Скачать книгу

aus, das ihm teuflisch in den Lungen brannte.

      Aber seine Müdigkeit war schlagartig verflogen, denn was ihm nun bevorstand, das wußte er. Gary verfiel nicht in Panik – er hatte tausend gefährliche Situationen heil überstanden —, er versuchte nur, sich blitzschnell zu orientieren, was ihm ungemein schwer fiel.

      Als er den Schädel über Wasser hatte, drückte ihn eine zweite Welle augenblicklich wieder nach unten, und erneut begann er aufgeregt zu paddeln und wollte durch einen Schrei auf seine Lage hinweisen. Die Männer auf dem Achterdeck mußten ihn doch noch hören.

      Aber sie hörten ihn nicht, denn auch dieser Schrei wurde durch das kalte Salzwasser erstickt.

      Zum zweiten Male tauchte er auf, und dann sah er die schreckliche Wahrheit deutlich und plastisch.

      Die Heckpartie der „Isabella“ zog davon wie ein gigantischer drohender Schemen, riesig groß und mächtig wie ein Ungeheuer.

      Ein milchiger Schein ergoß sich über das Wasser, ein Anflug von schützender und anheimelnder Helligkeit, der rasch verflog und in der Finsternis der Nacht gleich darauf unsichtbar wurde.

      Entsetzt starrte Gary Andrews dem dunklen Gebilde nach, und in einer Art von Galgenhumor dachte er: Aus der Traum von der Koje, endgültig aus! Jetzt geht es ums nackte Überleben. Er versuchte, ganz ruhig zu bleiben, und diesmal gelang es ihm auch, einen Schrei auszustoßen, doch den drückte der Wind zurück, und er verhallte wiederum ungehört.

      Jetzt schwamm er allein in der Ostsee, dem Meer, das sie immer so verächtlich als Pißrinne für Schwäne und Enten bezeichnet hatten.

      Er wußte, daß ihm ein harter Kampf bevorstand, der letzte und längste vermutlich in seinem Leben, es sei denn, sie hätten auf der „Isabella“ seinen Schrei noch gehört.

      In diesen höllischen Augenblicken war er der einsamste Mann auf der ganzen Welt. Er rechnete sich auch keine große Chance zum Überleben aus.

      Aus, dachte er nüchtern, das ist das Ende!

      Ein paar Augenblicke vorher:

      Als die „Isabella“ hart überkrängte, griff Smoky zwar noch blitzschnell und hart nach den Ruderspeichen, um anzuluven, doch der Griff erfolgte zu spät. Zu schnell war die Bö eingefallen, und so konnte er sich am Ruder nur noch festhalten.

      Sam Roskill, der ebenfalls auf dem Achterdeck erschienen war, bemerkte auch nichts. Beim plötzlichen Wegkrängen knallte er gegen das Ruderhaus und fluchte erbittert.

      Dan O’Flynn beugte sich im Ruderhaus hinter Smoky gerade über eine Seekarte und versuchte beim schwachen Licht der Öllampe etwas zu entziffern, als ihn der Schlag an die Innenwand warf. Sein lästerlicher Fluch galt dem Rudergänger und Decksältesten Smoky.

      „Himmel Herrgott noch mal!“ brüllte er den selbst überraschten Smoky an. „Kannst du Affenarsch denn nicht aufpassen! Du weißt doch, daß wir mit Böen rechnen müssen, verflucht noch mal!“

      „Tut mir leid“, brummte Smoky, „aber die haute so schnell rein, daß ich nichts mehr tun konnte.“

      „Wenn man dich schon mal ans Ruder stellt“, brummte Dan zurück, „dann gibt’s gleich Kleinholz. Du solltest mal bei Pete wieder in die Lehre gehen und ein paar Stunden Unterricht nehmen.“

      „Verdammt, ich konnte nichts mehr tun“, verteidigte sich Smoky. „Die anderen flogen auch alle durcheinander.“

      Das stimmte allerdings, wie Dan zugeben mußte, denn die anderen Männer der Hundewache griffen wahllos zu und klammerten sich an alles, was sie packen konnten. Die See war wie eine riesige weiße Wand hochgestiegen, hatte das Schiff auf die Seite gelegt und lief nun zischend und rauschend durch die Speigatten ab. Der Gischt stäubte bis an die Hecklaterne.

      So hatte also niemand etwas gehört oder gesehen, als Gary Andrews über Bord ging. Jeder der Arwenacks wähnte ihn jetzt im Quartier und damit in der Koje.

      Die abgelöste Wache befand sich auch gerade dort, und beim harten Wegkrängen flogen Blacky, Matt Davies und Bill durcheinander und landeten bei den anderen Schläfern in den Kojen.

