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Toten?“ fragte Carberry zurück.

      „Bisher habe ich keinen gefunden.“

      Der Seewolf ging weiter nach vorn, wo sich das andere Schott befand. Auch dieses ließ sich leicht öffnen, und er blickte in pechschwarze Finsternis.

      Es roch modrig und faul, als wäre hier jahrelang nicht mehr gelüftet worden. Er öffnete das Schott noch weiter, bis schwaches Dämmerlicht in den Raum fiel und stieg dann die Treppe hinunter.

      Die Kammer war nicht einmal halb so groß wie die auf der „Isabella“. Die Decke war niedrig und von schweren Balken durchzogen. Das Logis erinnerte an eine dunkle Höhle, an eine Gruft, die der Seewolf seinen eigenen Leuten niemals zugemutet hätte.

      Die Kojen bestanden aus Verschlägen mit ein paar Brettern. Darüber hatte man Säcke gebreitet, sonst nichts.

      Seine Augen hatten sich mittlerweile an das zwielichtige Halbdämmer gewöhnt, und er erwartete jeden Augenblick, eine mumifizierte Leiche in einer der Kojen anzutreffen.

      Alle zwölf Kojen waren jedoch leer. Auch hier unten quietschte es leise, und Hasard hörte, wie die Ratten davonhuschten.

      Kopfschüttelnd ging er wieder an Deck.

      Für das Vorschiff blieb jetzt nur noch die Piek. Andere Räume gab es hier nicht mehr.

      Carberry und Tucker sahen es ihm an den Augen an, daß er auch hier nichts gefunden hatte. Sie standen immer noch an Deck, nur hatten sie die Pistolen eingesteckt. Tucker hielt seine schwere Axt jedoch in der Hand.

      In der Vorpiek stand die Brühe halbyardhoch, als Hasard den schweren Riegel zurückschob. Hier gab es keine Ratten, die waren längst ausgekniffen und hatten sich die besseren Plätze an Bord gesucht, wo es gemütlicher war.

      Aber Wasserfässer standen dort. Vierzehn zählte der Seewolf im ganzen, fast die Hälfte von ihnen war noch gefüllt. Er drehte probeweise den hölzernen Hahn auf.

      Grünschilldernde Brühe floß auf die Gräting. Das Wasser roch verfault und ekelhaft, und es befanden sich grüne Fäden darin.

      Das Schott ließ er offen und ging wieder an Deck.

      „So, jetzt die Kuhl, die Segellast und was der Räume mehr sind“, sagte er. „Dieses Schiff gibt mir immer mehr Rätsel auf. Aus irgendeinem Grund hat es seine Mannschaft verlassen. Aber überall finden sich Lebensmittel und in der Piek sind sogar die Fässer noch voll Wasser, auch wenn es verfault ist.“

      Hasard wollte weitergehen, doch dann blieb er wie angewurzelt stehen und sah Ed und Ferris nachdenklich an.

      „Einen Augenblick“, sagte er gedehnt. „Das fällt mir erst jetzt auf. Eigenartig“, murmelte er.

      „Was ist eigenartig, Sir?“ fragte der Profos.

      „Kommt mit“, sagte Hasard.

      Gemeinsam gingen sie noch einmal zur Vorpiek, und Hasard zeigte auf die Schöpfkelle neben den Wasserfässern. Sie baumelte an einem kupfernen Nagel, der ins Holz gebogen war.

      „Die Kelle ist noch viertelvoll“, sagte er.

      Die drei Männer sahen sich nach diesen Worten betroffen an.

      „Wenn wir voraussetzen, daß das Schiff seit einem Vierteljahr mindestens oder sogar einem halben Jahr von der Mannschaft verlassen ist, dann würde doch in dieser Zeit ganz sicher das Wasser in der Schöpfkelle verdunsten, nicht wahr?“

      „Allerdings“, murmelte Carberry entgeistert.

      „Vorhin fiel mir das gar nicht auf, ich dachte mir nichts dabei, die Erleuchtung kriegte ich erst auf dem Rückweg.“

      Mehr brauchte der Seewolf nicht zu sagen, die Männer hatten kapiert, was er damit zum Ausdruck bringen wollte.

      Folglich mußte es doch noch ein menschliches Lebewesen an Bord geben.

      Die Geräusche von vorhin fielen ihnen wieder ein.

