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schon einmal in einer ähnlichen Verfassung gesehen zu haben.

      Der stämmige, untersetzte Mann brüllte und tobte, hob beide Fäuste hoch und schüttelte sie in ohnmächtigem Zorn. Vor Zorn bebend und lauthals fluchend drohte er allen, die er sah, bis ihm nach einer Weile buchstäblich die Luft ausging und er sich fast heiser geschrien hatte.

      Fenner schlich geknickt davon, brüllte den Profos an und befahl ihm laut, er solle endlich die verdammten Segel ins Gei hängen, oder ob er wünsche, daß sich die lausige Galeone noch tiefer in den Sand wühlen solle.

      Die Männer arbeiteten schweigend und bedrückt und beeilten sich höllisch, denn jetzt würde der große Tanz erst richtig beginnen. Sie kannten Drake, der brauchte einen Schuldigen, auch wenn er sich selbst genügend Mitschuld gab. Niemand wollte jetzt mit dem Rudergänger tauschen, denn dem ging es mit Sicherheit zuerst an den Kragen.

      Brüllend verlangte Drake, man solle Flagge zeigen, um sich zu erkennen geben.

      Aber es dauerte noch eine ganze Weile, bis die englische Flagge hochgezogen wurde.

      Die „Isabella“ hatte inzwischen angeluvt, war durch den Wind gegangen und lief jetzt mit achterlicher Brise Westkurs, in Richtung der gestrandeten Galeone.

      Die Kanonen waren feuerbereit, die Stückpforten hochgezogen. Die Seewölfe lauerten darauf, sofort zu feuern, sobald die gestrandete Galeone das Feuer eröffnen würde.

      „Er wird es nicht wagen, zu feuern“, versicherte Carberry. „Denn dann weiß er genau, was ihm blüht. Wir können ihn in aller Ruhe auseinandernehmen, und so dämlich wird der Don nicht sein, denn jetzt ist er so hilflos wie ein Säugling.“

      „Zeigt dem Kerl unsere Flagge“, befahl Hasard, „damit er weiß, mit welch ehrenwerten Leuten er es zu tun hat. Der Schreck wird ihm in die Knochen fahren, und wir werden ihn zum Streichen seiner eigenen Flagge auffordern, falls er sie zeigt.“

      Die „Isabella“ segelte weiter. Die Entfernung schmolz ziemlich schnell zusammen, als Hasard plötzlich die Augen zusammenkniff und angestrengt zu dem vermeintlichen Spanier starrte.

      Dort ging jetzt ebenfalls die Flagge hoch. Sie wurde als gebundenes Päckchen hochgezogen, ein harter Ruck an der Flaggleine, und sie entfaltete sich und wehte aus.

      Hasard verschluckte sich fast. Er drehte sich verblüfft um und sah seine Männer an.

      „Was seht ihr?“ fragte er rauh.

      „Die – die englische Flagge“, stammelte Dan O’Flynn konsterniert. „Das ist sicher ein Trick“, setzte er hinzu.

      Stumm und verdattert sahen sich die Männer an, blickten dann wieder auf die englische Flagge der Galeone und schüttelten immer wieder die Köpfe, als könnten sie es nicht begreifen.

      „Wenn das stimmt“, murmelte der Seewolf, „dann haben wir unsere eigenen Landsleute unter Feuer genommen, wir Idioten!“

      Er ließ Segel wegnehmen und die „Isabella“ wieder in den Wind drehen, denn jetzt wollte er es genau wissen.

      Gleich groß war die Verblüffung auf dem Flaggschiff, als die heransegelnde Galeone die englische Flagge zeigte.

      Drake, dem fast die Galle platzte, kriegte einen neuen Schock. Schnaufend stieß er die Luft aus und umklammerte mit seinen Händen die Schmuckbalustrade, bis seine Fingerknöchel weiß hervortraten.

      „Dieser Bastard“, murmelte er fassungslos. „Dieser lausige Kerl! Wenn das ein Engländer ist, lasse ich mit dem Kapitän dieser Galeone das Deck aufwischen. Das ist die größte Schweinerei, die mir je passiert ist. Das ist einfach unbegreiflich.“

      „Sollen wir ihm eine Breitseite verpassen, Sir?“ fragte Fenner mit hochrotem Kopf. „Da steckt doch sicherlich ein Trick dahinter, die schießen uns jetzt zusammen.“

      „Nein, wir feuern nicht“, sagte Drake entschieden. „Er wird vermutlich damit rechnen und sich vorbereitet haben. Wenn sich jedoch da drüben auch nur ein einziger Schuß löst, jagen wir alles Eisen aus den Rohren.“

      Aber drüben löste sich kein Schuß. Die Segel wurden aufgegeit bis auf die Fock und dann ging die Galeone in den Wind.

