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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 91. Roy Palmer
Читать онлайн.Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 91
Год выпуска 0
isbn 9783954394159
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Bookwire
„Aye, aye, Sir.“
„Wenn wir weiterhin Glück mit dem Wind haben, müßten wir in spätestens einer Woche den südlichsten Zipfel der Neuen Welt erreicht haben. Bis dorthin sind es noch rund 400 Seemeilen. Bei einem Etmal von über hundert Meilen pro Tag müßten wir es eigentlich eher schaffen, aber ich will nicht zu optimistisch rechnen.“
„Da wären noch die Ausläufer der Westwind-Trift und die anderen widrigen Strömungen, auf die wir bald stoßen“, sagte Ben Brighton.
„Sehr richtig. Wir tun also gut daran, einen gewissen Zeitverlust mit ins Kalkül einzubeziehen“, entgegnete der Seewolf. „Ganz zu schweigen von Flauten oder Stürmen, auf die wir jederzeit vorbereitet sein müssen.“
„Es gibt hier in der Nähe eine größere Inselgruppe, wenn mich nicht alles täuscht“, sagte Ferris Tucker. Der rothaarige Riese wies mit der ausgestreckten Hand nach Südosten. „Dort irgendwo. Laufen wir die noch an?“
„Nur, wenn wir noch Proviant fassen müssen. Aber es wäre ein Umweg, außerdem haben die Inseln uns nicht viel zu bieten. Sie sind unwirtlich, kahl, und ich bin nicht einmal sicher, daß es dort Trinkwasser gibt.“
„Ich habe vorhin mit dem Kutscher gesprochen“, sagte Big Old Shane. „Er meint, es wäre nicht schlecht, wenn wir den Bestand der Vorratskammern vor dem Runden von Kap Horn ein wenig auffrischen könnten. Wenn nicht, müssen wir uns gleich anschließend an der Westküste der Neuen Welt nach Eßbarem und Trinkwasser umsehen. Wie es drüben auf dem schwarzen Schiff aussieht, weiß ich nicht.“
„Wir können ja Tang auffischen“, sagte der alte O’Flynn mit spöttischem Grinsen. „Ich hab mal gehört, das Zeug soll man futtern können. In der Not frißt der Teufel Fliegen.“
„Na schön, wir werden für dieses Problem schon eine Lösung finden“, meinte Hasard. „Ich muß die Entscheidung mehr oder weniger dem Zufall überlassen. Wenn wir Verzögerungen kriegen, kann ich nicht umhin, nach Proviant und Wasser zu suchen.“
Er trat an die Schmuckbalustrade, die den Querabschluß zum Hauptdeck hin bildete. Sein Blick schweifte über die arbeitenden Männer auf der Kuhl und der Back hinweg voraus. Von jetzt ab wurden die Naturgewalten immer unberechenbarer. Er war schon einmal hier gewesen, mit Francis Drake. Das lag nun schon fast sechs Jahre zurück. Damals war alles anders gewesen. Er konnte sich in seiner Beurteilung der Lage nicht auf die Gegebenheiten der damaligen Zeit verlassen. Die Fähigkeit, sich schnell auf jede Laune der Elemente einstellen zu können, war eine der unabdingbaren Voraussetzungen, die seine Aufgabe erforderte.
Und wenn es ganz dick kam? Wenn sich Barrieren vor ihm auftürmten, die er nicht durchdringen konnte?
Umkehren? Aufgeben?
Niemals. Was er sich in den Kopf gesetzt hatte, blieb bestehen. Er wollte in den Großen Ozean vorstoßen – wie schon einmal –, diesmal aber nicht an der Westküste bis hinauf nach Panama segeln, sondern den Ozean überqueren, um bis nach China und zum Rest des geheimnisvollen Asiens zu gelangen.
Daran hatten auch die jüngsten Ereignisse nichts zu ändern vermocht. Das Abenteuer auf der Insel vor Bahia, die Treibsand-Falle und das Gefecht mit der Bande des Alfiero León, die Geschehnisse am Rio de la Plata – all das waren nur Geschehnisse, die einen Philip Hasard Killigrew nicht von seinen ursprünglichen Plänen abbringen konnten.
„Weiter“, murmelte er vorsichtig. „Ich will deine Heimat kennenlernen, Siri-Tong. Und ich werde es schaffen, auch wenn du immer noch nicht ganz damit einverstanden bist.“
Bis in die Nacht hinein segelten die beiden Schiffe einen beständigen, strammen Törn. Bei Dunkelheit drehte der Wind von Nordwest auf West. Die „Isabella“ und der schwarze Segler segelten halbwinds, auf Backbordbug liegend, weiter nach Süden.
Die Stimmung auf beiden Schiffen war zuversichtlich und gut – bis zum Morgengrauen. Plötzlich änderte sich die gesamte Lage, und der Seewolf hatte allen Grund, sich zu sorgen.
