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das in den Gräbern der Pharaonen liegen soll.“

      „Ja, Sir“, sagte Ferris. „Wir denken daran. Aber es ist noch ein verflixt weiter Weg dorthin, nicht wahr?“

      „Wenn wir bis zum ersten Katarakt des Nils segeln, ja. Die Entfernung beträgt über fünfhundert Seemeilen und umgerechnet mehr als sechshundert Landmeilen. Bis zu den Stromschnellen soll der Fluß schiffbar sein, das hat jedenfalls Ibrahim behauptet.“

      „Ja, Ibrahim, dieses alte Schlitzohr“, brummte der Alte. „Aber dem traue ich auch nicht so recht über den Weg.“

      „Du traust sowieso keinem, Dad“, bemerkte sein Sohn mit dem Anflug eines Grinsens. „Aber berücksichtige bitte, daß sich so manches, was Ibrahim uns erzählt hat, mit dem deckt, was auch aus unseren Karten hervorgeht.“

      „So? Dann also auf zu den Pharaonen, ihr seid ja doch nicht zurückzuhalten“, sagte sein Vater mit gallebitterem Gesichtsausdruck.

      Hasard legte ihm die Hand auf die Schulter. „Nein, Donegal, keiner will dich übergehen. Ich bin der Kapitän der ‚Isabella‘, und ich lasse mir nicht gern in meine Entscheidungen hineinreden. Aber in diesem Fall bin ich doch für eine Abstimmung über das, was weiter geschehen soll. Selbstverständlich ist die Reise ein Wagnis. Was vor uns liegt, ist unberechenbar. Es ist meine Pflicht, euch alle zu befragen und anzuhören, und genau das will ich jetzt tun. Dan, hol bitte die fünf Karten aus meiner Kammer, damit wir sie noch einmal vergleichen können.“

      „Aye, Sir“, sagte Dan O’Flynn, und damit war er schon vom Achterdeck verschwunden.

      Der Seewolf schritt zum Backbordniedergang, der das Hauptdeck mit dem Achterdeck verband, und stieg auf die Kuhl hinunter. Er trat zu Ben Brighton und Ed Carberry an die Nagelbank des Großmastes, blickte in die Runde und rief: „Alle mal herhören!“

      Die Männer auf der Kuhl und auf der Back – auch die Freiwache befand sich an Deck, um die unbekannte Landschaft ausgiebig zu betrachten – sahen sich untereinander an. Sie konnten sich bereits ausmalen, was jetzt folgte.

      Das Fellachendorf, an dem die „Isabella VIII.“ zu dieser Stunde vorbeisegelte, bestand aus gut zwei Dutzend Lehmhütten, die mit Durra-Stroh gedeckt waren. Das größte Haus auf der Kuppe des Mounds gehörte Rufael, der in seiner Funktion als Gaffir, als Aufseher, über die Ernteerträge der Fellachen zu wachen hatte. Er war der direkte Beauftragte des türkischen Verwalters in El Mansûra, nur diesem verantwortlich und hatte selbst von dem Umda, dem Bürgermeister des Dorfes, keine Anweisungen entgegenzunehmen. Im Gegenteil, der Umda war ihm, der die Steuerzahlung in Naturalien überwachte, sogar unterstellt.

      Rufael saß auf einem geschnitzten Holzgestühl vor der Tür seines Hauses und ließ sich die Mittagssonne aufs Haupt scheinen. Er hatte die Beine weit von sich gestreckt und die Schöße seiner Djelaba, des langen Übergewandes, ein wenig gerafft. Die Hände hatte er auf dem Bauch gefaltet, und nur hin und wieder drehte er die Daumen ein wenig umeinander, doch auch dies schien ihm jetzt, nach dem Essen, unendliche Mühe zu bereiten.

      Rufael war ein dicker Mann mit vollem, rosigem Gesicht, bartlos und von der Natur mit kleinen, glitzernden dunklen Augen versehen. Seinem Äußeren nach zu urteilen, mußte er ein gutmütiger Mann sein, doch alle, die ihn kannten, wußten, daß genau das Gegenteil der Fall war.

      Er war ein ausgekochtes Schlitzohr und obendrein ein Leuteschinder, der notfalls über Leichen ging, wenn es galt, sich seinen persönlichen Vorteil zu sichern. Er, der gebürtige Ägypter, hatte sich nur allzu bereitwillig der türkischen Oberherrschaft unterworfen, denn seine Devise lautete, daß nur der in dauerhaftem Wohlstand lebte, der es verstand, sein Fähnchen nach dem gerade wehenden Wind zu richten.

      Die Februarsonne ließ sich ohne Fächer oder Sonnenschirm ertragen, sie hatte genau die richtige Kraft, um Rufaels Leib und Gemüt ein wenig, aber nicht zu sehr zu erwärmen.

