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ließ das Entermesser sinken und wollte mit einem Satz auf den Taumelnden zu.

      Ayasli kippte hintenüber und verschwand im schwarzen Nichts.

      Sein Schrei dauerte nur einen winzigen Moment. Dann wurde der Schrei von einem dumpfen Aufschlag ausgelöscht.

      Hasard schob das Entermesser in die Scheide und trat an den Rand des Docks. Er brauchte eine Weile, bis sich seine Augen an die Dunkelheit in zehn Fuß Tiefe gewöhnt hatten.

      Ayasli war mit dem Schädel gegen eine der Schrägverstrebungen jener mächtigen Böcke geprallt, auf denen der in Reparatur befindliche Einmaster ruhte.

      Doch er hatte schon einmal ein Täuschungsmanöver in die Tat umgesetzt.

      Hasard kehrte um und betrat das Dock von der flachen Einmündungsseite her. Augenblicke später kniete er neben dem reglosen Körper, der so schwarzgrau war wie das Pulver, mit dem er ständig hantiert hatte.

      Diesmal war es keine Täuschung.

      Hasard sah die blicklosen Augen.

      Der Höllenfürst hatte sich das Genick gebrochen.

      Als er sich abwandte, sah er seine Söhne. Sie waren mit dem Beiboot der Dubas zur Stelle, um ihn abzuholen.

      Schon am nächsten Tag wurden der Seewolf und seine Gefährten in einem Saal des Yildizpalasts empfangen. Ihnen zu Ehren gab es ein großes Festessen.

      „Es ist nur ein bescheidenes Zeichen meines Dankes“, sagte Münnever Yildiz, die den Platz neben Philip Hasard Killigrew eingenommen hatte. „Sicher werden uns unsere Wege nie wieder zusammenführen, aber ich werde Sie stets in guter Erinnerung behalten. Sie und Ihre Freunde haben ermöglicht, daß ich das Vermächtnis meines Mannes erfülle. Jetzt kann ich mit meiner Arbeit fortfahren. Dort, wo Kemal jetzt ist, wird er stolz auf mich sein.“

      Hasard konnte sich nicht entsinnen, jemals so viel Mühe gehabt zu haben, die aufwallende Verlegenheit zu unterdrücken. Den Arwenacks erging es nicht anders, und so wechselte Hasard rasch das Thema, indem er die vorzüglichen Speisen aus der Küche des Hauses Yildiz rühmte.

      Sie hatten Öbül, den Gehilfen des Höllenfürsten, den zuständigen Behörden von Istanbul übergeben. Da es einen Mehmet Küzürtüsi und seine Machenschaften nicht mehr gab, war auch die Macht seiner Gefolgsleute gebrochen. Es würde ihnen nicht mehr gelingen, Öbül aus dem Gefängnis zu befreien.

      Seiner Strafe konnte er nicht entgehen. Er hatte ebenso gemordet wie Süleyman Ayasli. Auf Öbül wartete nichts anderes als jene Todesstrafe, der sich der Höllenfürst durch einen Zufall entzogen hatte.

      Hasard hatte Münnever Yildiz den Schatz des Süleyman Ayasli ausgehändigt, und sie entsprach noch am Nachmittag desselben Tages der Bitte, die der Seewolf und die Arwenacks einmütig an sie gerichtet hatten.

      Die Münzen aus Gold und Silber wurden an die Armen verteilt.

      Münnever überwachte das stundenlange Verteilen persönlich, und auch die Männer von Bord der Dubas waren dabei. Für jeden der armen Leute gab es zwei Münzen, eine aus Gold und eine aus Silber.

      Es dunkelte bereits, als Ayaslis Schatz für einen guten Zweck vollständig aufgeteilt war …

      ENDE

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       1.

      Auch vor Mac Pellew tauchte so ein Ungetüm von Muskelgebirge auf, bestimmt die fünffache Portion vom Zweitkoch der Arwenacks, der ja eher als hager zu bezeichnen war.

      Macs Ungetüm gab ebenfalls ein „Uhh!“ von sich und rollte dazu mit den Augen. Dazwischen keifte der Liliputaner und schien sich zu erregen. Der Grund dafür war zu erraten: Die beiden Giaurs hatten Fatimas Bauchtanz zwar begierig zugeschaut, aber für ihre Schaulust zu bezahlen, daran dachten sie nicht.

      Mac krempelte hastig seine Hosentaschen um, aber davon wurden die auch nicht voller. Ein bißchen packte ihn die Panik, zumal ihn ein schneller Blick belehrte, daß das Ungetüm vor ihm langsam die Pranken zur Faust schloß.

