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mit dem Seemann, der während der Überfahrt mit einer „geilen Hure“ in der Koje erwischt worden war. Gleich beim Eintreffen in der Neuen Welt hatte Webster den Seemann gehenkt und die „Hurerin“ ausgepeitscht. Die Gemeinde hätte ihre Choräle dazu gesungen.

      Später hatte es ein weiteres Opfer gegeben. Webster hatte den Mann, der gewagt hatte, ihn bei der Beratung auf Eleuthera zu kritisieren, dem Riesenhai zum Fraß vorwerfen lassen – zum „Opfer“ an den Herrn! Das „Opfer“ war natürlich angenommen worden. Der Hai hatte sich auf den armen Teufel gestürzt und ihn vertilgt.

      Als nächster war John Moore an der Reihe gewesen. John Moore, der Tischler – ein Kollege von John Baker und obendrein ein Mann, den Baker als tapfer und redlich geschätzt hatte. Moore hatte offen gegen Webster aufbegehrt. In der Nacht darauf hatte er sich selbst erhängt. So stellte Webster es dar – der Verräter hatte sich selbst entleibt, um zu büßen.

      Gewaltige Zweifel an der Integrität des Großmeisters hatten inzwischen John Baker befallen. Wie denn? John Moore sollte sich selbst an einem Baum aufgeknüpft haben? Und wenn es anders gewesen war? Wenn Webster, der Moore hassen mußte, ihn heimlich erwürgt und an den Baum gehängt hatte? Was war dann?

      Noch wagte Baker nicht, daran zu glauben. Aber der Zweifel war da, und der Verdacht war wie eine schleichende graue Katze, die ihn nicht mehr in Ruhe ließ und geduckt um ihn herumstrich.

      John Baker war derart tief in seine widerstreitenden Gedanken verstrickt, daß er das Nahen seiner Frau erst bemerkte, als diese direkt vor ihm stand. Er hob den Kopf und sah sie etwas verwirrt an.

      „Was ist denn los?“ fragte er.

      Mary Baker war zuletzt oben in der Burg Zion gewesen, wo sich auch die meisten der Frauen aufhielten. Es gab Wäsche zu waschen, es mußte Essen zubereitet werden. Natürlich wurde als erster der Großmeister versorgt, darum hatte Webster die Kochstelle und die Wäscherei in der Festung einrichten lassen. Er wollte von vorn bis hinten bedient werden, wie es ihm seiner Ansicht nach zustand.

      „Hast du Jessica gesehen?“ fragte die Frau.

      Baker zog verwundert die Augenbrauen hoch. „Ich denke, sie ist bei dir.“

      „Das war sie auch“, erklärte Mary. „Aber vorhin hat sie den Wunsch geäußert, Kräuter suchen zu dürfen.“

      Baker seufzte. Er kannte dieses Steckenpferd seiner Nichte. Sie war geradezu vernarrt in ihre Kräuter. Sie hatte daheim im Garten die ausgefallensten Pflanzen gezüchtet und gehegt. Sie erntete sie, trocknete sie oder kochte sie ein.

      Sie benutzte sie als Gewürze oder als Heilmittel. Einmal hatte sich John Baker die Hand verstaucht. Jessica hatte das Gelenk mit einem Balsam aus Kräutern behandelt. Wie durch ein Wunder war die Schwellung schon bald wieder abgeklungen.

      Baker glaubte seiner Nichte und vertraute ihr, und er wußte auch um die heilsame Wirkung vieler wild wachsender Pflanzen und Kräuter. Dennoch fand er, daß das Mädchen mit seiner Leidenschaft ein wenig übertrieb.

      „Alle Frauen waren damit einverstanden“, fuhr Mary Baker fort. „Es mangelt ja auch an Küchenkräutern für die Suppe, also kam Jessicas Vorschlag recht gelegen. Sie ist mit ihrem Korb losgezogen.“

      „In diese Wildnis?“ fragte Baker.

      „Ja, in den Wald.“

      „Es ist ein Urwald“, erwiderte Baker tadelnd. „Du hättest sie nicht gehen lassen dürfen.“

      „Aber sie hat gesagt, sie würde sich nicht weit entfernen“, verteidigte sich Mary Baker. „Sie wollte gleich wieder zurück sein.“

      „Wie lange ist sie schon weg?“

      „Fast zwei Stunden.“

      „Wir sollten sie suchen“, sagte Baker. „Aber ich kann hier schlecht weg. Schick mir den Jungen.“

      „Ja“, sagte die Frau hastig, dann eilte sie wieder davon.

      Kürz darauf erschien Bakers Sohn Benjamin am Bauplatz der Holzstege, und sein Vater sah ihn ernst an.

