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den Kopf kostet – das zahle ich euch heim.“

      6.

      Der Seewolf sah Shane, seinen väterlichen Freund, an. So kalkig weiß im Gesicht war Shane noch nie gewesen, und auch aus der Art, wie er die Lippen zusammengepreßt hatte, ließ sich schließen, daß es alles andere als gut um ihn bestellt war. Dennoch pullte er weiter.

      „Shane“, sagte Hasard. „Du solltest dich jetzt nicht mehr anstrengen. Hör mit dem Pullen auf. Wir sind sowieso gleich da.“

      Big Old Shane grinste matt. „Sir – der Teufel soll mich holen, wenn ich mich von so einem kleinen Kratzer gleich umhauen lasse. Ho, ich bin doch kein Milchbart, der sich von dem ersten Ding, das er verpaßt kriegt, gleich aus den Stiefeln schmeißen läßt. Wo kämen wir denn da hin?“

      Alewa hatte geistesgegenwärtig gehandelt und Shanes linken Arm so gut wie irgend möglich abgebunden. Sie kauerte immer noch bei dem graubärtigen Riesen, hielt ihr Gesicht aber dem Seewolf zugewandt. Hasard konnte aus ihrer Miene lesen, daß sie sehr besorgt um das alte Rauhbein war.

      Dan O’Flynn sagte: „Der eine Bursche hier kommt gerade zu sich. Soll ich ihm noch eins überziehen, damit er sich wieder schlafen legt?“

      „Nein, nicht nötig. Er wird schon nicht über Bord springen. Und gefährlich werden kann er uns auch nicht“, erwiderte der Seewolf.

      Er blickte zu dem Piraten – es war Luc, der Bärtige – und verfolgte, wie dieser, zwischen Dans und Ferris’ Ducht liegend, die Augen aufschlug und verwirrt um sich schaute. Ehe er irgend etwas unternehmen konnte, sagte Hasard auf französisch: „Keine Dummheiten, Mann! Du bist unser Gefangener.“

      Luc musterte ihn aus schmalen, haßlodernden Augen. Er war zwar an den Händen und den Füßen gefesselt, aber um sich treten konnte er immer noch. Hasard richtete vorsichtshalber die Reiterpistole auf ihn. Die war zwar leer geschossen, aber das konnte Luc nicht wissen.

      „Hör mal, Sir“, sagte der Profos nach einem verächtlichen Blick auf den Gefangenen. „Wir haben doch diese beiden Geiseln hier. Wenn wir den Piraten auf der Insel damit drohen, daß wir die zwei ersäufen, können wir sie doch erpressen, oder?“

      „Und sie zwingen, Hawaii zu verlassen, meinst du?“

      „Genau das.“

      Hasard schüttelte den Kopf. „Darauf lassen sich die Kerle niemals ein. Und so, wie ich diesen Louis einschätze, wird er sogar das Leben von Luc und Richard bereitwillig aufs Spiel setzen, wenn er uns bloß eins auswischen kann. Was die Flaschenbombe eben angerichtet hat, wird der Kerl uns nie vergessen.“

      „Verdammt“, stieß Ferris Tucker hervor. „Und das, was sie Shane angetan haben, werden wir diesen Hurensöhnen auch nicht vergessen. Außerdem wären wir alle verreckt, wenn Jean und Luc, die Heckenschützen, mehr Glück mit ihrem Überfall auf uns gehabt hätten. Ja, und darum meine ich, daß es nur einen Weg gibt, diesen Piraten eine zünftige Lektion zu erteilen.“ Er wies mit dem Daumen über seine Schulter auf die „Isabella“.

      „Wir sollen also ihren Stützpunkt beschießen, Ferris?“ sagte der Seewolf. „Dazu müßten wir erst einmal wissen, wo der liegt.“

      „Was redet ihr?“ fragte Alewa. „Ich verstehe eure Sprache nicht.“

      Hasard setzte ihr wieder auseinander, um was es ging, und sie erklärte ziemlich aufgeregt: „Die weißen Männer – ja, Louis ist ihr Anführer, und sie haben ein Schiff. Ein Schiff mit Segeln wie das eure!“

      „Augenblick“, sagte der Seewolf. „Laß uns erst mal an Bord der ‚Isabella‘ gehen, dann erzählst du uns alles hübsch der Reihe nach, ja?“

      „Ja.“ Sie nickte eifrig.

