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einemmal war er wieder da, ihr alter Mut. Sie griff nach einem Knüppel und hieb damit wie von Sinnen auf das Ungeheuer ein. Dann rammte sie die Tür mit voller Wucht zu. Draußen erklang wieder dieses gräßliche Knurren, dann entfernten sich stapfende Schritte.

      „Alvira!“ Wraz Viran erschien und riß die Tür auf. „Was in aller Welt geht hier vor?“

      „Er war hier“, entgegnete die Frau, die sich inzwischen gefaßt hatte. Ihr Herz klopfte wie verrückt, aber sie war wieder Herr ihrer Reaktionen.

      „Er? Es? Wo ist es jetzt?“ stieß der Bauer hervor.

      „Weggelaufen“, erwiderte Alvira. „In die Richtung.“ Sie wies nach links. „Aber komm lieber herein, du kannst es nicht mehr einholen.“

      Wraz Viran war bereits verschwunden. Er rannte, so schnell er konnte. Er hetzte durch Wasser und Schlamm und ließ das Haus hinter sich. Und da, ganz plötzlich, sah er die Schreckensgestalt im Aufleuchten eines Blitzes deutlich vor sich!

      „Beim Barte des Propheten“, stöhnte Wraz.

      Grausig war das Monstrum anzusehen. Erst schien es auf allen vieren zu laufen, dann richtete es sich auf und jagte auf zwei Beinen dahin. Ob sich aber ein Schaf in den Krallen dieser Bestie befand, konnte Wraz so schnell nicht erkennen. Das weißliche Licht des Blitzes erlosch wieder.

      Wraz lief weiter. Er ging einen flachen Hang hinauf. Vor sich glaubte er ein Grunzen zu hören, dann einen blubbernden Seufzer. Du Biest, dachte er, hoffentlich gleitest du irgendwo aus und brichst dir was.

      Es donnerte – eine dröhnende Lawine schien ins Tal zu rollen. Prasselnd ergoß sich der Regen auf das Land. Und wieder zuckte ein Blitz in weiten Verästelungen hinunter. Wraz Viran erkannte die Unheilsgestalt erneut vor sich. Diesmal zögerte er nicht. Er blieb stehen, legte mit der Muskete an und drückte ab.

      Aber es gab nur ein Krachen. Das Pulver war naß geworden. Die Ladung zündete nicht. Wraz fluchte und warf die Waffe in den Schlamm. Er lief weiter und zückte sein Schwert.

      Es war ein kurzes, krummes Schwert. Er trug es immer bei sich. Man konnte nie wissen, was geschah, wenn man mit der Herde auf der Weide war. Räuber konnten auftauchen, Wegelagerer und Gurgelschneider. Ein Mann mußte stets bewaffnet sein, damit er sich verteidigen konnte.

      Einmal hatte Wraz Viran einen Kerl in die Flucht geschlagen, der ihm einen dicken Schafskäse hatte stehlen wollen. Seitdem schien es sich herumgesprochen zu haben, daß mit einem Mann wie Wraz nicht gut Feigen essen war.

      Einige Jahre war es sehr ruhig gewesen um das Gehöft der Virans herum. Und jetzt das! Der Scheitan hatte einen seiner Zerberusse ausgesandt, anders konnte es nicht sein.

      Unglück war über die Familie hereingebrochen. Doch Wraz wollte dem Unheil ein Ende bereiten. Jetzt, da er das Wesen endlich vor sich hatte, wollte er nicht so einfach aufgeben. Koste es, was es wolle.

      Er hatte lernen müssen, sich mit den Zähnen durchzubeißen. Deswegen ließ er sich das, was er in jahrelanger Arbeit so mühsam und voller Entbehrungen aufgebaut hatte, nicht so einfach wieder wegnehmen.

      Wieder ein Blitz. Wraz Viran sah zu seiner grimmigen Genugtuung, daß das Monstrum doch nicht so schnell lief, wie er anfangs angenommen hatte. Der Abstand zwischen ihnen schrumpfte merklich zusammen.

      Die Hatz führte in ein Gehölz. Wieder blitzte es, und schwerer Donner wälzte sich von den Bergen zu Tal. Wraz Viran erkannte jetzt, daß das Wesen nichts mit sich schleppte. Kein Schaf. Möglich aber war, daß der Unheimliche das Tier in seinem Blutrausch nur gerissen und dann liegengelassen hatte.

      Warte, dachte Wraz zornig, jetzt krieg’ ich dich!

      Das zottige Geschöpf stolperte über irgend etwas – vielleicht die Wurzel eines Baumes – und stürzte zu Boden. Wraz überbrückte den letzten Rest Abstand mit wenigen langen Sätzen, dann warf er sich fluchend auf seinen Gegner.

      „Stirb!“ brüllte er.