      „Jessica scheint zu weit in den Wald gegangen zu sein, Benny“, sagte er. „Schau bitte nach, ob du sie findest. Paß aber gut auf dich auf.“

      Der Junge lächelte und legte die Hand an den Kolben der Muskete, die er sich umgehängt hatte.

      „Ich kann sehr gut auf mich aufpassen, Dad“, erwiderte er. Er hatte auch ein Pulverhorn und einen Kugelbeutel dabei. „Wenn mich ein wildes Tier anspringt, schieße ich.“

      „Ich hoffe, daß es nicht dazu kommt.“

      „Bestimmt nicht“, sagte Bakers Sohn. „Jessica wird sich nur ein wenig verlaufen haben. Ich finde sie und bringe sie zurück, ohne daß es jemand merkt.“

      Das war wichtig: Wenn alle erfuhren, daß Jessica Baker mit ihrem Korb unterwegs, war, um Kräuter zu sammeln, würden die meisten sie kritisieren, besonders die Männer. Ein Mädchen gehörte an den Herd und hatte nicht im Urwald herumzulaufen.

      Jeremiah Josias Webster durfte schon gar nicht erfahren, daß Jessica fort war – er würde ein Donnerwetter auf die Baker-Familie loslassen.

      John Baker ahnte nicht, daß auch Webster verschwunden war. Er hatte Jessica verfolgt. Doch nur einige wenige hatten gesehen, wie er die Burg Zion verlassen hatte: Orman Smead zum Beispiel, aber auch Harris, der ehemalige Gemeindeschreiber, und Zachary Wotton, ein aus der Armee ausgestoßener Captain.

      Doch es lag ihnen fern, Zweifel an ihrem Großmeister zu hegen oder etwa zu vermuten, er führe Unzüchtiges und Sündhaftes im Schilde. Sie waren ihm hündisch ergeben. Was immer Jeremiah Josias Webster tat, für sie war es wohlgetan.

      Völlig reglos, wie tot, lag Jessica Baker unter den Wipfeln der knorrigen Mangrovenbäume, der Sumpfzypressen und der Schirmpinien. Ihr Kleid war zerfetzt, ihr Gesicht und ihr Körper zerschunden. Nur hin und wieder drang ein schwaches, kaum wahrnehmbares Stöhnen über ihre Lippen.

      Sie hätte schreien können – an der Bucht hätte es niemand vernommen. Der Platz, an dem Jeremiah Josias Webster wie ein Tier über das Mädchen hergefallen war, befand sich außerhalb der Hör- und Rufweite der Burg Zion und der Burg Jerusalem.

      Als sie von Webster zu Boden geworfen worden war, hatte Jessica geschrien. Es hatte ihr nichts genutzt. Er hatte versucht, sich an ihr zu vergehen, und sie war von ihm geschlagen worden, als sie sich gewehrt hatte. Sie hatte gekratzt und gebissen, doch er war stärker als sie gewesen.

      Ein Äffchen turnte durch die Äste, ließ sich auf eine Liane fallen und rutschte daran zu Boden. Das Tier beäugte die Bewußtlose, legte den Kopf schief und gab ein paar schnatternde, keckernde Laute von sich. Dann verschwand es wieder. Eine Schlange kroch durch das Dickicht, kümmerte sich aber nicht um das Mädchen. Die Zeit verstrich, es wurde allmählich dunkler. Es war der späte Nachmittag des 25. Juni 1595.

      Jessica drehte sich langsam auf die linke Körperseite. Sie wimmerte und ließ sich wieder auf den Rücken sinken. Ihr Gesicht war verzerrt. Sie fand in die Gegenwart zurück, öffnete die Augen und starrte nach oben. Sofort hatte sie das üble Geschehen vor sich.

      Nie würde sie die gemeine Visage Websters vergessen. Diese Holzhackervisage! Mit dem fehlenden Schneidezahn wirkte es noch gräßlicher. Lispelnd hatte der widerliche Kerl ihr zu verstehen gegeben, der Herr habe ihn ausersehen, ein neues Geschlecht zu zeugen. Dann hatte er sich auf sie geworfen.

      Jessica stöhnte und schloß unwillkürlich wieder die Augen. Erst jetzt spürte sie die Schmerzen richtig. Ihr kam voll zum Bewußtsein, wie brutal er sie geschlagen hatte. Satan, dachte sie immer wieder, Teufel!

      Jessica begann zu zittern. Was geschehen war, nachdem sie ohnmächtig geworden war, konnte sie sich nur ausmalen. Doch es hatte keinen Sinn, sich Illusionen hinzugeben. Webster war ungestört gewesen und hatte sein Werk sicherlich vollendet. Das Mädchen schluchzte und schlug die Hände vors Gesicht.

      „Nein!“ wimmerte sie. „Diese Schande!“

      Wie

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