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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 57. John Curtis
Читать онлайн.Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 57
Год выпуска 0
isbn 9783954393749
Автор произведения John Curtis
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Bookwire
Die „Isabella“ lag beigedreht im Wind. Pete Ballie, der Rudergänger, hatte den Kolderstock festgelascht. Die Karavelle hob und senkte sich auf der leichten Dünung, die vom Atlantik her heranrollte.
Der Seewolf trat an die Schmuckbalustrade. Seine großen, kräftigen Hände legten sich um das von See und Sonne rauh gewordene Holz.
„Ich will nicht lange drumherumreden“, sagte er, und seine Stimme hatte dabei einen Klang, wie ihn die Crew noch nie gehört hatte. „Ich habe euch auf der Kuhl versammelt, weil ich etwas mit euch besprechen will, worüber wir die Entscheidung gemeinsam fällen werden. Jeder einzelne von euch ist in seiner Entscheidung völlig frei.“
Er schwieg einen Moment und sah seine Männer an. Er blickte in lauter erwartungsvolle Gesichter.
„Ihr alle wißt, wie es uns ergangen ist, als wir mit der „Isabella V.“ nach England zurückkehrten, um der Krone zu bringen, was wir ihr schuldeten. Ihr wißt es, und wir brauchen nicht lange darüber zu reden. Ihr wißt ebenfalls, was jetzt gerade hinter uns liegt. Es ist keinem von euch entgangen, daß mich die feigen Meuchelmorde, die der dreimal verfluchte De Coria an Buck Buchanan und später auch an meinem Vater begangen hat, zutiefst getroffen haben. Ich habe mich seit dieser Zeit gefragt, wer mir eigentlich das Recht gibt, euer Schicksal an meines auch weiterhin zu binden. Jeder von euch hat seinen Anteil, jeder von euch kann sich eine sichere Existenz an Land gründen, kann sich eine Frau nehmen, heiraten, Kinder haben, ohne jemals wieder in materielle Not zu geraten. Jeder von euch könnte auf diese Weise ein Leben führen, das sicherlich viele Freuden birgt, in dem er nicht jeden Augenblick damit zu rechnen hätte, durch eine Kugel, durch ein Entermesser oder durch eine herabstürzende Rah getötet zu werden oder in einem Sturm abzusaufen.“
Die Männer in der Kuhl bewegten unruhig die Köpfe. Einige von ihnen scharrten ungeduldig mit den Füßen, sie wußten nicht, auf was der Seewolf hinaus wollte. Aber Hasard, dem die Unruhe unter seiner Mannschaft nicht entging, spannte sie nicht länger auf die Folter.
„Ihr wißt inzwischen alle, was es mit meiner Vergangenheit auf sich hat. Ich bin kein Engländer, kein Spanier und auch kein Deutscher. Und trotzdem, wenn ich ganz ehrlich sein soll, fühle ich mich dem Land am meisten verbunden, in dem ich aufgewachsen bin, in dem ich meine Familie zurückgelassen habe. Ich denke und fühle wie ein Engländer, das weiß ich seit dieser letzten Reise, seit dem Tod meines Vaters besser als jemals zuvor. Aber ich weiß auch, daß ich mich nicht an Land zur Ruhe setzen kann. Ich brauche ein Schiff, ich brauche die See, die Stürme und Gefahren, die ein solches Leben birgt. Und deshalb habe ich beschlossen, mich nach unserer Rückkehr in England nach einem neuen, für meine Zwecke geeignetem Schiff umzusehen. Ich werde es kaufen – es soll so mein Eigentum sein, wie jemand anderer ein Haus und ein Stück Land besitzt. Ich will fortan über mein Schiff niemandem mehr Rechenschaft schuldig sein.“
Die Männer starrten den Seewolf an. Aber dann brandete ein wüstes Freudengeheul zu ihm hoch. Die Männer begannen auf der Kuhl herumzutanzen, allen voran Dan O’Flynn, der sich geradezu wie verrückt gebärdete.
Mit einer Handbewegung brachte Hasard die Männer zum Schweigen.
„Es ist klar, daß jeder von euch, der auch weiterhin mit mir fahren will, willkommen ist. Aber ich trage es keinem nach, wenn er sich anders entscheidet, wenn er sich eine eigene Zukunft aufbaut ...“
Wieder begannen die Männer zu brüllen, aber Hasard stoppte sie erneut.
„Hört mir jetzt erst zu, ehe ihr euch endgültig festlegt. Es gäbe die Möglichkeit, als Handelsfahrer über die Meere zu segeln, aber das liegt mir nicht. Und euch noch weniger ...“
Diesmal mußte Carberry mit seiner dröhnenden Stimme eingreifen, um die Crew wieder zur Ruhe zu bringen. Und er tat es auf eine Weise, daß die Decksplanken zitterten. Erschrocken fuhren ein paar Männer der Crew herum, denn so hatten sie ihn noch nie brüllen hören.
