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und Schlinggewächse ein fast undurchdringliches Dickicht bildeten. Nur die wenigen Bewaffneten standen noch im Heck des Bootes und versuchten, durch das Gewirr der Luftwurzeln aufs offene Meer zu spähen.

      Die muskulösen braunhäutigen Gestalten regten sich nicht. Schwarze Augen glänzten im ungewissen Licht, die Haltung der halbnackten Körper verriet Spannung und sprungbereite Wachsamkeit. Sie waren Kämpfer: stolze Mon-Krieger, Söhne eines alten Volkes, das sich erbittert gegen seine übermächtigen Feinde wehrte.

      Der schlanke, drahtige Anführer preßte die Lippen zusammen, als er hinter sich in die finstere Wildnis lauschte. Die Gefahr drohte aus dem Norden. Von dort tauchten die Fremden auf, schwärmten aus ihren Bergen in das Tiefland, eroberten die blühenden Städte der Mon und überfielen selbst noch die ärmlichen Dörfer des Deltas. Mit dem Irawadi erschienen sie. Mit dem großen Strom, der Nahrung und Leben bedeutete und manchmal auch Tod und Verderben brachte.

      „Glaubst du, daß sie uns verfolgen, Kyan Ki?“ fragte einer der Krieger.

      Der junge Anführer der Gruppe straffte die nackten Schultern. Unter dem roten Turban glich sein Gesicht fast noch dem eines Jünglings. Seine Kleidung unterschied sich von den einfachen Lendentüchern der Reisbauern, aber sie war schmutzig und zerrissen und zeigte nur noch wenig von der Pracht, die einem reinblütigen Mon-Prinzen zugestanden hätte. Kyans Faust schloß sich um den Griff des Krummschwertes. Seine Augen wurden schmal.

      „Die Fremden haben sie vertrieben“, murmelte er. „Ich glaube nicht, daß sie noch in der Lage sind, irgend jemanden zu verfolgen.“

      „Und was tun wir? Ziehen wir uns zu Yannays Stützpunkt zurück?“

      Der junge Mann antwortete nicht sofort.

      Sekundenlang zerfaserte sein Blick, und er schien zu lauschen. Er glaubte wieder, das Gebrüll der Piraten zu hören, die das Dorf überfielen, das Entsetzen der Fliehenden zu sehen, den Feuerschein, dann die Verfolger und das grausame Massaker. Tief in ihm weckte dies alles das Echo längst vergangener Schlachten und ließ die zukünftige Bedrohung zu lebendiger Wirklichkeit werden.

      „Habt ihr die Waffen der Fremden gesehen?“ fragte er leise.

      Stummes Nicken antwortete ihm.

      Sie hatten es gesehen. Aber was nutzte es ihnen, Waffen zu bewundern, die ihnen nicht gehörten? Müdigkeit und Resignation zeichneten die dunklen Gesichter. Nur Kyan Ki preßte die Zähne aufeinander und ballte in einer Geste wilder Auflehnung die Hände.

      „Mit diesen Waffen könnten wir die verdammten Birmanen-Hunde dorthin zurückjagen, wo sie hergekommen sind!“ stieß er hervor. „Mit diesen Waffen könnten wir das Volk der Mon befreien.“

      „Wenn wir sie hätten“, murmelte jemand.

      Kyan wandte sich mit einer heftigen Bewegung dem Sprecher zu. Das Gesicht des jungen Mon-Kriegers glich einer entschlossenen Maske.

      „Wenn wir sie hätten“, wiederholte er hart. „Wer sagt, daß wir sie nicht kriegen können, Mahrad? Wir müssen nur wollen.“

      2.

      „Verdammter Mist!“

      Der Kutscher, Koch und Feldscher auf der „Isabella“, fluchte im allgemeinen nur selten. Das lag daran, daß er – daher auch sein Name – früher einmal Kutscher bei dem Arzt Sir Freemont in Plymouth gewesen war und sich die Ausdrucksweise besserer Herrschaften angeeignet hatte. Heute erschien ihm eine Welt ohne Decksplanken wie ein ferner Traum.

      Daß er sich einst mit Händen und Füßen dagegen gewehrt hatte, von einer Preßgang zwangsweise auf Kapitän Francis Drakes „Marygold“ verfrachtet zu werden, mochte er nicht mehr recht glauben. Inzwischen waren ihm Seebeine gewachsen und dazu Muskeln genug, um seine gußeisernen Bratpfannen notfalls auf feindliche Köpfe zu schmettern. Nur die leicht gehobene Ausdrucksweise war ihm geblieben. Vor allem, wenn er in die Rolle des „Doc“ schlüpfte und Patienten zu verarzten hatte.

