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      Vermeulen wandte sich mit hängenden Schultern ab und schluckte trocken.

      Pit war weg, dachte er immer wieder, Pit war weg. Das eisige Wasser hatte ihn geholt, umarmt und in die Tiefe gezogen, in diese endlose dunkle Tiefe unter ihnen, die so tief war, daß niemand sie ausloten konnte.

      Er murmelte ein kurzes Gebet und stemmte sich dabei an die Balustrade, als wieder ein schwarzer Brecher heranfegte, durch die Kuhl schäumte und gurgelte und wie ein hinterhältiges dunkles Gespenst das Achterkastell erklomm.

      Noch bevor das Wasser über ihnen zusammenschlug, lagen die Männer flach an Deck, krallten sich fest, hielten die Luft an und beteten.

      War der Brecher vorüber, dann fluchten sie. Sie fluchten auf Gott und die Welt, wenn ihre Gebete nicht erhört wurden, und sie hofften doch immer noch, daß es endlich mal vorbei sein möge.

      So lange konnte ein Orkan doch gar nicht dauern!

      Seit vierzehn Tagen ging das schon so. Seit vierzehn Tagen orgelten und brausten sie durch eine Hölle, die sie hohnlachend immer weiter herumschlug, die sie peinigte und trieb – wohin, das wußten nicht einmal die Götter.

      Ab und zu flaute der Orkan ein wenig ab, das war meist am Tage, aber dafür ging es nachts dann immer schlimmer los.

      Sie trieben nach Norden, oder jedenfalls in nördlicher Richtung, das wußten sie, obwohl sie keinen Kompaß mehr hatten, und nach Norden wollten sie auch, aber nicht auf diese Weise, und vor allem immer an der Küste entlang, nicht inmitten einer teuflisch brodelnden See, in der sie nicht den geringsten Anhaltspunkt fanden.

      Captain Arie Vermeulen hatte diesen Seeweg gesucht. Wenn sie ihn fanden, sparten sie Tausende von Meilen, denn der Weg „obenrum“, wie sie ihn nannten, existierte mit größter Wahrscheinlichkeit. Es war der Weg über das sibirische Rußland, eine Strecke voller Eis und Kälte, aber sie war zu schaffen.

      Den Erzählungen nach hatten schon Spanier und Franzosen diese Ecke angeblich befahren.

      Vermeulen hatte errechnet, daß dieser Seeweg annähernd zwei Jahre Zeit einsparte, zumindest aber eineinhalb Jahre, und neue Erkenntnisse würde er vermutlich auch bringen.

      Eine dieser Erkenntnisse hatten sie bereits gewonnen, dachte er voller Bitterkeit und Wut. Nämlich die Erkenntnis, daß hier ein ganz anderer Wind wehte, der mitunter wochenlang anhielt, und daß die See dann alles kurz und klein schlug, was sich auf ihr bewegte.

      Aber daran ließ sich jetzt nichts mehr ändern. Jetzt bestimmten nicht mehr sie selbst den Kurs, das Ruder hatte der Teufel persönlich übernommen, und er würde sie dorthin führen, wo er selbst zu Hause war: in die Hölle nämlich!

      Auf den Inseln, ja, da hatten sie noch wie im Traum gelebt. Und in ihren Laderäumen hatten sie Gewürze, Kokosnüsse, seltsame und eigenartige Pflanzen, Tabak und andere Kostbarkeiten.

      Obwohl die Ladung gut und sorgfältig gestaut war, ging es in den beiden Laderäumen drunter und drüber. Es rollte und stampfte, und mitunter glukkerte und gurgelte es auch leise.

      Aber sie konnten nicht nachsehen, nicht bei diesem Wetter, das war einfach unmöglich.

      Vielleicht war der ganze Kram längst verdorben, vergammelt oder verfault, dachte Vermeulen, und keinen Copper mehr wert. Statt einen ordentlichen Gewinn herauszuschlagen, konnten sie drauflegen und das Schiff nach der Reise, wenn es noch so lange durchhielt, verkaufen.

      Das war sein Risiko, und es war nicht kalkulierbar. Mancher wurde steinreich, mancher bettelarm.

      So wie er es sah, begannen für ihn jetzt die sieben mageren Jahre.

      Selten nur sprach einer der Männer. Sie waren ohnehin wortkarge Gesellen, die sich die Zeit nicht mit Spiel und Tand, Erzählen und Klönen vertrieben.

      Hier ging es einzig und allein um ihr Leben, um ihr Schiff und die Ladung.

      Längst war der zersplitterte Besan weit achteraus verschwunden und nicht mehr zu sehen, als sich vor ihnen eine gewaltige Wand erhob.