      Ogottchen! schoß es ihm durch den Kopf. Was für Fässer!

      „Wir müssen hier weg!“ zischte er Old Donegal zu. „Die hauen uns zu Mus!“

      Und Mac dachte mit Schaudern daran, daß Old Donegal mit seinem Holzbein keineswegs einer der Schnellsten war – was sich kurz danach als Irrtum herausstellte.

      Jedenfalls war Old Donegal zu der gleichen Ansicht wie Mac gelangt, daß sie beide rein kräftemäßig kaum eine Chance hatten, einen Kampf gegen diese Muskelgebirge zu bestehen. Im übrigen schienen sich da noch mehr finstere Kerle zusammenzurotten, in der Absicht, sie durchzumangeln.

      „Rückzug!“ sagte Old Donegal mit knirschenden Zähnen und stieß seinem Gegenüber die Zwinge der rechten Krücke mit Wucht auf die Zehen.

      Der Kerl riß den Kopf in den Nacken und jaulte den Nachthimmel an.

      Sekunden später stimmte auch Macs Ungetüm in die Jaulerei ein. Mac hatte ihm einen Stiefeltritt ans Schienbein verpaßt, so richtig aus dem Hüftgelenk heraus und ziemlich explosiv.

      Zwei Davids gegen zwei Goliaths. Und die Goliaths hüpften.

      Mac und Old Donegal gaben Fersengeld, wobei es Old Donegal sogar noch gelang, einem dritten Kerl, der ihn anspringen wollte, mit der Krücke die Beine wegzuschlagen. Der Kerl fiel platt auf den Bauch und küßte das Kopfsteinpflaster, was ihn einen Zahn kostete. Nun wurde im Trio gejault.

      Als sich die anderen Kerle von ihrer Verblüffung erholt hatten, waren die beiden Arwenacks bereits in einer Gasse verschwunden. Doch drei oder vier setzten ihnen nach.

      Auch sie wurden von Old Donegal abgefangen. Er lauerte mit Mac in einer Türnische. Als die Kerle vorbeistürmten, hielt Old Donegal seine eine Krücke dazwischen. Es gab einen Massensturz, den die beiden Arwenacks hurtig in einen allgemeinen Langschlaf umwandelten. Noch bevor sich die Kerle aufrappeln konnten, verteilten Old Donegal und Mac Kopfnüsse von der harten Sorte. Old Donegal klopfte mit der Schmalseite der Achselstütze seiner Krücke und Mac mit den Knauf seines Messers.

      Das Klopfen wurde von Ächzen und Seufzen begleitet, dann war Stille. Mac und Old Donegal lauschten, grinsten sich an und verdrückten sich in eine weitere Gasse.

      Ihren Landgang konnten sie in den Schornstein schreiben: ohne Geld kein Amüsement. Gerade Mac war so richtig spitz darauf gewesen, sich unterm Kinn kraulen zu lassen. Und Old Donegal war auf der Suche nach einer Wahrsagerin gewesen, von der Nils Larsen berichtet hatte.

      Der war am gestrigen Abend in dieser Gegend – zusammen mit Sven Nyberg – auf die Alte gestoßen, und die hatte aus der Hand von Nils geweissagt, er werde fünf Töchter und fünf Söhne haben. Bei Sven war das Ergebnis magerer gewesen: er würde es nur zu drei Töchter bringen.

      Nils Larsen war über seinen künftigen Kinderreichtum entzückt gewesen. Bei Sven Nyberg war das Gegenteil der Fall. Er nannte die Wahrsagerin eine verdammte alte Schleiereule, die weiter nichts als Kohl rede und sich diesen Kohl auch noch teuer bezahlen ließe. Er und Nils hatten je fünf Taler berappen müssen.

      Für nichts und wieder nichts! hatte Sven gewettert, was von Nils nur mit einem Grinsen quittiert worden war. Sicher, drei Kinderchen waren eben weniger als zehn, nicht wahr?

      Darum also war Old Donegal mit Mac losgezogen – in froher Erwartung, vielleicht von der Alten zu erfahren, daß auch ihm noch weitere Vaterfreuden ins Haus standen. Immerhin war er der Großvater der beiden Killigrewjunioren und Vater von sieben Söhnen und einer Tochter. Und Mary Snugglemouse, seine zweite Frau, hatte ihm noch einen achten Sohn geschenkt – den kleinen Edwin Shane O’Flynn.

      Ha! Das sollte ihm mal einer nachmachen!

      Also: Mac würde an diesem Abend auf Liebesfreuden verzichten müssen und Old Donegal

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