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Kapitän so blickte, fühlte er sich klein und häßlich und begann immer unsicherer zu werden.

      „Hoffentlich sind Sie fertig, bis wir die Insel angelaufen haben“, sagte Sinona gehässig. „Oder wir wenden eine andere Methode an, um unsere Position festzustellen. Die Methode ist ganz einfach und hat sich immer bestens bewährt. Sie gehen einfach an Land und fragen den nächstbesten Kanaken, wie die Insel heißt.“

      Dem Ersten stieg noch mehr Röte ins Gesicht, und er blickte auf.

      „Ich weiß, daß dies Tahiti ist“, murmelte er gepreßt. „Ich habe mich nicht geirrt, Senor Capitan.“

      „Dann bin ich beruhigt.“

      Eine Zeitlang schwieg Sinona und lehnte lässig an der Schmuckbalustrade. Nur seine Augen irrten immer wieder über das Land, und Fusté sah, daß er unmerklich den Kopf schüttelte.

      Nein, er hatte sich nicht verrechnet, todos los Santos, bei allen Heiligen nicht, darauf hätte er sogar seinen Kopf verwettet.

      „Tatsächlich eine Bucht“, hörte er Sinona murmeln. „Wir werden in diese Bucht segeln, Senor Fusté, und hinter der Korallenbank vor Anker gehen. Alle Mann auf Stationen!“

      Der Erste gab den Befehl an den bulligen Profos Orleano Bollo weiter, und der begann sofort zu brüllen, um die Crew sowie die Seesoldaten auf Trab zu bringen.

      Zwei Segel wurden aufgegeit. In diesem Augenblick begann die „Kap Hoorn“ den zweiten bewachsenen Berg zu runden, hinter dem sich die langgestreckte Bucht ankündigte.

      Es war ein eindrucksvolles Bild. Die ganze Insel war überwältigend, das ließ sich an den Gesichtern der Männer ablesen, die auf ihren Stationen standen und die Landschaft bewunderten.

      Sie tuschelten erregt miteinander, zeigten immer wieder zum Land hinüber und einige begannen zu grinsen.

      „Steht hier nicht rum!“ brüllte der Profos. „Denkt nicht schon wieder an Weiber, ihr verlausten Kerle. Tut eure Arbeit schnell und willig, sonst erlebt ihr die Hölle!“

      Die Männer kuschten wie immer, wenn der meist übelgelaunte und rechthaberische Profos erschien. Das Getuschel hörte auf, als der Profos jeden Handgriff überwachte.

      Die Männer hatten nicht einmal Zeit, die einmalige Schönheit dieser paradiesisch anmutenden Bucht zu bewundern.

      Dafür genoß Sinona vom Achterkastell aus diesen märchenhaften Anblick, und insgeheim gab er seinem Ersten recht, daß sie doch die richtige Insel gefunden hatten.

      Blendendweißer Sandstrand tauchte auf, aber merkwürdigerweise gab es hier nur ein paar Kokospalmen. Hinter dem weißen Strand begann dunkelgrünes Dickicht, gleich dahinter stiegen die bewachsenen Berge an.

      Vor der „Kap Hoorn“ aber dehnte sich auf dem Wasser der Steuerbordseite eine phantastisch anmutende Korallenbank, an der sich schäumend weißes Wasser im dunklen Blau einer dahinterliegenden Lagune spiegelte.

      Sidona warf einen schnellen Blick zu dem Rudergänger und gab ihm mit dem Daumen ein Zeichen, leicht nach Backbord abzufallen.

      Er trat an die Schmuckbalustrade und sah ins Wasser, während die Galeone ganz leicht den Kurs änderte.

      Eine Fahrrinne, von der Natur geschaffen, führte zum Strand hin. Es sah aus, als hätte Menschenhand sie geschaffen, so exakt verlief sie.

      Korallenbänke befanden sich auch auf der anderen Seite, dazwischen gab es ein tiefes blaues Loch, das aber gleich in das sanfte Grün weiterer Korallen überging.

      Das natürliche Riff war mindestens zweihundert Yards breit. Die Länge mochte mehr als drei Kabellängen betragen.

      Wer hier auflief, überlegte Sinona, der war rettungslos verloren, denn die scharfen Korallenspitzen befanden sich zum Greifen nahe unter der brodelnden Wasseroberfläche. Eine leichte Berührung würde genügen, den Rumpf der Galeone von vorn bis achtern in ganzer Länge aufzuschlitzen.