      Man sah sie eigentlich nur an der gewaltigen weißen Schaumkrone, einem gigantischen Wirbel, der aus dem Himmel zu fallen schien.

      Alle Männer, die sich an Deck aufhielten, spürten die Gefahr rein instinktiv. Das, was da auf sie zurückte, war eine jener Wellen, die man in einem Orkan als Kaventsmann bezeichnete, vier, fünfmal höher als alle anderen und mit elementarer Wucht heranjagend.

      Die „Godewind“ benahm sich, als hätte sie ein besonderes Gespür dafür, und sie reagierte fast wie ein lebendes Wesen.

      Ihr Bug begann nervös zu tänzeln, als suche er sich die bestmögliche Stelle, um diesem Ungeheuer entgegenzutreten. Das Schiff zuckte wie unschlüssig vor und zurück, blieb auf der Stelle stehen und wurde dann von dem vorauslaufenden Sog unterseeisch erfaßt.

      Dann schnellte der Bug nach oben, fast senkrecht, schien in den dunklen Himmel zu klettern und flog wie ein Korken durch die Luft.

      Das war es vermutlich, was ihnen allen das Leben rettete.

      Noch bevor mehr als tausend Tonnen Wasser brüllend niederstürzten und alles kurz und klein schlagen konnten, hatte die „Godewind“ den tobenden Berg aus Wasser zum größten Teil erklommen. Der Sog drehte sie kraftvoll halb um ihre Achse, und das Schiff geriet nicht mehr in den stürzenden Wasserfall.

      Die „Godewind“ ritt in großer Höhe auf dem Kamm der Welle und erreichte eine beängstigende Geschwindigkeit, die sich mit jeder Sekunde noch steigerte.

      Die Männer waren wie erstarrt, keines Gedanken fähig, denn jeder einzelne sah sich im Geist längst von den Massen begraben.

      Am Achterschiff brach die Riesenwelle tobend, heulend, brüllend und donnernd in sich zusammen, doch der andere Teil lief weiter, und auf diesem Teil lief die „Godewind“ mit rasender Geschwindigkeit wie ein Geisterschiff der Hölle. Es war wie ein Ritt auf einer großen Eisscholle, die achtern immer wieder abbrach und krachend in sich zusammenfiel.

      Immer schneller wurde die rasende Fahrt, immer wilder stürzten dicht hinter dem Schiff die Wassermassen infernalisch heulend zusammen, bis die Kraft der Riesenwelle langsam gebrochen wurde.

      Bei diesem Ritt auf Leben und Tod ging es buchstäblich um den Bruchteil einer einzigen Sekunde. Nur ein Yard weiter achterlich versetzt, und das Schiff wäre in den Abgrund geschleudert worden, die stürzende Welle hätte es zerquetscht.

      Vermeulen rief etwas, aber das Wort verließ nicht einmal seine Lippen. Es wurde sofort vom Sturm erstickt und drang nicht weiter. Aber die anderen wußten auch so, was er meinte.

      Jetzt nämlich begann das „Absetzen“, eine sehr unangenehme Angelegenheit, bei der alles noch einmal hart auf der Kippe stand.

      Schafften sie das Absetzen nicht einigermaßen sanft und gleitend, dann gerieten sie in den eintretenden Gegensog, in jene Stellen, wo die gefährlichen Kreuzseen entstanden und mit Brachialgewalt aufeinanderstießen.

      Vermeulen hatte das ganz richtig gesehen. Verkrampft und bis auf den letzten Muskel angespannt, hatte er sich an der Balustrade verkrallt und wartete auf den donnernden Schlag, der gleich folgen würde, sobald die Welle auslief und mit den anderen zusammentraf.

      Von den anderen Männern sah er nichts, aber sie lagen irgendwo an Deck und hielten sich fest.

      Der Kolderstock schwang hin und her, fast sanft bewegte er sich mit dem Ruderblatt, als würde er von zarter Hand geführt.

      Dann begann er zu schwingen, immer schneller, hieb wie ein Schwert rasend über die Köpfe der flach an Deck liegenden Männer und senste mit tödlicher Wucht über sie hinweg.

      Sie konnten nichts tun, sie mußten warten und hofften darauf, daß der liebe Gott noch einmal seinen Daumen dazwischenhalten würde.

      Die „Godewind“ lief jetzt fast auf Gegenkurs und wurde immer noch weiter herumgedreht.

      Dann schien eine unsichtbare Riesenfaust sie anzuhalten. Sie stoppte fast auf der Stelle. Durch das Schiff

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