      „Potzdonner“, sagte Edwin Carberry. Angelegentlich rieb er sich die Nase. „Auf See wäre das ein mittelschwerer Sturm. Aber mir wäre lieber, ein handfestes Wetter abzureiten als in dieser Scheißgegend rumzukriechen.“

      „Wir kriechen ja nicht mehr“, entgegnete Big Old Shane. „Wir sitzen.“ Das Wasser perlte von seinem grauen Bartgestrüpp ab.

      Don Juan de Alcazar lachte leise. „Das nenne ich Logik.“

      „Und Humor habt ihr beide“, sagte der alte O’Flynn zu Shane und dem Profos. „Das muß man euch lassen. He, Dan, gib mir mal einen Belegnagel, damit ich mich unterm Arm kratzen kann. Sonst kann ich nicht lachen.“

      „Na bitte“, sagte Ben Brighton. „Es herrscht mal wieder die beste Stimmung. Die Moral der Crew ist auf dem Höhepunkt.“

      „Kein Wunder“, sagte Blacky brummig. „Wenn das so weitergeht mit unserem Flußauftörn, legen wir in einer Woche zehn Meilen zurück.“

      „Immer zwei Schritte vorwärts und einen zurück“, sagte Pete Ballie, der sonst ein sehr schweigsamer Mann war. „Na, das lobe ich mir.“

      „Das Schlimmste ist, daß die Strömung immer stärker wird“, murmelte Smoky. „Wir werden mehr zu Fuß unterwegs sein als auf dem Wasser. Hölle, was sind wir eigentlich? Landwölfe?“

      „So wollen wir uns nennen“, erwiderte Ferris Tucker. „Wir haben ja auch allen Grund dazu.“

      Mit grimmigen Mienen hockten die Mannen in einem Dickicht am Ufer des Tigris. Wegen des Gewitters hatten sie ihre Fahrt unterbrechen müssen. Sie hatten die Guffas und Keleks an Land gezogen und mit Sack und Pack Unterschlupf vor dem Regen gesucht. Philip Hasard Killigrew, der Seewolf, und Batuti, der Gambiamann, unternahmen gerade einen Rundgang, um nach besseren Schutz- und Lagermöglichkeiten zu suchen.

      Daß die Stimmung der Arwenacks mies war, wunderte nicht. Die jüngsten Ereignisse hatten nicht dazu beigetragen. Sie hatten ihr Schiff verloren, die Dreimastgaleone „Santa Barbara“. Eine Mannschaft ohne Planken unter den Füßen – das war das Übelste, was ihnen hatte zustoßen können.

      Sie hatten ernstlich die Rückkehr erwogen, am Golf ein neues Schiff besorgen und durch den Indischen Ozean zum Stützpunkt zurücksegeln wollen. Doch diejenigen unter ihnen, die die Nase „gestrichen“ voll hatten, waren in der Minderzahl gewesen.

      Hasard wollte es jetzt genau wissen. In einer Kneipe von Ninive hatten sie von Kaufleuten erfahren, daß sich irgendwo im Norden ein riesiges Meer befände. Dieses Meer trug den Namen „Kara Deniz“, wurde aber auch „Chernoye More“ genannt. Die Auskunft der Kaufleute schien sich mit dem zu decken, was aus den Karten ersichtlich war.

      So hatten die Mannen beschlossen, nach alter Landessitte auf dem Fluß zu bleiben. In Ninive hatten sie Guffas und Keleks übernommen. Sie hatten zur Weiterreise gerüstet. Auch ein paar Kamele waren dabei, die als Lasttiere dienten.

      Bei den Guffas handelte es sich um mesopotamische Gerüstrundboote. Bug und Heck waren nicht zu unterscheiden. Die Guffas wurden mit Fellen oder Häuten überspannt, der Boden mit Stroh ausgelegt. Oft wurden diese Fahrzeuge auch mit Naturbitumen abgedichtet.

      Die Guffas dienten als Lasten- und Personentransportmittel auf Flüssen und in der Nähe der Meeresküsten. Auch Flußräuber und Schnapphähne benutzten sie. Die Guffas hatten einen großen Vorteil: Sie waren bei Stromschnellen sehr sicher gegen ein Kentern.

      Keleks waren assyrische Tierbalgflöße. Sie bestanden aus einer Anzahl aufgeblasener und zusammengenähter Häute und einem verbindenden, gerüstartigen Flechtwerk. Sie wurden auch „Burdjuks“ genannt. Beide Bootstypen konnten zusammengelegt und auf dem Rücken von Kamelen, Pferden oder Maultieren weiterbefördert werden.

      Carberry war zwar immer noch wenig erbaut von diesen „Sautrögen“ und „Nachttöpfen“, wie er sie nannte. Aber es gab keine besseren Transportmittel.

      So ging der Törn weiter – in Richtung Norden. Der Tigris war zum reißenden Fluß geworden. Sie hatten Mühe, überhaupt vorwärtszugelangen. Aber sie

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