      Wenig später war die Jolle längsseits der „Isabella“ geglitten, und Hasard ließ Alewa als erste an der Jakobsleiter aufentern, schickte dann Ed Carberry, Dan O’Flynn und Ferris Tucker nach oben und fragte Big Old Shane: „Schaffst du es – oder soll ich dich stützen?“

      „Du mich stützen?“ Shane grinste verkniffen. „Sag mal, du machst wohl Witze, was? Nein, besten Dank, Sir, das erledige ich schon allein.“

      Er brachte wirklich das Kunststück fertig, allein an der Jakobsleiter hochzuklettern, was ihn natürlich erhebliche Energien kostete. Sein Zustand konnte sich dadurch nicht verbessern, aber der Seewolf ließ ihn gewähren, denn er kannte Shanes Stolz in diesen Dingen.

      Mit vorgehaltener Pistole zwang Hasard Luc, den Bärtigen, ebenfalls auf die Kuhl zu entern. Batuti hatte dem Kerl die Handfesseln gelöst und die Stricke, die seine Fußknöchel zusammenhielten, gelockert. Luc konnte sich ausreichend bewegen. Mit vor Haß verzerrter Miene stieg er die Holzsprossen empor.

      Richard war immer noch bewußtlos. Batuti hatte ihm Fesseln angelegt und blieb jetzt noch im Boot, um die Taue zu belegen, an denen die Jolle hochgehievt werden sollte.

      Hasard kletterte hinter Luc her.

      Auf der Kuhl gab es eine herzliche Wiedersehensszene, denn die Männer hatten jetzt natürlich alle Alewa erkannt. Sie umringten sie und bestürmten sie mit ihren Fragen. Alewa lächelte und beugte sich hier und da vor, um Freundschaftsküsse auszuteilen.

      Siri-Tong stand etwas abseits und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Sie schien das Verhalten des Mädchens nicht zu billigen, aber was sie genau dachte, ging aus ihren Zügen nicht hervor.

      Der Kutscher bemühte sich bereits um Shanes linken Arm.

      Jeff Bowie und Bob Grey nahmen den gefangenen Freibeuter in Empfang. Sie musterten ihn ungefähr so freundlich, wie ein Scharfrichter einen todgeweihten Delinquenten ansehen mochte, und Luc wurde jetzt richtig mulmig zumute.

      „Der andere Gefangene liegt im Boot“, sagte Hasard. „Er scheint immer noch besinnungslos zu sein. Vielleicht stellt er sich aber auch nur so. Paßt auf, wenn ihr ihn aus der Jolle holt. Er ist zwar gefesselt, aber ich will nicht das geringste Risiko eingehen.“

      „Aye, aye, Sir!“ riefen die Männer.

      „Sperrt die beiden ins Kabelgatt“, ordnete Hasard an. „Später überlege ich mir, was wir mit ihnen tun.“

      „Wir sollten sie vernehmen“, schlug Blacky vor. „Sie werden zwar nichts ausspucken wollen, aber …“

      Der Seewolf hob die Hand und beschrieb eine verneinende Geste. „Ich weiß, was du sagen willst, Blacky, aber ich bin dagegen. Vergiß nie, daß wir uns auf die primitive Ebene solcher Burschen nicht herablassen. Was sie tun würden, tun wir noch lange nicht.“

      „Verzeihung“, sagte Blacky. „Natürlich weiß ich das. Was wir wissen müssen, wird uns wohl auch Alewa erzählen können, nehme ich an.“

      „Ja, bestimmt.“

      Ben Brighton hatte Stenmark, Luke Morgan, Sam Roskill und Gary Andrews die Anweisung gegeben, die Jolle hochzuhieven, und die Männer gingen in diesem Moment an die Arbeit. Ben trat mit Smoky, Old O’Flynn und der Roten Korsarin quer über die Kuhl auf den Seewolf zu.

      „Ihr habt euch hervorragend geschlagen“, sagte er. „Ich habe die ganze Zeit über darauf gewartet, daß das Zeichen für unseren Einsatz erfolgt, aber es gab ja offensichtlich nichts für uns zu tun.“

      Hasard lächelte. „Ben, wenn du scharf darauf bist, dich mit den französischen Freibeutern herumzuschlagen, dann kriegst du noch die Gelegenheit dazu, das versichere ich dir.“

      Ben wollte etwas dazu sagen, aber sie alle wurden jetzt durch Big Old Shane abgelenkt, der einen wütenden Schrei ausstieß und den Kutscher anfuhr: „Kutscher, bist du des Teufels? Hau mit deiner Tinktur und deinem Quacksalberzeug ab, sonst werde ich verflucht ungemütlich! Hol mir lieber die Rumbuddel. Das ist der richtige Balsam für mich, verstanden?“

      „Ich werde die Wunde auswaschen und die Tinktur draufpinseln“, sagte der Kutscher ruhig. „Ob es dir nun paßt oder nicht. Man sollte meinen, es hat

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