      Entsprechend laut war das Gebrüll und Gefluche, das nun auch die letzten Mitternachtsschläfer unsanft aus ihrem Schlummer riß.

      Matt Davies konnte sich nicht halten und sauste auf Blacky zu, und als der auszuweichen versuchte, schlitzte ihm der scharfe Haken von Matts Prothese die Hose auf. Auch ein Stückchen Fleisch nahm der Haken vom Oberschenkel noch mit.

      „Paß doch auf, du Meisenarsch!“ brüllte Blacky. „Wenn du deinen Haken ausprobieren willst, dann tu das am Holz und nicht an meinen Knochen. Du hast mich von oben bis unten aufgeschlitzt.“

      „Und du Blödmann mußt mir gerade in den Weg rennen!“ schrie Matt erbost zurück. „Auf meinem Schädel wächst eine Beule, und die tut auch verdammt weh.“

      „Eine Beule!“ rief Blacky verächtich. „Eine scheißkleine Beule, he? So was zählt man nicht als Verletzung. Dein Haken …“

      Aus einer der Kojen fuhr Luke Morgan hoch, aus der anderen Jeff Bowie, und in der dritten setzte sich Jack Finnegan auf und knallte prompt mit dem Schädel ans Holz.

      „Was schreit ihr Affen hier herum?“ brüllte Luke Morgan. „Wenn da nicht gleich Ruhe herrscht, dann stopf ich dem nächsten Schreihals meine Faust in den Rachen, das verspreche ich euch, ihr Saftsäcke.“

      „Halt du doch die Schnauze, und brüll nicht noch lauter als die anderen, du aufgebraßter Klotzkopf!“ schrie Jeff Bowie. „Das ist ja hier schlimmer als im Affenzirkus!“

      Nach und nach wurden auch die anderen wach, und jetzt begannen sie sich gleichzeitig gegenseitig zu beleidigen. Die Bö war längst vorbei und vergessen, aber die Gemüter der aufgeschreckten Schläfer erhitzten sich jetzt daran, daß die anderen fluchten.

      Pete Ballie war ebenfalls wach und sah in die Runde. Da waren nur schattige Gesichter zu sehen, dunkle oder helle Flecken, die im Rhythmus der See an den Wänden tanzten und mal größer oder mal kleiner wurden.

      Der einzige, der mit unerschütterlicher Ruhe auf dem Rand seiner Koje hockte, war der Kutscher, der Smoky hochgepurrt hatte. Als er die Kerle fluchen hörte, grinste er nur, gab aber keinen Kommentar.

      Daß Gary Andrews fehlte, bemerkte ebenfalls keiner. Dafür ödeten sie sich weiter an und stritten sich herum.

      Auch Pete Ballie sparte nicht mit höhnischen Bemerkungen.

      „Smoky steht natürlich am Ruder“, verkündete er, „das merke ich schon am Segeln. Der alte Decksknüppel segelt wohl unter Wasser, statt obendrüber. Der Kerl ist doch blöder als Schifferscheiße, und als Rudergänger ist er so geeignet wie ein alter Ziegenbock zum Eierlegen. Knurrt jetzt nicht länger rum, ich will meine Ruhe haben. Beschwert euch bei Smoky, und seht lieber mal nach, ob der wirklich das Ruder in der Hand hat. Oder ob er sich nicht bäuchlings achteraus gehängt hat und das Ruderblatt mit den Fingern bewegt.“

      „Jawohl, Smoky ist schuld“, pflichtete ihm Blacky bei. „Aber Matt hat auch schuld, der hat mir mit seinem Haken …“

      „Gleich zieh ich dir Zähne mit dem Haken, du Vollidiot!“ brüllte Matt. „Nimm doch deinen Arsch zur Seite!“

      „Nimm du doch deinen Eierkopf ab!“ rief Blacky sauer. „Wenn der fehlt, hat die Welt nichts verloren.“

      Der Kutscher hockte immer noch da und grinste still vor sich hin. Jetzt fehlt nur noch Carberry in dem allgemeinen Gemotze, dachte er, doch der schlief achtern in der Kammer.

      Die Motzerei ging weiter. Lediglich Paddy Rogers hörte und sah nichts und grunzte zufrieden in seiner Koje. Paddy ließ sich weder beim Schlafen noch beim Essen stören.

      Auf Smoky hackten sie jedoch weiter herum, und der konnte von Glück sagen, daß er auf dem Achterdeck stand, denn im Quartier hätte er sich eine Menge unflätiger Sachen anhören müssen.

      Als Matt Davies dachte, daß der Streit zwischen ihnen jetzt beigelegt

Скачать книгу