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„schlagen wir deinen Folianten auf und schauen gemeinsam hinein.“

      Ein bißchen röchelte der Dicke. „Und wenn ihr die Wette gewonnen habt?“

      „Ja, mein Guter.“ Jean Ribault überlegte. „Dann müßten wir dir eigentlich sehr böse sein und dich ein bißchen klopfen, weil du zwei arme Kapitäne betrügen wolltest.“

      Da saß er ganz schön in der Patsche, der Dicke. Und einen Fluchtweg hatte er auch nicht. Zu dumm, an so was hatte er nie gedacht. Bisher hatten sie auch alle vor ihm gekuscht – na ja, bis auf den Lordadmiral und Admiral Hawkins. Aber so hartnäkkig und schlitzohrig wie diese beiden salzwassergetränkten und scharfgesichtigen Kerle waren noch kein Kapitän und kein Kommandant gewesen. Und leimen ließen die sich nicht, im Gegenteil, sie hatten ihn geleimt.

      Einen Moment überlegte John Deventer, ob er um Hilfe schreien solle. Aber noch als er das dachte, war ihm klar, daß sich weder Smith und Miller noch Fuller und Plewitt um seine Hilfeschreie kümmern würden. Eher krochen sie unter ihre Stehpulte. Nein, das war nichts. Aber dann hatte er einen besonders schlauen Gedanken – bluffen.

      „Und wenn ich gewinne?“ fragte er und bemühte ein Grinsen unter seine Perücke.

      „Oho, oho“, sagte Jean Ribault, „jetzt geht er aber ran, unser lieber Freund Deventer, jetzt werden die Sturmleitern angesetzt, und die Trompeter blasen zur Attacke. Ja, mein Guter, bist du denn sicher, daß du gewinnst?“

      „Völlig sicher“, sagte der Dicke forsch und mit quellenden Froschaugen.

      „Wetter auch“, sagte Jean Ribault bewundernd. „Ja, wenn du gewinnst, mein Guter, dann haben wir verloren. Ist doch klar, oder?“

      „Und was habe ich davon? Ich denke, das soll eine Wette sein, Gentlemen?“ Jetzt schnaufte der Dicke sogar verächtlich. „Schöne Wette, bei der man nichts gewinnt, phh!“

      „Wer sagt das denn, daß Sie nichts gewinnen?“ Hasard zog aus seinem Wams einen Lederbeutel, löste die Verschnürung und fischte einen schönen, runden spanischen Golddukaten hervor. Den ließ er ein bißchen auf dem Refektoriumstisch hin und her rollen.

      Der Kopf des Dicken folgte dem rollenden Dukaten – von links nach rechts, von rechts nach links und wieder zurück. Seine Froschaugen rollten auch, sein Froschmaul machte schnappende Bewegungen.

      „Hier sind noch mehr drin“, sagte Hasard und schüttelte den Beutel. Es klirrte angenehm.

      Der herausgefischte Golddukaten rollte aufrecht in Richtung des Dikken, sanft angestoßen von Hasard, lief langsam aus, schien zu zögern, nach welcher Seite er kippen solle, und legte sich schließlich auf die Seite mit dem Kreuz und dem Löwenwappen.

      Langsam kroch die Hand des Dikken auf den Dukaten zu. Eine Fingerbreite davor verhielt sie, und der Dicke schielte zu Hasard hoch. Er räusperte sich die Kehle frei und sagte: „Darf – darf ich mal anfassen?“

      „Bitte sehr, der Dukaten beißt nicht. Echt ist er auch, falls Sie das bezweifeln sollten.“

      Der Dicke nahm den Dukaten auf, kratzte auf ihm herum, betrachtete ihn von beiden Seiten und zeigte eine recht wechselvolle Miene. Gier war auch dabei, unverhohlene Gier. Am liebsten hätte er gleich den ganzen Beutel an sich gerafft.

      Aber dann rang er sich wohl zu der Erkenntnis durch, daß Kapitän Killigrew ihn matt gesetzt hatte. Wenn er auf die Wette einging, würde er den Folianten aufschlagen müssen. Und dann konnte er die Golddukaten vergessen. Er hatte bluffen wollen und saß jetzt noch tiefer in der Patsche. Und alles das angesichts eines Beutels lockender Goldstücke!

      Des Dicken Gesicht drückte all seinen Jammer aus.

      „Merkst du was, Freund Hasard?“ fragte Jean Ribault.

