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Keinen Augenblick ließ er den Plankenrest los. Es wäre sein Untergang gewesen.

      Dschou und Lai hatten ihre Anstrengungen verdoppelt. Sie waren als erste neben dem Japaner, dann traf auch der Uigure ein. Die vier schwammen nebeneinander her, dem Sampan von Fei Yen nach, und Nakamura sagte: „Wo sind die anderen?“

      „Tot“, erwiderte Dschou. „Außer uns ist keiner von der Galeone entkommen.“

      Nakamura stieß eine Verwünschung aus. „De Romaes ist von einem der Seewölfe, die schwimmend zu unserem Schiff gestoßen sind, umgebracht worden. Dann setzten diese Kerle auch mir höllisch zu. Warum seid ihr mir nicht zu Hilfe geeilt?“

      „Wir waren auf dem Vordeck“, sagte der Uigure prustend. „Wir versuchten, den Brand zu löschen, aber es war sinnlos. Als wir dann Geräusche auf der Kuhl hörten, liefen wir hinunter.“

      „Da war es zu spät“, sagte Nakamura. „Fong und seine Spießgesellen hatten mich entwaffnet. Ich konnte mich in letzter Sekunde dem Tod entziehen.“ Wie die Dinge genau abgelaufen waren, verschwieg er wohlweislich.

      „Wir haben dich nicht springen sehen“, sagte Lai. „Bis eben wußten wir nicht, daß du dich gerettet hattest.“

      „Habt ihr wenigstens gegen die drei Bastarde gekämpft?“

      „Ja“, log Dschou. „Aber wir hatten keine Chance, weil sie sich Schußwaffen beschafft hatten. Wir hatten nur unsere Schwerter und Messer.“ In Wirklichkeit hatten Lai, Tijang und er es vorgezogen, sofort das Feld zu räumen, als sie gesehen hatten, wie Blacky, Sam Roskill und Fong auf der Kuhl aufgeräumt hatten – und wie weit der Brand auf der Galeone bereits fortgeschritten war.

      „Habt ihr noch Waffen?“ fragte Nakamura.

      Dschou nickte. „Jeder von uns hat noch sein Kurzschwert im Gurt stekken. Und ich habe ein Messer, das ich dir geben kann, Nakamura.“

      Jetzt grinste der Japaner. „Sehr gut. Ausgezeichnet sogar. Wir müssen den Sampan der Dschunke erreichen. Um jeden Preis. Die Seewölfe haben unsere geschätzten Verbündeten abziehen lassen, aber Waffen haben sie ihnen bestimmt nicht mit auf den Weg gegeben.“

      Dschou schaute zu dem davongleitenden Boot. „Das schaffen wir nicht. Die sind schon zu weit weg. Und sie halten nicht an.“

      „Ja“, erwiderte Nakamura. „Aber seht doch, was jetzt geschieht.“

      Eine Wende bahnte sich an. Ein großer, bulliger Mann mit schulterlangem Zopf hatte sich an Steuerbord am Dollbord des Bootes festgeklammert und versuchte, ins Innere zu gelangen. Er zerrte mit solcher Gewalt an dem Boot, daß es fast zu kentern drohte. Die Piraten im Sampan schrien durcheinander. Der Bursche, der die achteren beiden Riemen bediente, hatte aufgehört zu pullen. Das Boot verlor schnell an Fahrt und verharrte in der See.

      Nakamura, Dschou, Lai und Tijang schwammen, so schnell sie konnten. Dschou brachte sich neben den Japaner, legte sich auf die linke Körperseite und zog das Messer, das er neben dem Kurzschwert im Leibgurt stecken hatte.

      Nakamura riß das Messer an sich.

      Der bullige Chinese hieß Sui. Er war der Pirat von der Dschunke Fei Yen, der sich einen ausdauernden Zweikampf mit Ferris Tucker, dem rothaarigen Schiffszimmermann der „Isabella“, geliefert hatte. Fast hätte Sui diesen Gegner getötet. Zumindest ins Meer hatte er ihn befördert, aber dann war der Rothaarige sehr rasch wieder aufgetaucht, hatte ihm das Schwert bis auf einen lächerlichen Klingenstummel verkürzt und ihn zu den Haien geschickt.

      Die Haie! Sui wußte, daß sie da waren.

      Noch umkreisten sie die Stätte des Gefechts. Aber ihre Bahnen wurden immer enger, bis sie den ersten Toten erreicht hatten und ihre Gier in einen Rausch ausartete.

      Sui hing sich mit seinem ganzen Körpergewicht an den Sampan. Das Boot schwankte wie verrückt, seine Insassen schrien und fluchten, und der Ruderer traf Anstalten, Sui einen Riemen über den Schädel zu ziehen.

      Sui rollte mit den Augen.

