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      „Aber Marcelo ist ein Trunkenbold“, gab Jörgen zu bedenken.

      Arne lächelte. „Ich nehme mit Sicherheit an, daß er zur Zeit nüchtern ist. Das wird seine Entscheidungen wesentlich beeinflussen. Und laßt euch nicht zu Vorurteilen verleiten. Vielleicht haben wir von diesem Mann doch Positives zu erwarten.“

      „Möglich ist alles“, sagte Jussuf. „Aber die Hauptsache ist, daß wieder Frieden einkehrt.“

      Diese Hoffnung hegten alle – auch die Männer der vier Schiffe des Bundes der Korsaren. Philip Hasard Killigrew, der Seewolf, Jean Ribault, Edmond Bayeux und Old Donegal Daniel O’Flynn waren mit der „Isabella IX“, der „Golden Hen“, der „Le Griffon II.“ und der „Empress of Sea II.“ noch in der Nacht aus Havanna verschwunden. Niemand sollte die Schiffe sehen – sie hätten Anlaß zu Verdachtsmomenten verschiedener Art geben können.

      Immerhin war die „Isabella“ ein zu auffallendes Schiff, und die „Le Griffon II.“ war einmal unter dem Namen „Chubasco“ gesegelt und in Fort St. Augustine stationiert gewesen. Der Seewolf hatte es vorgezogen, mit dem kleinen Verband eine Bucht westlich von Havanna anzusteuern, die man von früheren Unternehmungen her noch kannte.

      Dort lagen die Segler jetzt vor Anker. Erst, wenn Arne seinem Vetter die Nachricht überbrachte, daß sich in Havanna alles normalisiert hatte, konnten die Schiffe zum Stützpunkt des Bundes auf Great Abaco zurückkehren.

      So gab es sowohl für die vier Bewohner der Faktorei als auch für die Männer an Bord der Schiffe vorläufig nur das eine zu tun. Sie mußten ausharren und abwarten, was der Tag an Ereignissen brachte.

      Osvaldo und El Sordo, die beiden „ehrlichen“ Diebe, führten das von ihnen in Havanna requirierte Fortbewegungsmittel eigenhändig durch den Dschungel südlich der Stadt. Auf dem Bock des zweirädrigen Karrens saßen Juanita, die Schwarzhaarige, und das Mädchen Maria. Maria hielt die Zügel in der Hand. Der Karren quietschte und knarrte etwas. Burrito, das Maultier, gab schnaubende Protestlaute von sich.

      Schon nach der ersten Meile auf dem Weg nach Süden hatte Burrito gestreikt. Der Anblick der grünen Blätterwand schien ihm nicht zu gefallen. Er war einfach stehengeblieben, wie es sich für ein ordentliches Grautier gehörte. Nichts hatte ihn zum Weitergehen bewegen können, weder Flüche noch Tritte noch Peitschenhiebe.

      Gewalt war im Falle eines Dickschädels wie Burrito sowieso nicht angebracht. Maria hatte dem Vierbeiner gut zugeredet. Das half ein bißchen. Zögernd trottete Burrito dem Urwald entgegen. Schließlich hielt er wieder an.

      Maria redete mit Engelszungen auf ihn ein, Juanita versprach ihm die herrlichsten Leckerbissen. Osvaldo und El Sordo, der Taubstumme, zerrten ein wenig am Geschirr – und weiter ging’s. So folgten sie dem Verlauf eines Pfades, der tief durch den Regenwald führte.

      Juanita begann zu schimpfen. „Also, wenn es in diesem Zuckeltempo weitergeht, sind wir in einem Monat noch nicht in Batabanó. Oder wir kommen nie an.“

      „Du mußt mehr Geduld mit Burrito haben“, sagte Maria. „Er ist ein guter Bursche, aber er mag nicht, wenn man ihn anschreit oder beschimpft.“

      „Ein störrisches Biest“, sagte die Hure verächtlich. „Sollen wir ihm vielleicht auch noch Zucker zu fressen geben?“

      „Ja, ein Pferd wäre besser gewesen“, brummte Osvaldo.

      El Sordo, der seinem Kumpan wie üblich die Worte von den Lippen ablas, nickte zustimmend. Mit Burrito hatten sie keinen sonderlich guten Griff getan.

      Maria war anderer Meinung.