      5.

      So unwahrscheinlich es klang, aber auf diesem treibenden, langsam verrottenden Wrack befand sich noch jemand.

      Mittlerweile stand für die Seewölfe auch fest, daß der Dreimaster aus Spanien stammte. Das ließ sich an vielen Einzelheiten einwandfrei erkennen.

      Es war ein merkwürdiges Gefühl, auf diesem Segler noch jemanden zu wissen, der sich nicht blicken ließ, der sich aber durch ein paar Geräusche verraten hatte.

      „Sehen wir in der Kuhl nach“, sagte Hasard. „Ihr laßt das Deck keine Sekunde lang aus den Augen!“

      Die beiden nickten stumm, und diesmal war es Ferris Tucker, der mit einem Ächzlaut herumfuhr, als hinter seinem Rücken eine Stimme aufklang.

      „Was gefunden?“ fragte Dan, der sich an dem Tau halb hochgezogen hatte und nun über das Schanzkleid blickte.

      Tucker hatte seine Riesenaxt bereits zum Schlag erhoben und war herumgewirbelt. Dann aber hielt er inne.

      „Mann“, stöhnte er, „du willst wohl mit aller Gewalt noch deine eigene Beerdigung feiern, was? Meine Nerven sind stramm wie Ankertaue, aber auch die können schnell durchscheuern. Wir vermuten, daß sich jemand an Bord befindet, der Kapitän sieht gerade nach.“

      „Das kann doch nicht wahr sein“, meinte Dan.

      Er sah dem Seewolf nach, der gerade wieder hinter einem Schott verschwand, das in die Segellast führte.

      Hasard fand alte übelriechende Segel, über und über mit Schimmel und dunklen Stockflecken bedeckt. Am Liek waren die Segel teilweise ausgefranst, an einigen Stellen befanden sich Löcher, die vielleicht auch von den Ratten stammten.

      Taue lagen herum, dazwischen Holzplanken, eine Rah und vermoderte Flaggen, deren Farbe kaum noch zu erkennen war.

      Auch hier hielt sich niemand auf. Hasard nahm eine Lampe, entzündete sie mit Flintstein und Stahl nach einiger Mühe und leuchtete mit dem blakenden Ding die Segellast ab.

      Der Wust von Tauen und Segeln war so groß und so unordentlich, daß er nicht bis ans hintere Schott gehen konnte.

      Oben, an Deck, gesellte sich Ferris Tucker zu ihm, während der Profos mit der Waffe in der Hand weiterhin das Deck sicherte.

      „Jetzt bleiben nur noch die achteren Kammern“, sagte Hasard.

      „Und die Laderäume“, setzte Tukker hinzu, „aber dort wird sich wohl kaum jemand aufhalten.“

      In die Kapitänskammer sprang Hasard mit einem riesigen Satz, glitt zu Boden und richtete sich sofort wieder auf, in der Hand den Radschloßdrehling haltend. Nach menschlichem Ermessen konnte sich der Unbekannte nur noch hier oder in den anderen Nebenräumen aufhalten.

      Nichts rührte sich, als auch Ferris Tucker eintrat und sich umsah.

      Anscheinend hatten hier die Vandalen gehaust, denn der Kartentisch war nur noch ein Trümmerhaufen, und die Bettwäsche aus der Koje lag verstreut am Boden. Alles war in Unordnung, zerschlagen, zerstört, sogar die Lampen. Fetzen von zerrissenen Seekarten lagen herum, die Schapps waren aufgebrochen und ihr Inhalt über den ganzen Raum verstreut.

      Das, was sie vorfanden, wurde immer mysteriöser und eigenartiger.

      „Hier muß ein Verrückter gehaust haben“, meinte der Seewolf. „Oder der Kapitän hat das alles zertrümmert, ehe er von Bord ging, damit nichts in falsche Hände gelangte. Trotzdem ist es widersinnig.“

      „Was, zum Teufel, mag die Kerle bewogen haben, das Schiff zu verlassen?“ fragte Ferris Tucker. „Entweder hatten die hier die Pest an Bord oder …“

      „Oder?“ fragte Hasard sanft.

      „Oh, nichts“, murmelte der Schiffszimmermann. Von Geistern, die hier umgingen, wollte er nicht erst anfangen.

      „Jedenfalls ist das Schiff, wenn man so will,

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