reißen auch die übrigen Reichtümer an uns, die sie an Bord ihres Schiffes haben.“

      „Das hört sich gut an“, sagte Lord Henry grinsend. „Wenn sich das wirklich bewahrheitet, Dalida, wenn wir diesmal also siegen, lasse ich dir eine Koje aus Gold schmieden, mit diamant- und perlenbestickten Kissen und Decken.“

      „Auch das klingt gut“, sagte sie lachend.

      „Aber können wir siegen?“

      „Ja, denn wir haben Selim als Verbündeten.“

      „Glaubst du nicht, daß er versuchen wird, uns hereinzulegen?“ fragte der Engländer.

      „Ich nehme es nicht an“, erwiderte Dalida. „Als wir auf Rhodos an Land gingen, habe ich mich mit Jella, Selims Geliebter, unterhalten. Sie stammt ja aus dem Libanon, und so konnten wir arabisch miteinander reden.“

      „Und? Muß Selim nicht daran gelegen sein, auch uns zu töten, weil wir seine Ghanja versenkt haben?“

      „Jella behauptet, daß Selim so etwas wie ein Gefühl für Fairneß hat. Er sieht ein, daß es Dobrans Schuld war. Dobran ließ das Feuer auf uns eröffnen – was sollten wir anderes tun, als uns zu verteidigen? Dobran hatte noch Glück, daß die meisten Männer der Ghanja überlebten und sich an Bord der ‚Grinta‘ retten konnten.“

      „Allerdings. Hat Selim Dobran für seinen Fehler auspeitschen lassen?“

      „Ja.“

      „Das habe ich mir gedacht. Wie gut, daß Selim doch noch an Bord seiner ‚Grinta‘ zurückgelangte, und wie gut auch, daß wir im Norden der Insel auf Rufweite aneinander herankamen. Mechmed und du, ihr habt eure Aufgabe als Dolmetscher wirklich gut erfüllt.“

      „Danke“, sagte sie lächelnd. „Aber es war ja Mechmed, der Selims Horde als Türken erkannte.“

      „Doch du hattest die Idee, daß wir uns gemeinsam mit ihnen holen konnten, was es doch offenbar auf Rhodos zu holen gab.“

      „Ja. So schlugen wir Selim vor, Frieden zu schließen und uns zusammenzutun – und so erfuhren wir, wer Selim aus Pigadia verjagt und ihm Schimpf und Schande zugefügt hatte.“

      „Killigrew und seine Bande“, sagte Lord Henry. „Hölle, wir waren ihm so nah gewesen, ohne es zu ahnen! Wir hätten ihn in seiner Ankerbucht vernichtend schlagen können, wenn die Dinge ihren richtigen Verlauf genommen hätten.“

      „Wenn und hätte …“

      „Ja, ich weiß, das nützt uns nichts. Eins begreife ich übrigens nicht. Am Westufer von Rhodos stießen wir, als wir mit Selim nach Pigadia zurücksegelten, auf Jella und die Türkinnen, die uns vom Ufer aus zuwinkten. Wir holten sie und brachten sie zurück an Bord der ‚Grinta‘. Wieso hatte Killigrew sie laufenlassen? Er hätte sie doch als Sklavinnen an Bord nehmen und irgendwo für bare Münze verkaufen können.“

      Dalida lächelte immer noch. „Wer weiß, vielleicht hat er eine edlere Gesinnung als du. Das hat er dir gegenüber doch behauptet, nicht wahr?“

      „Ja. Aber das nehme ich ihm nicht ab. Er ist ein Pirat wie ich und versteckt sich nur hinter seinem ‚Sir‘ und dem Kaperbrief, den er von der Königin erhalten hat.“

      „Mag sein. Tatsache ist, daß er uns auch auf Rhodos wieder einmal gehörig hereingelegt hat. Als wir mit Selim nach Pigadia hinaufstiegen, war das Dorf verlassen. Die Bewohner waren ins Landesinnere geflohen, es hatte keinen Zweck, ihnen zu folgen. Aber was glaubst du wohl, wo der Goldschmuck abgeblieben war, den Selim in einem der Häuser zusammengetragen und angehäuft hatte?“

      Henry setzte eine verdrossene Miene auf. „Natürlich hat Killigrew ihn mitgehen lassen, was denn sonst?“

      „Ja, das glaube ich auch.“

      Sie täuschten sich beide. Der Seewolf hatte den Bauern und Fischern von Pigadia zu ihrem Schmuck zurückverholfen und ihnen den Rat gegeben, sich mit all ihren Habseligkeiten in die Olivenhaine zurückzuziehen. Doch der Gedanke daran, daß ein Mann wie der Seewolf eines solchen Handelns fähig war, lag Henry und Dalida fern.

      „Selims

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