„Wer von euch verdammten Kakerlaken jetzt noch mal seinen Rand aufreißt, bevor der Seewolf fertig ist, dem gerbe ich das Fell so lange, bis er nicht mehr weiß, ob er noch einen Affenarsch hat oder nicht! Ist das klar?“
Die Männer verstummten, grinsten den Profos aber an. Sie wußten, wie der alte Carberry seine Sprüche meinte.
Nur Dan O’Flynn konnte sich noch nicht beruhigen.
„He, du karierter Decksaffe“, fuhr er Carberry an, und dem klappte vor Staunen fast das Rammkinn herunter, „von dir lasse ich mir das Maul noch lange nicht verbieten! Hasard hat völlig recht – ich habe auch nicht die Absicht, in Zukunft wie eine dreckige Ratte an Land herumzukriechen. Und wenn Hasard ein Schiff kauft, dann segele ich mit. Du kannst deinen gottverdammten Affenarsch meinetwegen stundenlang in die Sonne legen. So, damit das nun endlich einmal ...“
Carberry hatte seine Schrecksekunde überwunden und blitzschnell zugegriffen. Er zog Dan zu sich heran, und gegen Carberrys bärenstarke Pranken war Dan machtlos, so wild er auch um sich schlug und zappelte.
„Ich werde mich jetzt mal mit deinem Affenarsch beschäftigen, Freundchen!“ brüllte der Profos. „Du sollst jetzt mal erleben, was ein gestreifter Pavianhintern ist, du lausiger ...“
„Schluß jetzt!“
Hasards Stimme donnerte dazwischen, obwohl er sich kaum das Lachen verbeißen konnte. „Auseinander, ihr zwei, oder ihr kriegt es mit mir zu tun. Mal sehen, wer dann besser aussieht, ihr oder ich!“
Widerwillig ließ Carberry Dan los. Der warf ihm noch einen giftigen Blick zu, aber dann nahmen die nächsten Worte des Seewolfs seine Aufmerksamkeit schon wieder voll in Anspruch.
„Ich werde, sobald wir wieder in Plymouth vertäut haben, nach London reisen. Man hat uns allen Unrecht zugefügt, ich werde eine Audienz bei ihrer Majestät, Königin Elizabeth, erwirken. Und von ihr werde ich einen Kaperbrief erbitten. Ich bin sicher, daß sie meinem Wunsch zustimmt, denn sie wird von mir erfahren, welch übles Spiel ihre verfluchten Hofschranzen und Intriganten mit uns allen getrieben haben!“
Auf der Kuhl brach ein wahrer Tumult aus. Selbst der sonst so besonnene Ferris Tucker tanzte vor Vergnügen an Deck herum und schwang dabei seine riesige Axt.
Erst nach einigen Versuchen gelang es dem Seewolf, die Männer zu Ruhe zu bringen.
„Ich habe euch noch nicht alles gesagt. Hört mir noch einen Augenblick zu.“ Er sah seine Männer aus seinen eisblauen Augen an. „Wahrscheinlich könnte ich mit euch allen als Handelsfahrer reicher werden – jedenfalls auf Dauer gesehen. Aber es gibt einen Grund, warum ich wieder in die Karibik, zur Neuen Welt hinübersegeln will: Spanien bereitet gegen unser Land einen Krieg vor, daran kann kein Zweifel bestehen. Wir alle kennen die Dons – was uns an Üblem geschah, kam fast immer von dort. Denkt ah eure Zeit auf der Galeere, denkt an die Intrigen, die man gegen uns alle gesponnen hat, denkt daran, was dieser schurkische De Coria mit unserem Gefährten Buck Buchanan und mit meinem Vater angestellt hat. Und vergeßt nicht, wie diese spanischen Teufel in jener Neuen Welt wüten, wie sie die Indios aussaugen, berauben und abschlachten, wie sie sich aufspielen, so, als sei ihnen die ganze Erde untertan.“
Der Seewolf richtete sich hoch auf.
„Ich will und mag den Tag nicht erleben, an dem sie über unser Land herfallen und dort das gleiche Regime errichten, die gleiche blutige Tyrannei in unsere Städte und Dörfer tragen. Spanien ist in den letzten Jahren mächtiger und immer mächtiger geworden. Es hat Reichtümer über Reichtümer gesammelt, und seine Schiffe beginnen schon jetzt, die Meere zu beherrschen. Ich will sie bekämpfen, ich will ihnen ihre Schätze abjagen, ich will dazu beitragen, daß unser Land nicht unter die Herrschaft dieser blutrünstigen Folterknechte gerät. Und deshalb frage ich euch: Wer segelt mit mir? Wer setzt diesen Kampf mit mir als königlicher Kaperfahrer Ihrer Majestät fort?“
Ein geradezu unbeschreiblicher Tumult entstand an Bord der beigedrehten Karavelle. Die Männer rissen ihre Waffen hoch, schwenkten Entermesser, Belegnägel und Beile. Batuti, der riesige Gambianeger, schwang seinen Morgenstern, daß sogar Ferris Tucker vorsichtshalber ein paarmal seinen Kopf einzog.
Keiner der Männer