      Aus schmalen Augen beobachtete er das große dreimastige Segelschiff, das majestätisch wie ein riesiger Schwan auf dem Fluß entlangglitt, vorbei an den Feldern, auf denen sich die Fellachen mit ihren einfachen Geräten abplagten und so manchen leisen Fluch gegen Rufael ausstießen.

      Was wollte der Kapitän der Galeone hier, im Nildelta, was mochte sein Ziel sein? Der Flagge nach, die im Besantopp wehte, schien er ein Engländer zu sein.

      Ein Giaur also, dachte Rufael träge, ein verfluchter Ungläubiger. Der Scheitan soll ihn holen, hoffentlich läuft er auf eine Untiefe, aber wenn, dann bitte weiter südlich bei El Mansûra, damit er ja nicht auf die Idee verfällt, mich um Hilfe zu ersuchen.

      Vielleicht, so dachte er weiter, will er nach El Qâhira, nach Kairo. Wenn er jemals dorthin gelangt, so wünsche ich ihm, daß er sich die Ruhr und die Cholera wegholt und die Würmer seine Eingeweide fressen.

      Rufael verachtete zutiefst alle Andersgläubigen und verfluchte sie in seinen bizarren Gedanken gern bis in die tiefsten Höllenschlünde. Räudige Hunde, dachte er, wenn die Kinder Mohammeds bei Lepanto gesiegt hätten, wäret ihr heute nicht hier, sondern wir würden auf euren Ländereien sitzen und mit der Peitsche die Steuern von euch eintreiben.

      Er klatschte in die Hände und sagte: „Kabil, wo steckst du? Kabil, komm heraus!“

      Zwei schlanke Hände schoben sich aus dem Dunkel des Hauseingangs hervor und teilten den Perlschnürevorhang. Kabil, Rufaels Diener, erschien und verbeugte sich. Er war ein mittelgroßer, kräftiger junger Mann mit ausdrucksvollen Zügen, die Intelligenz verrieten.

      „Hier bin ich, o Herr“, sagte er. „Wie lautet euer Befehl?“

      „Bring mir etwas Tamarindensaft, sonst trocknet mir die Zunge am Gaumen fest.“

      „Sofort, o Herr.“ Kabil hatte sich aufgerichtet und lenkte seinen Blick unwillkürlich zum Fluß, wo die „Isabella VIII.“ sich anschickte, die nächste Biegung zu nehmen.

      Kabils Mund öffnete sich in grenzenlosem Erstaunen. Es war, als sei, er durch den Anblick des fremden Schiffes in einen Bann geraten. Wie gelähmt stand er da.

      Rufael wandte sich nicht zu ihm um, weil ihm dies zuviel Mühe bereitet hätte. Doch er schien auch in seinem Hinterkopf Augen zu haben, denn er stieß einen Fluch aus und rief: „Was stehst du noch herum, du Sohn eines blatternarbigen Schakals? Soll ich dir mit der Gerte Beine machen?“

      „Nein, Herr, nein.“ Kabil drehte sich um und schlüpfte zwischen den Perlschnüren hindurch zurück ins Haus. Beeil dich, rasch, trieb er sich in Gedanken an, damit er nur keinen Verdacht schöpft.

      Er trat an den großen Messingbehälter, in dem sich der kühle Tamarindensaft befand, füllte einen Becher mit dem süßen Naß und trug ihn auf einem Tablett hinaus zu dem dikken Mann.

      Rufael griff mit seinen kurzen, stämmigen Fingern nach dem Becher, hob ihn an die Lippen und leerte ihn in einem Zug.

      Kabil konnte nicht anders, er mußte wieder zu dem Schiff sehen, das jetzt allmählich um die Biegung des Nils verschwand. Die Masten und die Aufbauten waren aber auch weiterhin zu sehen. Bald schien die „Isabella“ im Grün der Felder zu schwimmen.

      Das darf nicht wahr sein, dachte Kabil ergriffen, du täuschst dich, ganz bestimmt gaukelt dein Geist dir etwas Falsches vor.

      Doch da waren die hohen Masten und die flachen Aufbauten der „Isabella“, da war der White Ensign mit dem roten Georgskreuz hoch oben am Besanmast. Und alle anderen Einzelheiten, an denen sich Kabils Blick nach und nach festklammerte, bestätigten, daß er sich doch nicht geirrt hatte.

      Nur allzugut vermochte er sich dieses Schiffes zu entsinnen, auf dem er selbst von Marokko bis zu den Balearen gereist war, fort aus der Gefangenschaft und hinaus in die Freiheit, die damals so vielversprechend begonnen hatte.

      Ihm traten die Tränen in die Augen, heiß und brennend, er konnte sich nicht dagegen wehren. Für einen Moment war er versucht, einfach das Tablett fallen zu lassen oder es dem dicken Rufael auf den Kopf zu schlagen und dann der „Isabella“ nachzurennen.

      Doch er wußte, daß es ihm nicht gelungen wäre, an Bord des Schiffes zu gelangen.

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