      „Laßt mich ’rein!“ brüllte er. „Helft mir! Ich bin doch einer von euch – habt ihr den Verstand verloren?“

      Der Ruderer hatte einen der hölzernen Riemen gehoben und ließ ihn jetzt niedersausen. Schwer krachte die kantige, mörderische Waffe nieder. Aber Sui war auf der Hut. Mit erstaunlicher Geschicklichkeit wich er aus, und der Riemen traf das Dollbord.

      Sui packte den Riemen mit der linken Faust, während er sich mit der Rechten weiterhin festhielt. Er hatte Berge von Muskeln, und es bereitete ihm kaum Mühe, den Riemen hochzustemmen und gegen die Brust des Ruderers zu stoßen.

      Der Kumpan am Bootsheck stöhnte auf, rutschte aus und knallte mit seinem Gesäß auf die Achterducht. Fast ging er außenbords.

      Sui brüllte vor Wut. Die anderen Piraten fingen an, mit den Fäusten auf ihn einzuschlagen. Er wehrte sich, warf zwei, drei von ihnen nieder und versuchte jetzt, das Boot tatsächlich zum Kentern zu bringen.

      Seine Mitstreiter von Fei Yen, der einst so stolzen und gefürchteten „Fliegenden Schwalbe“, schrien und brüllten wie die Besessenen. Aber sie waren nicht übergeschnappt, wie er anfangs angenommen hatte, nein – sie gingen bei ihrem Handeln nur von ganz vernunftsmäßigen Erwägungen aus.

      Der Sampan war voll. Fünf gesunde Piraten und sechs Schwerverletzte, von denen einer im Gefecht ein Bein eingebüßt hatte, waren zusammengepfercht worden. Das war genau ein Mann mehr als das Höchstmaß dessen, was der Sampan eigentlich fassen konnte. Und jetzt auch noch Sui!

      Es war schon so viel zu eng in dem einfachen Sampan ohne Zeltaufbau. Die Schwerverwundeten lagen fiebernd und stöhnend zwischen den Duchten. Sie waren ihren unversehrten Kumpanen ein Klotz am Bein. Richtig bedenklich wurde die Lage aber erst jetzt, als Sui, der Koloß, das Boot zum Kentern zu bringen drohte.

      Der Ruderer hatte sich wieder aufgerappelt. Gemeinsam mit den anderen vier Unverletzten setzte er alles daran, Sui in die See zurückzustoßen und Reißaus zu nehmen.

      Aber Sui ließ sich nicht so leicht abwimmeln. Er hieb um sich, mit nur einer Faust, und ließ mit der anderen Hand den Bootsrand nicht los. Immer wieder schlug er die Männer nieder und rüttelte an dem Fahrzeug. Er war außer sich vor Wut. Aber er begriff auch, daß es keinen Zweck hatte, wenn er den Sampan umwarf. Zwar landeten die feinen Kameraden dann alle im Wasser, aber – so kräftig er auch war – er schaffte es nicht, den Sampan allein wieder aufzurichten.

      Also strengte er sich an, übers Dollbord ins Bootsinnere zu gelangen. Das verwirrte Gesicht eines Verwundeten tauchte vor ihm auf. Aus glänzenden Augen blickte dieser Marin ihn an. Zwei knochige Hände schossen hoch, um Suis Hals zu umklammern.

      „Fort“, keuchte der Verletzte. „Du bringst uns alle um. Ich will nicht sterben. Nicht – zu den Haien …“

      „Hund“, würgte Sui hervor.

      Sein Hals war breit und gedrungen, und es gehörten schon ausgesprochen lange Finger dazu, ihn überhaupt zu umspannen. Doch der Verwundete konnte es, und er brachte erstaunlicherweise auch die Kraft auf, zu pressen und Sui zu würgen. Panik und Verzweiflung verliehen dem Mann im Boot die erforderlichen Energien.

      Sui ließ den Bootsrand los. Er griff sich den einstigen Kumpan mit beiden Händen, er mußte es tun, sonst war er verloren. Wild zerrte er ihn aus dem Sampan. Ein hagerer Körper, in Lumpen gehüllt, klatschte in die Fluten.

      Sui drückte den Verletzten von sich. Die Finger lösten sich von seinem Hals. Erbarmungslos stieß Sui den Mann unter die Wasseroberfläche. Immer tiefer, bis dessen Bewegungen erlahmten und er langsam den lauernden Haien entgegentrieb.

      Der Ruderer hatte wieder die Riemen in die Dollen befördert und schickte sich an loszupullen. Sui schwamm. Es gelang ihm, sich von neuem an Steuerbord zu bringen, bevor der Sampan Fahrt aufnehmen konnte. Er schoß neben der Bootswand hoch, drosch auf alles ein, was sich vor ihm regte – und enterte schließlich mit verzerrter Miene auf.

      Er ließ sich auf die mittlere Ducht sinken, ein triefender Gigant. Niemand rührte ihn

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