      „Ja.“ Hasard nickte. „Wir haben die Wette gewonnen. Dieser sehr ehrenwerte Gentleman hat uns die Hucke vollgelogen und ist dabei noch nicht einmal rot geworden.“

      „Du sagst es.“ Jean Ribault fletschte die Zähne. „Er wollte sich sogar vierteilen, teeren und federn lassen, der sehr ehrenwerte Gentleman. Wollen wir ihn jetzt aus dem Fenster werfen und heute nacht mit einem Bleigewicht in der Mill Bay versenken? Was meinst du? Wir könnten ihn natürlich vorher auch ein bißchen kielholen und danach zum Trocknen an die Großrah hängen …“

      „Erbarmen!“ winselte der Dicke.

      Hasard deutete auf die beiden Anforderungslisten. „Sie haben alles vorrätig, Mister Deventer?“

      Der Dicke nickte stumm und ergeben und verharrte in Erwartung des Jüngsten Gerichts – vor dem Kielholen hatte er am meisten Angst.

      „Den Golddukaten können Sie behalten, Mister Deventer. Möge er sie stets daran erinnern, daß es sich nicht auszahlt, zwei Freibeuter-Kapitäne übers Ohr hauen zu wollen.“ Hasard grinste knapp. „Lassen Sie die Stückgüter bitte sofort an die Rampen bringen. Wir wollen gleich mit der Übernahme beginnen.“

      Der Dicke verbeugte sich im Sitzen und fiel dabei fast über den Refektoriumstisch. Und dann watschelte er zur Tür, hielt sie auf und verbeugte sich abermals, als wolle er seine Zehen küssen. Dieses Mal rutschte ihm die Perükke vom Kopf. Er hatte eine Glatze, die wie ein Kinderpopo aussah.

      Seine Dankesworte waren so falsch wie seine Perücke.

      2.

      Die „Le-Vengeurs“ und die Seewölfe spuckten in die Hände, krempelten die Ärmel hoch und gingen an die Arbeit. Auf der Pier, vor den beiden Gangways, stapelten sich Kisten, Fässer, Ballen, Taurollen. Ein Teil der Crew brachte das Stückgut vom Arsenal zu den Gangways, ein anderer Teil mannte es an Bord und in die Laderäume, und ein dritter Teil verstaute planmäßig und seefest verzurrt die verschiedenen Stücke in den dazu bestimmten Räumen unter Deck.

      Die schweren Lasten wurden mittels der ausgebaumten Rahen über die Ladeluken gehievt und vorsichtig in die Laderäume abgefiert.

      Das war soweit alles in Ordnung. Die Männer packten willig an, selbst Hasards Zwillinge, die beiden siebenjährigen, drahtigen Bürschchen, nunmehr Moses eins und Moses zwei an Bord der „Isabella“, legten sich ins Geschirr und schleppten Lasten, die sie verkraften konnten.

      Zwischendurch klopfte Edwin Carberry, der eiserne Profos der „Isabella“, seine kernigen Sprüche und fragte alle fünf Minuten, ob denn die Kanalratten, Rübenschweine und Läuseknacker vielleicht der irrigen Ansicht huldigten, hier könne gefaulenzt werden, was, wie!

      Dabei faulenzte niemand, aber die Sprüche mußten sein und waren so nötig wie das Salz in der Suppe.

      Wie üblich geriet er sich mit dem Kutscher in die Wolle, der die Sauerkrautfässer in der Nähe seiner Kombüse gestaut haben wollte, während Carberry die Meinung vertrat, die Fässer seien in der achteren Proviantlast besser aufgehoben, und da sei auch ihr vorgesehener Platz.

      Der Kutscher war ein Mann, der sich weder in die Belange der Bordküche noch in seine Tätigkeit als Feldscher viel hineinreden ließ. Das durfte nur Hasard, vor dem er einen heillosen Respekt hatte.

      Nun hätte der bullige Klotz von Carberry den kleineren und eher schmalbrüstigen Kutscher mal so eben zum Frühstück verspeisen können – so etwas oder ähnliches drohte er ihm auch stets an –, aber gewalttätig wurde der Profos nie. Und darum war es immer wieder für alle ergötzlich, wenn sich Goliath und David anfauchten und erklärten, was sie alles mit dem anderen tun wollten – nur tat’s keiner. Aber immer hitziger wurden sie dabei.

      Und damit war Pause für die anderen Seewölfe, die andächtig dem Disput der beiden lauschten.

      „Und ich sage, diese verdammten Dinger werden in der achteren Proviantlast verstaut – basta!“ grollte Ed Carberry.

      „Und ich sage, die Sauerkrautfässer bleiben im oberen Proviantraum neben der Kombüse – klabasta!“ fauchte der Kutscher.

      „Klabasta? Was ist das denn, du spilleriger Hering?“

      „Klabasta

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