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aufgegeit, Ferris Tucker ließ den Anker fallen. Zehn, zwanzig, dreißig Faden, schließlich vierzig. Sehr viel länger war die Ankertrosse auch nicht.

      „Anker hält!“ brüllte der Schiffszimmermann nach achtern.

      Die Fahrt nahm rapide ab, doch die Wucht, die Bewegungsenergie, die die „Isabella“ hatte, ließ sie in einem langen Bogen um das Ankertau schoien, bis sie schließlich zur Ruhe kam.

      Pete Ballie atmete erleichtert auf.

      „Das hätte ich nie geschafft“, gab er ehrlich zu. „Meine Nerven flattern jedesmal, wenn wir hier durchfahren.“

      „Du mußt deine Nerven aufgeien“, sagte der Seewolf lachend. „Oder backbrassen, dann flattern sie nicht mehr!“

      Vor ihnen lag auf Backbord der weiße Strand mit den Palmen, dem Dickicht und den dahinter ansteigenden Lavafelsen, unter denen sich der Schlangentempel verbarg, jener geheimnisvolle Tempel, über den sie immer noch nicht viel wußten, nur so viel, daß der Stamm der Araukaner-Indianer ihn vermutlich hier angelegt hatte.

      Als an Deck alles klariert war, segelte die Rote Korsarin durch die Passage.

      Die Seewölfe sahen die schlanke, schwarzhaarige Frau am Ruder stehen. Die blutroten Segel des Zweimasters waren ebenso prall vom Wind gefüllt. Das Schiff sauste haarscharf an den tückischen Klippen vorbei, tanzte wild über die sehr flache Barriere aus gewachsenem Fels, und glitt mit schäumender Bugwelle in die Bucht.

      Hasard staunte über das seemännische Können Siri-Tongs. Allerdings hatte der Zweimaster wesentlich geringeren Tiefgang als die Galeone und war schmaler und nicht so lang wie die „Isabella“. Dennoch brachte sie jedemal ein haarsträubendes Kunststück fertig.

      Auf dem Zweimaster fiel der Anker, das Schiff wurde langsamer und fuhr ebenfalls in einem Bogen auf die „Isabella“ zu.

      „Ha“, sagte Stenmark, der blonde Schwede, zu Blacky, der am Schanzkleid lehnte und dem Manöver zusah. „Das Weib regt mich verdammt auf. Immer hat sie ihre verdammte rote Bluse zwei Knöpfe geöffnet. Weit und breit keine Weiber, nur sie …“

      „Die hat doch nur Augen für Hasard, Mann. Oder hast du das noch nicht bemerkt? Ich schon, denn immer wenn sie sich unbeobachtet glaubt, schießt sie ihre feurigen Blikke auf den Seewolf ab. Aber du hast recht, die möchte ich …“

      „Dir möchte ich auch gleich was“, grollte hinter ihm die Stimme des Profos auf. „Nämlich dir die Haut in Streifen von deinem verdammten Affenarsch abziehen. Und nun glotz nicht immer so, du lausiger Bock.“

      Blacky drehte sich ärgerlich herum und musterte Carberrys zernarbtes Gesicht und sein gewaltiges Rammkinn, das jetzt angriffslustig vorgeschoben war.

      „Man wird doch wohl noch glotzen dürfen, was, wie!“ äffte er den Profos nach. „Du würdest deine Augen ja am liebsten auf langen Stielen tragen, wenn die Kleine vorbeigeht!“

      Ihr Geflachse wurde unterbrochen, als der Seewolf mit Ben Brighton in der Kuhl erschien, wo jetzt der größte Teil der Seewölfe versammelt war.

      „Hört zu“, sagte Hasard zu den Männern, deren Unterhaltungen und Anzüglichkeiten augenblicklich verstummten. „Wir laden nachher die Beute ab, und zwar werden wir sie in dem Schlangentempel lagern, da ist sie am sichersten. Wir müssen also der Roten Korsarin unser Geheimnis mitteilen. Soviel ich weiß, hat sie von dem Tempel keine Ahnung. Was meint ihr dazu?“

      Von der Besatzung hatten bis vor kurzem nicht viele gewußt, daß es den Schlangentempel gab. Der Profos hatte eisern geschwiegen und die Männer, die eingeweiht waren, ebenfalls. Erst nach und nach hatten sie es erfahren.

      Carberry zuckte mit den Schultern, Ferris Tucker wiegte seinen rothaarigen Schädel hin und her, bei Ben Brighton blieb unklar, was seine vage Handbewegung ausdrücken sollte.

      „Sie selbst ist bestimmt ehrlich“, sagte Dan O’Flynn. „Aber ihren verlausten Kerlen traue ich nicht über den Weg. Was meinst du, Shane?“ wandte er sich an den ehemaligen Waffenschmied von Arwenack.