      In einem Abstand von knapp zehn Yards segelte die „Kap Hoorn“ an dem gefährlichen Riff langsam vorbei.

      Sinona blickte immer noch wie gebannt ins Wasser. Er konnte den Blick von der einmaligen Farbenpracht nicht lösen. Er sah riesige, tellergleiche Korallen, dann wieder blutrote Äste, dicke Wurzeln und filigranartige gefiederte Blätter in allen Farben.

      Den taktischen Fehler, den er begangen hatte, merkte er erst etwas später.

      So prächtig und herrlich diese Lagune auch anzusehen war, sie erwies sich als heimtückische Falle, denn wenn ein anderes Schiff vor der natürlichen Einfahrt aufkreuzte, dann konnte es die Galeone mühelos und ohne sich selbst zu gefährden, unter Feuer nehmen.

      Bei diesem Gedanken brach dem Kapitän der Schweiß aus, denn in die Lagune drang kaum noch Wind.

      Die restlichen, noch stehenden Segel fielen schlaff in sich zusammen wie bei einer plötzlichen Flaute.

      Sekundenlang spiegelte sich auf seinem Gesicht Unbeherrschtheit, und er ballte die Hände zu Fäusten.

      Den Ersten hatte er wegen seiner vermeintlichen Positionsfehler gerügt, und jetzt unterlief ihm selbst dieser grobe Schnitzer, ihm, dem erfahrenen Kapitän.

      Andererseits war kaum damit zu rechnen, daß hier ein Gegner auftauchte, aber es war eben nicht mit absoluter Sicherheit auszuschließen.

      Nach einer weiteren Kabellänge wurde er jedoch ruhiger, und sein Körper entspannte sich.

      Es gab aus dieser Lagune auch wieder einen Ausweg, einen prächtigen Ausweg sogar, wie er erkannte, und damit konnte ihnen niemand mehr gefährlich werden.

      Sinona atmete erleichtert aus, als er den Weg sah, der sich ihm anbot. Im Halbrund führte die Fahrrinne in einem großen Bogen weiter, wurde dann immer breiter und lief wieder, diesmal zwischen zwei Bergen, ins Meer hinaus.

      Damit erledigte sich sein Problem von selbst, und auch der sehr nachdenkliche Blick seines ersten Offiziers verschwand wieder.

      Sinona lächelte vor sich hin. Nein, er hatte sich keine Blöße gegeben, und jeder glaubte, er kenne sich hier gut aus.

      Er gab das Zeichen zum Ankersetzen und suchte mit dem Spektiv die Umgebung ab.

      Keine Menschenseele hauste hier. Anscheinend war die Insel leer und verlassen, oder aber die Eingeborenen hatten das fremde Schiff entdeckt und waren geflohen.

      Nun, es würden sich Hinweise finden lassen, dachte Sinona, es mußte Hütten und Spuren geben. Das würde die erste Exkursion an Land zeigen.

      2.

      Zwei Boote mit jeweils zwölf Mann liefen knirschend auf den weißen Strand.

      Sinona sprang als erster hinaus.

      „Profos! Sie übernehmen die erste Gruppe und gehen in südliche Richtung. Die zweite Gruppe, die Richtung Westen marschiert, übernimmt Senor Fusté. Die restlichen Leute folgen mir.“

      Die Befehle des Kapitäns wurden umgehend bestätigt. Die Seesoldaten packten ihre Musketen, Pistolen und Entermesser und bauten sich am Strand auf.

      Sinona warf einen Blick zum Schiff hinüber, das jetzt unter dem Kommando des zweiten Offiziers stand. Die „Kap Hoorn“ war gefechtsbereit. Die Stückpforten waren hochgezogen, die Kanonen ausgerannt.

      „Feststellen, wo sich Eingeborene aufhalten“, schnarrte Sinona, „Kontakt vorerst vermeiden, sofort einen Melder zu mir. Ich selbst gehe in diese Richtung!“

      Er wies mit der Hand zwischen die schmale und unübersichtliche Einbuchtung der Berge.

      „Alle Brotfruchtbäume, die wir antreffen, sind sofort auszugraben“, ordnete Sinona an. „Selbstverständlich nur die jüngeren Pflanzen. Senor Fusté, Sie sind mir dafür verantwortlich, daß diese Pflanzen mit ganz besonderer Sorgfalt und ohne die Wurzeln zu beschädigen, ausgegraben werden.“

      „Si, Senor

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