2.
Die See war am frühen Morgen von milchig-grüner Färbung und lag wie eine gigantische Platte da. Die Dünung hatte immer mehr nachgelassen, der Wind schlief fast völlig ein. Bleigrau spannte sich der bewölkte Himmel über den Schiffen. Sie liefen nur noch wenig Fahrt voraus, denn inzwischen drückten auch die von Ben Brighton erwähnten Strömungen gegen sie an.
„Bald treten wir auf der Stelle“, sagte Ferris Tucker. „Himmel, ist das ein verfluchter Mist hier.“
„Was sollen wir tun?“ erwiderte der alte O’Flynn. „Bloß dastehen und uns in der Nase bohren?“
Hasard beobachtete aus schmalen Augen, wie seine „Isabella“ mehr und mehr an Fahrt verlor. Er stand mit der Körperseite gegen das Steuerbordschanzkleid des Achterdecks gelehnt und schaute an der Bordwand entlang. Die Bugwelle schrumpfte und hatte keinen weißen Bart mehr. Ein Blick nach oben: Die Segel hingen wie schlaffe Bettlaken an den Rahen. „Zum Verrücktwerden“, sagte Hasard leise. „Notfalls müssen wir die Beiboote abfieren und die Schiffe in Schlepp nehmen. Aber damit warten wir noch.“
„Deck!“ schrie Dan O’Flynn plötzlich aus dem Hauptmars. „Achtung, da ist er, der verfluchte Riesentang! Er treibt von Süden mit der Strömung auf uns zu!“
„Verdammt“, sagte der Seewolf. Er nahm den Kieker, zog ihn auseinander und blickte zum schwarzen Schiff hinüber. Siri-Tongs Ausguck schien den Tang noch nicht bemerkt zu haben, jedenfalls saß er ganz ruhig im Mars und traf keine Anstalten, die Decksmannschaft auf irgend etwas hinzuweisen.
„Dan!“ rief Hasard. „Signalisiere der Roten Korsarin, was da auf uns zuschwimmt!“
„Aye, aye, Sir!“
Hasard wandte sich seinen Männern auf Deck zu. „Los, wir fallen ab und nutzen den letzten Windhauch aus, um dem Tang auszuweichen. Es kann sich um ein paar Einzelstücke handeln, wie sie vorgestern vorbeigetrieben sind. Aber genausogut kann es eins jener Riesenbeete sein, die ein Segelschiff gefangenzusetzen vermögen. Los, Pete, abfallen! Ed!“
„Aye, aye, Sir, abfallen!“ brüllte der Profos. „Ihr Stinkstiefel, ihr faulen Säcke, an die Brassen und Schoten! Schrickt weg die verfluchten Tampen, wird’s bald!“
Wenig später sah auch Hasard durch sein Spektiv, was von Süden auf sie zutrieb. Nein, das waren keine einzelnen Tangblätter, wie er anfangs noch gehofft hatte. Das war ein Meer im Meer, eine gewaltige Fläche von grasgrünen Gewächsen, die sich wie Riesenaale ineinander- und durcheinanderschlängelten. Sie waren imstande, ein Boot samt Besatzung in die Tiefe zu zerren. Sie umschlossen Schiffe, setzten ihre Ruderblätter außer Betrieb und hielten sie – das vor allen Dingen im Sargassomeer – für die Ewigkeit fest.
Unaufhaltsam rückte das Unheil auf sie zu.
Hasard warf wieder einen Blick zum schwarzen Segler hinüber. Während die „Isabella“ bereits den Kurs wechselte und direkt vor den lauen Wind ging, schallten jetzt erst die entsprechenden Befehle über das Deck des Viermasters.
Zu spät begann die Rote Karsarin mit dem Manöver.
„Siri-Tong, beeilt euch!“ schrie Hasard zu ihr hinüber, aber er war sich dabei auch im klaren, daß er ihr nicht helfen konnte. Auch Dan signalisierte aufgeregt aus dem Großmars, um die Rote Korsarin zu schnellerem Handeln zu bewegen, aber das nutzte ebensowenig.
Siri-Tong tat, was in ihren Kräften stand. Und es lag weder an ihr noch an ihrer Mannschaft, daß sie nur mit geradezu lähmender Langsamkeit abfiel – bei den miserablen Windverhältnissen kriegte sie ihr großes 500-Tonnen-Schiff einfach nicht schneller herum.
Hasard spielte mit dem Gedanken, auch die letzte Fahrt aus dem Schiff zu nehmen und auf den schwarzen Segler zu warten. Aber was erreichte er damit?
Die Antwort auf diese Frage erhielt er bald. Hätte er die Segel aufgeien lassen, dann hätten sie im Handumdrehen beide festgesteckt.