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Quietschende, pfeifende und kreischende Ratten suchten ihr Heil in der Flucht, fielen wie faule Äpfel von den Speckseiten oder wurden von der Hündin erbarmungslos aus den Mehlsäcken gezerrt. Das Gewimmel der Leiber war unbeschreiblich. Braune, weiße und schwarze Ratten stoben nach allen Seiten auseinander.

      Der Profos war so zorngeladen, wie Smoky ihn nur ganz selten erlebt hatte, aber auch dem Decksältesten ging es angesichts dieser grenzenlosen Schweinerei nicht anders.

      Carberry lief brüllend auf einen Kuhfuß zu, mit dem die Proviantkisten aufgehebelt wurden, schnappte sich das eiserne Ding und begann tobend und brüllend wie ein Berserker unter dem Rattenvolk zu wüten.

      „Schnapp dir den Schiffshauer!“ schrie Ed. „Und hau das verdammte Schott zu, damit sie nicht entwischen! Und dann nichts wie drauf auf die Mistviecher!“

      Er schlug mit dem Kuhfuß zu, wirbelte herum, schlug mitten in die Traube aus flüchtenden Leibern hinein und raste zur nächsten Kiste, um auch dort mit aller Wucht hineinzuschlagen. Ein Schlag, und eine Ratte wurde zermatscht, aber da konnte der Profos in seiner grenzenlosen Wut hundertmal zuschlagen, so viele waren das.

      Smoky drosch mit dem Schiffshauer drauf. Innerhalb kürzester Zeit hatte er zwei Dutzend Ratten erschlagen. Eine sprang ihn in ihrer Angst geifernd an. Smoky schlug angeekelt zu und hätte fast noch den Profos erwischt.

      Jetzt begann er auch zu brüllen und nach allen Seiten um sich zu schlagen. In der Proviantlast entstand ein unglaublicher Krach. Da war der Profos zu hören, bei dem fast der Verstand aussetzte, dann die knurrende, bellende und geifernde Wolfshündin, dann Smoky mit seinem irren Geschrei und schließlich die quietschenden oder halbtoten Ratten, die ihre Angst hinausschrien.

      „Drauf!“ schrie Ed. „Immer drauf! Und wenn ich das ganze Schiff in Fetzen schlage.“

      Wieder fielen die Ratten unter seinen Streichen. In der Proviantlast sah es bald darauf aus wie in einem Schlachthaus. Dort war die Hölle los, und es hörte sich tatsächlich so an, als würde da alles kurz und klein geschlagen.

      Vom Achterdeck aus sah Hasard befremdet nach vorn. Auch Jean Ribault vernahm das Gebrüll eines unwahrscheinlichen Amoklaufes. Das Schiff erzitterte unter Schlägen, die bis nach achtern dröhnten und überlaut zu hören waren. So konnte nur eine Horde total entfesselter Berserker gegeneinander kämpfen.

      Auf dem Achterdeck hatte jedoch niemand eine Erklärung für diesen entsetzlichen Lärm.

      „Mein Gott, was ist da nur passiert?“ fragte der Franzose entsetzt. „Hört sich ja an, als würden der Profos, Smoky, der Hund und deine Söhne übereinander herfallen.“

      Durch den nervenzerfetzenden Lärm waren jetzt auch die anderen aufmerksam geworden und blickten entgeistert zum Vorschiff. Aber da war nichts zu sehen. Das Toben, Brüllen, Kreischen und Knurren war nur noch lauter geworden.

      „Komm mit, Jean“, sagte Hasard tonlos. „Da stimmt etwas nicht. Ben, du übernimmst solange das Kommando.“

      „Der Profos und Smoky spielen verrückt“, sagte Ben verstört. „Die sind sich wohl in die Haare geraten.“

      Er konnte sich das zwar nicht vorstellen, doch eine andere Erklärung hatte er nicht.

      Hasard und Jean stürmten nach vorn. Auf der Kuhl standen der Kutscher, Mac Pellew und ein paar andere, die den beiden Männern ebenso verstört nachsahen wie Ben Brighton. Keiner wußte, warum aus dem Vorschiff plötzlich ein Tollhaus geworden war.

      Als die beiden Männer am Vorschiff waren, wurden das Lärmen und Wüten noch lauter, wilder und brüllender. Da schienen tausend Hämmer die Planken zu zerkleinern, da donnerte es an den Rumpf, da erklangen laute Wutschreie und dazwischen das scharfe Knurren der wildgewordenen Wolfshündin.

      „Bei diesem Profos wachsen mir noch mal graue Haare“, stöhnte Ribault, „der muß verrückt geworden sein.“

      Hasard gab keine Antwort darauf, weil er keine wußte. Er stieß das Schott auf, unter dessen unterster Ritze milchiger Schein zu sehen war, und blieb wie gelähmt stehen. Ribault erstarrte zur Unbeweglichkeit. Nur seine Augen waren weit aufgerissen.