      Wenn er fluchte, wurde es ernst.

      So wie jetzt, als er sich über den hageren blonden Mann in der Hängematte beugte. Keiner der anderen hatte bemerkt, daß Gary Andrews im Logis zurückgeblieben war, weil niemand mit so etwas rechnete. Und der hagere Fockgast schlief ja auch nicht, jedenfalls keinen normalen Schlaf, sondern atmete schwer, bewegte unruhig den Kopf hin und her und glühte vor Fieber.

      Der Seewolf stemmte die Fäuste in die Hüften. In seinen eisblauen Augen lag jener harte Glanz, der signalisierte, daß er sich sorgte.

      „Was kann das sein, Kutscher?“ fragte er gepreßt.

      Der Feldscher zögerte und benagte heftig seine Unterlippe.

      „Keine Ahnung, Sir“, gab er schließlich zu. „Irgendein verdammtes tropisches Fieber ist es, soviel dürfte feststehen. Aber was genau, kann ich auch nicht sagen.“

      „Und was wirst du dagegen tun, du Kombüsenwanze?“ grollte der Profos.

      „Das Übliche. Ich hoffe …“

      „Kannst du Kakerlakenjäger dich nicht klarer ausdrücken?“

      „Halt mal die Luft an, Ed“, sagte Hasard sanft. „Der Kutscher ist der Doc an Bord. Also?“

      „Ich kann nur versuchen, das Fieber herunterzudrücken, Sir“, sagte der Kutscher mit einem giftigen Seitenblick auf den Profos. „Das müßte mit dem Rest von dem Pulver aus der getrockneten Baumrinde gehen.“

      „Meinst du dieses Zeug aus der neuen Welt?“ fragte Dan O’Flynn, der zusammen mit seinem alten Vater ebenfalls im Logis erschienen war.

      „Genau das. Damit habe ich mich nämlich damals eingedeckt. Frag mich nicht, wie schwierig es war, das Pulver immer schön trocken zu halten, damit es nicht verschimmelte.“ Der Kutscher atmete tief durch. „Vielleicht geht es ihm ja schnell wieder besser“, meinte er hoffnungsvoll. „Aber wenn es eine von den verdammten Dschungelkrankheiten ist …“

      Er sprach nicht weiter.

      Das brauchte er auch nicht. Was es mit den „verdammten Dschungelkrankheiten“ auf sich hatte, das wußten die Seewölfe, auch wenn sie bisher in dieser Hinsicht von eigenen Erfahrungen verschont geblieben waren. Und Gary Andrews, halb bewußtlos und im Fieber wirr vor sich hin murmelnd, sah gar nicht gut aus. Das erkannte nicht nur der Kutscher, sondern auch jeder andere.

      „Bringt ihn in die Mannschaftsmesse in eine der Kojen“, ordnete Hasard an. „Bill wird dem Kutscher helfen: Dann möchte ich, daß sich jeder meldet, dem es irgendwie nicht gut geht, damit wir wissen, woran wir sind. Märtyrer können wir nicht gebrauchen – damit das klar ist.“

      „Werde ich den Rübenschweinen schon beibiegen“, versprach der Profos grimmig. „Wer auch nur ein Ohr hängen läßt, wandert in die Koje. Und wenn ich ihm vorher eigenhändig die Gräten richten muß.“

      Hasard lächelte matt. Es war ein flüchtiges Lächeln, das sofort wieder verschwand.

      Er wußte, was so ein tropisches Fieber bedeuten konnte. Als er durch den Niedergang an Deck marschierte, um die beigedrehte Galeone wieder an den Wind bringen zu lassen, hatte sich sein Gesicht zur Maske verhärtet.

      Wie Schatten tauchten die drahtigen Mon-Krieger aus dem Dickicht.

      Lautlose braunhäutige Gestalten schwangen sich auf die dicken Mangrovenäste, turnten durch das Gewirr von Luftwurzeln und Schlinggewächsen und blieben dann wartend stehen. Leises Plätschern mischte sich in das stete unruhige Blubbern der Sumpfgase. Über den schwarz schillernden Wasserarm schob sich ein kleines Boot, das zwei Männer mit langen Stangen vorwärtsstakten.

      „Weiter“, murmelte Kyan Ki, während er eine der Lianen packte, um sich auf die nächste knorrige Wurzel hinüberzuziehen.

      Die kleine Gruppe folgte ihm.

      Minuten später hatten sie den Rand des Mangrovendickichts erreicht. Vor ihnen dehnte sich das Meer silbern im Mondlicht.

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