      „Ihr seid nicht gerecht“, sagte sie. „Burrito ist genügsam. Er frißt lange nicht so viel wie ein Pferd.“

      „Er bringt uns aber um den Verstand“, sagte die Schwarzhaarige. „Hast du Lust, die Reise auf diese Weise fortzusetzen? Himmel, wir sind ja langsamer als eine Schnecke.“

      Maria erwiderte: „Im Dschungel geht’s nun mal nicht schneller.“

      „Da magst du auch wieder recht haben.“

      Juanita hatte kaum ausgesprochen, da blieb das Maultier wie vom Donner gerührt stehen. Es stemmte die Läufe in den weichen Untergrund, hob den Kopf, fletschte die Zähne und gab einen wilden, häßlichen Laut von sich.

      El Sordo bekreuzigte sich. Es war eine Geste der Verzweiflung. Osvaldo griff zur Peitsche. Doch Maria sprang vom Bock auf und hob die Hand.

      „Nicht!“ rief sie. „Laß das!“

      Burrito warf den Kopf nach rechts. Seine Augen blickten tückisch, die Oberlippe stülpte sich auf und legte die Zähne frei. Gleichzeitig stieß er ein langgezogenes „Iiiaahhh“ aus.

      Juanita begriff – trotz aller Wut auf das Tier – instinktiv, daß Gefahr drohte.

      „Achtung!“ zischte sie und zückte blitzschnell ihren Dolch.

      Osvaldo und der Taubstumme konnten gerade noch ihre Waffen herausreißen. Dann raschelte es im Dickicht, und vier Kerle sprangen aus der Deckung des dichten Mangrovengestrüpps. Sie fuchtelten mit ihren Messern und stürzten sich fluchend auf das Quartett.

      „Haut ab!“ schrie Osvaldo. „Wir sind auf der Flucht – wie ihr!“

      Daß es sich bei den Kerlen um Plünderer handelte, die aus Havanna geflohen waren, erkannte er sofort. Zwar wußte er nicht, wie die Kerle hießen, aber er hatte sie in den vergangenen Tagen flüchtig gesehen – in Bastidas Kaschemme am Hafen.

      „Rückt eure Talerchen raus!“ brüllte einer der Angreifer, ein Riese mit einem mächtigen schwarzen Vollbart.

      „Wir haben nichts!“ rief Osvaldo.

      „Wir sind arme Schlucker!“ stieß Maria hervor.

      Aber die Wegelagerer lachten nur. Zwei griffen Osvaldo und El Sordo an, einer versuchte, Juanita vom Bock zu reißen. Der vierte kletterte auf die Ladefläche des Karrens.

      Osvaldo zog dem Schwarzbart sofort die Peitsche quer übers Gesicht. Der Kerl wich heulend zurück. El Sordo duckte sich und entging einem gefährlichen Messerstich des zweiten Angreifers. Dann konterte er, und der Gegner stürzte mit blutendem Arm zu Boden.

      Juanita trat dem Kerl, der sie grölend an den Beinen zu packen versuchte, gegen die Brust. Mit verdutzter Miene stolperte der Kerl rückwärts. Er ruderte mit den Armen.

      „Du Miststück!“ brüllte er.

      Maria warf sich todesmutig dem Kerl entgegen, der auf die Ladefläche gestiegen war. Sie wollte ihn hinunterstoßen, aber der Mann griff nach ihr und schleuderte sie vom Wagen auf den Pfad.

      „Verdammter Lümmel!“ wetterte er. Da Maria wie ein Junge gekleidet war, kam er nicht auf den Gedanken, sie für ein Mädchen zu halten.

      Juanita bemerkte mit einem Seitenblick, was hinten geschehen war. Ihre Hand bewegte sich zuckend – und plötzlich hatte der Kerl, der auf der Ladefläche stand, den Dolch im Hals stecken. Er hob die Hände, wankte. Dann ließ er ein schwaches Röcheln ertönen und brach zusammen.

      Der Schwarzbart wollte erneut zur Aktion übergehen. Aber er hatte Burrito nicht beachtet. Plötzlich biß der Vierbeiner zu. Der Kerl stieß einen schrillen Laut aus. Burrito hatte nach seinem Bein geschnappt. Seine Zähne waren wie Eisenzangen.

      Juanita zog eine Muskete unter dem Kutschbock hervor, spannte den Hahn und legte auf den Kerl an, der sie zu überwältigen getrachtet hatte.

      „Osvaldo!“ schrie die Schwarzhaarige. „Knallt sie ab, die Hunde!“

      Es war ein Trick. Das Quartett verfügte nur über die eine Muskete. Osvaldo hatte sie durch einen Zufall im Haus des Don Felipe gefunden, als sie das Geheimversteck ausgeräumt hatten. Weitere Schußwaffen hatten sie nicht. Doch Juanitas Ruf wirkte Wunder. Plötzlich kriegten es die Angreifer mit der Angst zu tun.

      „Weg!“ brüllte der Schwarzbart. „Wir verduften!“

      Er

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