      Big Old Shanes imposante Gestalt mit dem eisengrauen Bart und dem haarigen Wald auf der Brust lehnte am Schanzkleid.

      Wenn er sprach, tat er es bedächtig und überlegt.

      „Wir sollten sie in das Geheimnis einweihen“, sagte er. „Sie hat das Geheimnis der Barriere offenbart, wir offenbaren unseres. Vorerst sieht es so aus, als würden wir auf lange Sicht miteinander arbeiten, und ich finde, da sollte es keine großen Geheimnisse geben.“

      Das war Shanes Meinung. Die anderen überlegten nicht lange. Shane, der große Shane, hatte recht. Geheimniskrämerei würde nur zu bald zu offenem Mißtrauen führen, zu Streit und Hader.

      „Gut“, entschied der Seewolf, „dann beginnen wir mit dem Umladen. Laßt die Boote zu Wasser!“

      Während Smoky und Dan die Laderäume öffneten, ließen drei andere die Boote zu Wasser. Es würde eine lange und harte Arbeit werden, die ganze Beute an Land zu bringen und sie in dem Schlangentempel zu deponieren.

      Etwas später erschien Siri-Tong an Bord. Einer der wüsten Kerle begleitete sie. Es war der Boston-Mann, den sie alle schon kannten, ein Engländer aus Boston, ein großer, hagerer Bursche, der im linken Ohr einen schweren goldenen Ohrring trug. An seiner rechten Hand fehlte der Daumen. Der Boston-Mann war schweigsam, er sprach kaum ein Wort. Unter seinem roten Kopftuch sah ein hartgeschnittenes, sonnenverbranntes Gesicht hervor. Wenn man bei einem der wilden Kerle von Ehrlichkeit reden konnte, dann bei ihm.

      Die Rote Korsarin sprang leichtfüßig an Deck. Auf ihren Degen hatte sie diesmal verzichtet. Statt dessen trug sie ein Entermesser im Bund ihrer verwaschenen blauen Schifferhose. Ihre rote Bluse war am Hals zwei Knöpfe geöffnet und gab den Ansatz ihrer festen Brüste frei.

      Schlagartig änderte sich die Stimmung. In der Nähe der mandeläugigen schwarzen Schönheit schien die Luft zu knistern. Blacky kriegte schon wieder Stielaugen, Stenmarks Blick ruhte hingebungsvoll auf der roten Bluse und Sam Roscill hatte anscheinend Schluckbeschwerden, denn ständig räusperte er sich die Kehle frei.

      Siri-Tong war das Pulverfaß und die Seewölfe die glimmenden Lunten. Ihre gegenseitige Nähe konnte leicht zu einer Explosion führen, so jedenfalls hatte es einmal Old Shane ausgedrückt.

      Sie lächelte spöttisch, als sie die Blicke sah. Diese Seewölfe verhielten sich ja noch einigermaßen diszipliniert. Wenn sie dagegen an die Kerle aus ihrer Crew dachte …

      „Was zum Teufel, habt ihr verdammten Burschen denn plötzlich alle in der Kuhl zu suchen?“ schrie Ed Carberry. „Habe ich euch nicht gesagt, daß wir mit dem Ausladen beginnen, was, wie! An die Arbeit, ihr lüsternen Kakerlaken, oder ich werde euch die …“

      „Bitte nicht“, fiel Hasard ein, „wir haben eine Lady an Bord.“

      „… die – die Ei – Eierköpfe zusammenschlagen“, stotterte der Profos, der seinen Lieblingsspruch gerade noch bremsen konnte.

      Die Männer flitzten auseinander. Carberry scheuchte sie an die Arbeit, so schnell es ging.

      „Los, ’rauf mit dem Zeug!“ brüllte er lauter, als es nötig gewesen wäre. „In die Boote damit und ab zum Strand.“

      Siri-Tongs Augen suchten Hasards Blick, versuchten ihn festzuhalten, doch der Seewolf blieb kühl und distanziert, er gab sich höflich und reserviert.

      „Was gibt es?“ fragte er.

      Ihre Mundwinkel zuckten, der leicht verschleierte Blick wurde klar. Sie ging sofort auf Distanz.

      „Haben Sie sich schon überlegt, wo wir die Beute lagern werden?“ fragte sie.

      „Im Schlangentempel“, erwiderte Hasard.

      „Im – wo bitte?“

      „Im Schlangentempel“, wiederholte Hasard lächelnd. „Wissen Sie nicht, daß es hier einen Tempel gibt, der so gut versteckt ist, daß wir ihn nur durch Zufall gefunden haben?“

      Ihre

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