Скачать книгу

schlingerte und schaukelte wie verrückt in den Fluten der wildgewordenen See, und selbst der große Mann dort hatte Schwierigkeiten, die Schiffsbewegungen mit den Beinen auszugleichen.

      Hasard trat zu den anderen, hielt sich fest und sagte: „Ed, nun halte keine Volksreden. Wir können froh sein, daß wir Dan und Arwenack nicht verloren haben.“

      „Aye, aye, Sir.“

      „Wir haben die Trossen achtern ausgebracht. Wenn Pete Ballie es schafft, die ‚Isabella‘ zu parieren und platt vor dem Sturmwind herlaufen zu lassen, müßten wir mehr Stabilität kriegen.“

      „Aye, aye!“ brüllte Carberry wieder zurück. „Er muß es schaffen, der Himmelhund, ich habe ihn eigenhändig festgelascht, daß er uns nicht flötengehen kann.“

      Der alte O’Flynn grinste schief. „Also, du hast wirklich eine dämliche Art, dich auszudrücken, Ed. Hasard meinte doch wohl, daß es fraglich ist, ob Pete den Kolderstock ...“

      „Ich bin schon unterwegs!“ Carberry drängte sich aus der Luke, lehnte sich gegen den Sturm und die Brecher und hangelte in den Manntauen über den Niedergang zum Quarterdeck hoch.

      Durch das Tosen war noch zu vernehmen, wie er rief: „He, Pete, und wenn wir beide zusammen mit dem verfluchten Scheiß-Kolderstock über Bord gehen, wir lassen ihn nicht los.“

      „Ben, Ferris, Shane“, sagte Hasard. „Wir müssen auch wieder auf Deck. Wir müssen die Stellung halten, und wenn sie noch so verteufelt ist.“

      „Meine Sorge gilt weniger dem Kolderstock“, meinte Ferris Tucker. „Ich denke da mehr an das Notruder.“

      Shane reichte Arwenack wieder an Dan zurück, dann begaben sich die vier Männer auf Deck. Der alte O’Flynn wollte sich anschließen, rutschte aber mit der rechten Krücke von einer Holzstufe des Niederganges ab und landete unsanft auf dem Achtersteven. Er fluchte fürchterlich und schlug mit der linken Krücke und dem Holzbein, daß es nur so polterte.

      Die rechte Krücke hatte er verloren, sie wollte sich selbständig machen und durch den Gang ganz nach achtern bis zur Kapitänskammer trudeln. Dan fing sie jedoch auf. Sein Alter hielt sich an den Stufen fest, sonst wäre er der Krükke im nächsten Moment nachgesaust. Die „Isabella“ hob wieder den Bug und schoß eine gewaltige Woge hinauf.

      „Mann, Mann“, sagte Dan zu Arwenack. „Da regt man sich über uns junge Leute auf, aber die alten Knacker benehmen sich noch durchgedrehter.“

      „Wer ist hier ein alter Knacker?“ rief Old O’Flynn aufgebracht. Er hätte beinahe sein Holzbein losgeschnallt, um seinen Sprößling damit zu vertrimmen, aber der Sturm hinderte ihn daran. Er mußte sich mit beiden Händen festklammern, sonst wäre er glatt vom Niedergang gefegt worden. Vater und Sohn hielten sich nebeneinander gekauert. Arwenack war zwischen ihnen und zitterte vor Angst.

      Der Sturm traktierte die „Isabella VII.“, daß es bis in die letzten Verspannungen knackte. Man konnte wirklich meinen, sie würde jeden Augenblick auseinanderbrechen.

      Es war so die Art der Seewolf-Crew, in Gefahrensituationen zu frotzeln. Und jeder Mann an Bord hatte Nerven, so dick wie Ankertrossen. Aber dann trat doch etwas ein, das sie an diesem vertrackten und verfluchten Maianfang 1580 um den Galgenhumor brachte.

      Hasard stand auf dem Quarterdeck der Zweimast-Karavelle. Den rechten Arm hatte er unter eine Nagelbank gehakt, um sich einen festen Stand zu sichern. Aus schmalen Augen blickte er zu den Masten hoch. Am Stand der Segel gab es da nichts mehr zu kontrollieren, denn er hatte bei Ausbruch des Wetters auch noch die Sturmfock wegnehmen lassen. Ferris Tucker hatte den beiden Masten ganz schnell noch zusätzlich Laschings verpassen müssen, aber ob die ausreichen würden, blieb noch dahingestellt.

      Neue Brecher hieben gegen das Schiff. Sie rauschten als Wasserwände neben den Bordseiten hoch und fielen wieder in sich zusammen – ein fortdauernder Zustand der Bildung bizarrer Konstruktionen und deren Zerstörung. Im Zentrum des, kochenden Wirbels drohte die „Isabella“ zu einem Spielball zu werden. Glocken der Finsternis schienen ihren Untergang einzuläuten. Ein heftiger Schlag traf sie und ließ sie wieder bis in die letzten Verbände erbeben. Die Männer fluchten und beteten abwechselnd.