      Das Bild, das sich ihnen bot, konnte nur ein fürchterlicher Alptraum sein, dazu noch der Alptraum eines Verrückten.

      Im flackernden Schein der Laterne sahen die beiden entsetzten Männer überall tote Ratten herumliegen. Die Planken waren mit Blut besudelt, und in diesem wüsten Haufen tobten schreiend und brüllend zwei Männer herum, die um sich hieben, als wollten sie alles in Stücke zerschlagen.

      Smoky köpfte gerade eine Ratte mit dem Schiffshauer, während der Profos auf eins der ekligen Dinger so kräftig einhieb, daß die Planken dröhnten und die Ratte flach wie Pergamentpapier wurde. Immer wieder aber fuhr knurrend und reißend die Hündin dazwischen, die jeder Ratte sofort nachjagte und sich in einen wahren Blutrausch gesteigert hatte.

      Den Seewolf schüttelte es, als er das Bild des Grauens sah. Der Franzose stand immer noch wie versteinert da und sah ungläubig auf das blutige Chaos.

      „Das ist keine Schweinerei mehr, das ist eine Sauerei!“ brüllte der Profos. „Und zwar die größte, die ich je erlebt habe!“

      Er warf voller rasender Wut den Kuhfuß einer Ratte nach, die den Decksbalken hinaufkroch und flüchten wollte. Die Ratte quietschte laut, der Kuhfuß polterte auf die Planken, und auch die Ratte folgte. Sie war noch nicht ganz tot, aber Plymmie schnappte sie, um sie wie einen nassen Lappen zu beuteln.

      Durch das Gebrüll waren immer mehr Arwenacks oder Männer aus Ribaults Crew angelockt worden. Sie alle fragten sich beklommen, warum der Profos und Smoky das Schiff zu Kleinholz schlugen. Mulligan verfiel sogar auf die Idee, im Vorschiff hätten sich noch ein paar Dons versteckt, die man erst jetzt bemerkt habe.

      Hasard erwachte wie aus einem bösen Alptraum. Er konnte immer noch nicht fassen, was er mit eigenen Augen sah. Woher kamen diese Unmassen von Ratten? fragte er sich immer wieder. Sie hatten doch vorher von den Viechern nichts bemerkt.

      Etlichen Ratten war es jetzt gelungen, in die unterste Bilge zu entwischen, wo sie vorerst unerreichbar waren. Immer mehr verschwanden durch zahlreiche Löcher, bis nur noch ein paar herumhuschten, die sich die Wolfshündin schnappte.

      Der Profos drehte sich um, den blutigen Kuhfuß in der Hand. In seinen Augen loderte blanke Mordlust, von seinem Gesicht troff der Schweiß, und er schnappte ein paarmal nach Luft.

      Smoky sah auch nicht besser aus. Seine Klamotten waren blutbesudelt, der Schiffshauer in seiner Faust blutrot, und auch aus seinem Gesicht troff Wasser. Um sie her lagen tote Ratten auf den Planken, hingemäht von den mörderischen Hieben wie ein Schwarm ekliger Fliegen. Manche zuckten noch oder hatten die Schnauzen aufgerissen. Die anderen waren jetzt alle geflüchtet.

      „Mein Gott“, sagte Hasard, „ich träume wohl. Was ist denn hier nur passiert?“

      Der Profos schnaufte immer noch und ließ den Kuhfuß fast resignierend fallen. Smoky warf den Schiffshauer angewidert auf die blutigen Planken. Alles war voller Matsch und Dreck. Es stank entsetzlich nach Blut und Rattenurin.

      „Plymmie fing an zu toben wie im Schatzkeller vor ein paar Tagen“, berichtete Ed. „Na ja, wir sahen nach und entdeckten die Sauerei dann in der Proviantlast. Die Ratten hingen traubenweise an unserem Proviant und fraßen sich voll. Da ist bei mir was ausgerastet, Sir, als ich diese stinkenden Mistviecher sah.“

      Hasards Blick war immer noch fassungslos. Die Zwillinge brachten inzwischen zwei weitere Laternen, um die Proviantlast besser ausleuchten zu können.

      „Das sind ja ein paar hundert Ratten“, sagte Ribault entsetzt.

      Plymmie schoß aus einer dunklen Ecke hervor, wo sie ein Loch im Holz angekläfft hatte. Jetzt raste sie auf einen der staubigen Mehlsäcke zu, streckte die Schnauze in das Loch und, biß zu. Mit einem wilden Ruck schleuderte sie einen Müller auf die Planken und durchbiß der weißlichen Ratte das Genick.

      Ribault zuckte ein bißchen zusammen, als er das Knirschen hörte. Aus dem Mehlsack staubte es. Es sah aus,

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