      Zum ersten Male sah Drake den Namen des Schiffes.

      „Isabella VIII.“ stand dort, und dieser Name ließ den Admiral plötzlich sehr nachdenklich werden und etwas in ihm anklingen, das schon lange der Vergangenheit angehörte.

      3.

      Die Aufregungen rissen nicht ab. Sie häuften sich in geradezu grotesker Weise.

      Hasard, der durch überlegtes Taktieren die Vorteile immer auf seiner Seite hatte und den Gegner wie eine Marionette bewegte, erhielt jetzt fast einen Schlag ins Gesicht, als er den grimmigen untersetzten Mann mit dem rötlichbraunen Spitzbart erkannte.

      Die Erkenntnis, Francis Drake vor sich zu haben, warf ihn fast um.

      Er erkannte ihn auf Anhieb, dieses unverwechselbare Gesicht, die harten grauen Augen, die so kühl blikken konnten, und die stämmige Figur.

      Blitzartig rollten längst vergangene Ereignisse vor seinem geistigen Auge ab.

      Er starrte Drake in die Augen, der starrte genauso entgeistert zurück, und in diesem Augenblick rollten die Ereignisse noch einmal vor Hasard ab.

      Hasard war auf die „Marygold“, die Drake damals befehligte, gepreßt worden, zusammen mit dem damaligen Bürschchen Daniel O’Flynn, dem vorlauten rotzfrechen Bengel. Dort hatte er auch zum ersten Male den Profos Edwin Carberry kennengelernt, der sich seiner damals so „liebevoll“ angenommen hatte. Bei der dann folgenden Prügelei zog Carberry den kürzeren, und Hasard verschaffte sich den ersten Respekt.

      Die drei Jahre dauernde erste Weltumsegelung begann, bis Hasard das Kommando über die „Isabella“ erhielt. An der Westküste Südamerikas stießen die beiden unnachgiebigen Männer dann hart zusammen. Anlaß war der Profos Carberry, der auf Drakes Befehl und nach einem Bordgericht den Höfling Thomas Doughty wegen schwerer Verfehlungen hatte köpfen müssen.

      Der Bruder des Hingerichteten, John Doughty, sann auf Rache, bis seine Stunde endlich kam.

      In dieser Sturmnacht hatte Carberry Wache, und als die Gischt über die „Golden Hind“ stäubte, kriegte er einen Stoß ins Kreuz und flog über Bord. Carberry gelang es, sich am nachgeschleppten Beiboot festzuklammern, doch Doughty war das nicht entgangen, und so kappte er kurzerhand die Leine und ließ das Boot treiben. Erst nach unglaublichen Strapazen erreichte Carberry Land und geriet an die Spanier, die ihn fast zu Tode folterten, bis der Seewolf ihn in Trujillo befreite. Was der Profos dabei durchgestanden hatte, war mit Worten kaum noch zu beschreiben.

      Kurz darauf traf der Seewolf wieder mit Drake zusammen. Seine Forderung, den verbrecherischen Doughty vor ein Bordgericht zu stellen, lehnte Drake kategorisch ab.

      Daraufhin entstand das schwere Zerwürfnis zwischen den beiden Männern, aber Drake stellte sich vor Doughty und dachte nicht daran, ihn zu bestrafen.

      Hasard wandte sich verächtlich von ihm ab, und er glaubte noch heute, Drakes letzte Worte zu hören.

      „Hier trennen sich nun also unsere Wege, Killigrew!“

      „Grüßen Sie den Mörder“, hatte der Seewolf kalt erwidert, „eines Tages hole ich ihn mir vor die Klinge, und dann erhält er das, was Sie zu feige sind, hier zu vollbringen!“

      Drake steckte diese moralische Ohrfeige mit verbissenem Gesicht ein, aber er vergaß sie nie, denn er war nachtragend und trotzig, obwohl Hasard das moralische Recht auf seiner Seite hatte. Drake war nicht der Mann, der vergessen konnte, zumal Hasard sich vor den Profos stellte – in Drakes Augen eine Unmöglichkeit, denn der Profos zählte nach seiner Ansicht zum gemeinen Schiffsvolk und stand rangmäßig weit unter dem Höfling Doughty.

      Von da an hatten sich die Wege der beiden Männer getrennt und sie sahen sich nicht mehr wieder – bis zum heutigen Tag.

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