      Plötzlich aber bremste die „Isabella“ ihren Sturmlauf. Die Trossen hingen in ihrem schäumenden und phosphoreszierenden Kielwasser und erfüllten nun ihren Zweck. Hasard hatte sie buchtförmig ausbringen lassen. Es war ein alter Trick, den er seinem verhaßten Alten, dem Schlitzohr Sir John Killigrew, abgeschaut hatte. Die Sache hatte sich schon bei anderen Wettern bewährt, beispielsweise Anfang November 1576 südlich der Azoren oder im August 1579 während jenes denkwürdigen Wirbelsturms in der Karibik.

      Die Trossen hielten das Heck der Karavelle wie ein Treibanker vor dem Wind. Die Schiffsbewegungen wurden endlich ausgeglichener und gedämpfter.

      Aber der Sturm dauerte an.

      Hasard rang mit dem Giganten. Er hatte sich in diesen Kampf verbissen. Er spuckte – wie Carberry zu sagen pflegte – dreimal kräftig gegen den Wind und segelte dem Teufel ein Ohr ab. Der Erfolg des Trosseneinsatzes ließ ihn schon wieder zuversichtlich grinsen. Aber dann gab es einen Nackenhieb. Hasard vernahm Ben Brightons Ruf und fuhr herum.

      Ben stand unter dem vorderen Querabschluß des Achterkastells. Er hatte sich festgebunden, traf jetzt aber Anstalten, sich wieder loszuknüpfen und zum Kolderstock zu hangeln. Shane befand sich an der Backbordreling des Quarterdecks, Ferris auf der Kuhl. Beide hatten noch nicht gesehen, was los war.

      Wo steckten Pete Pallie und Ed Carberry?

      Himmel, Hasard konnte sie auf den ersten Blick nicht entdecken. Sie schienen verschwunden zu sein. Hasard lief es eiskalt den Rücken herunter. Er richtete sich hinter seiner Nagelbank auf. Seine schwarzen Haare flogen wie verrückt im Sturmwind. Wasser peitschte in sein Gesicht. Seine eisblauen Augen suchten und fanden die Gestalten seines Rudergängers und seines Profosses. Gott im Himmel sei Dank, dachte er, sie sind nicht außenbords gefegt worden!

      Pete und Ed lagen neben dem Kolderstock. Sie zappelten auf den Planken wie große Fische, suchten nach Halt, klammerten sich an Tauen und Nagelbänken fest, ehe ein Brecher sie erfassen konnte. Und Carberry fluchte jetzt mit Donnerstimme los.

      Der Kolderstock war herrenlos. Krachend schlug er hin und her. Er schien sich losschrauben und wie ein Kreisel durch die Lüfte davonfegen zu wollen.

      Hasard fluchte auch. Es bedurfte keiner weiteren Erläuterungen. Er brauchte niemanden zu fragen, was los war. Er wußte es auch so. Pete und Ed waren nicht von ungefähr hingestürzt. Der Druck des Ruders, gegen den sie sich am Kolderstock gelehnt hatten, hatte jäh nachgelassen. Dafür gab es nur eine Erklärung. Ferris hatte also recht gehabt mit seiner Unkerei.

      Das Ruder war gebrochen.

      „Hölle und Teufel, so eine Sauerei!“ schrie Carberry. Er gab noch einiges mehr von sich, aber es nutzte alles nichts, davon wurde das Ruder nicht wiederhergestellt.

      Ferris Tucker arbeitete sich den Steuerbordniedergang von der Kuhl zum Quarterdeck hoch, wurde gegen die Balustrade gedrückt, duckte sich unter einem Brecher und setzte schließlich seinen Weg fort.

      Als er neben seinem Kapitän war, sagte er nur: „Es ist soweit, oder?“

      „Ja.“

      „Verdammt, man könnte meinen, Sir John habe es extra so wackelig bauen lassen, um uns eins auszuwischen.“

      „Irrtum, Ferris“, antwortete der Seewolf. „Nicht, wenn ein Mann wie Jeremy Robb am Werk gewesen ist. Das hier hätte wirklich jedem passieren können – bei dem Sturm.“

      Sie krochen zu Pete Ballie und Edwin Carberry. Shane und Ben näherten sich von der Backbordseite. Dann fluchten sie alle zusammen. Was blieb ihnen anderes übrig? Ein neues Ersatzruder basteln? Nicht einmal ein Fachmann wie Ferris Tucker brachte das in dieser brodelnden Hölle fertig. Sie wußten es, keiner sprach überhaupt den Gedanken aus.

      Jeremy Robb war Sir Johns neuer Schiffszimmermann gewesen. Er hatte zusammen mit anderen Männern bei Sir John angemustert, als dieser seine neue

Скачать книгу