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      Hasard klomm zum Achterdeck hoch. Er sah zu Ben Brighton, Ferris Tucker und Big Old Shane, die sich mit Old Donegal Daniel O’Flynn und Smoly am Steuerbordschanzkleid versammelt hatten. Sie standen mit dem Rücken zur See, hatten die Ellbogen aufs Schanzkleid gestützt und ließen sich die Sonne ins Gesicht brennen.

      Ferris Tucker schaute kurz zum schwarzen Segler, sagte etwas und schwieg wieder – wie die anderen vier.

      Was er geäußert hatte, hatte Hasard nicht verstanden. Von Belang schien es aber nicht zu sein.

      Hasard trat auf sie zu und sagte: „Sehr tatendurstig seht ihr nicht gerade aus.“

      „Abwechslung täte gut“, entgegnete Ben Brighton. „Offen gestanden, wir fangen an, uns zu langweilen. Und die Crew wird launisch und ungenießbar.“

      „Es gibt nichts zu tun“, meinte Ferris Tucker. „Die ‚Isabella‘ ist von den Maststangen bis zum Kielschwein aufgeklart.“

      „Das Schiff ist tipptopp in Schuß“, fügte nun auch Old O’Flynn hinzu.

      Hasard kniff die Augen zusammen und musterte die fünf der Reihe nach. „Mister Brighton“, sagte er dann langsam. „Wenn die Männer quengelig sind, muß unsere Lady eben noch mal von oben bis unten aufgeklart werden. Oder wir üben Mann über Bord. Ich kann weder Landgang noch eine Schnapsfeier anordnen, das ist doch klar, oder?“

      Ben sah verdattert drein. „Selbstverständlich. Aye, aye, Sir.“

      „Gibt es noch irgendwelche – Kleinigkeiten?“

      „Nein, Sir.“ Ben hütete sich, sich noch weiter über die allgemeine Stimmung an Bord auszulassen. Und Ferris, Shane, Smoky und Old Donegal hielten den Mund. Denn sie wußten: Bei aller Umsicht und Gerechtigkeit, die der Seewolf auf seinem Schiff walten ließ – der Kapitän war er. Und die Disziplin mußte gewahrt werden.

      Schließlich war die „Isabella VIII.“ nicht einfach nur irgendein Piratensegler der Weltmeere, sondern ein Korsarenschiff, das nach wie vor dem Oberbefehl der Königin von England unterstand. Und Hasard trug auch immer noch den Kaperbrief der „königlichen Lissy“ bei sich.

      Also: Quengeleien wurden nicht geduldet, Unbotmäßigkeiten streng geahndet. Dabei konnte Hasard durchaus verstehen, wenn seine Männer ungeduldig wurden, aber das durfte er niemals offen zeigen.

      „Was ist eigentlich mit Carberry?“ fragte er.

      „Was soll sein?“ erwiderte Old O’Flynn. „Der Affe schmeißt mit Belegnägeln.“

      Die anderen grinsten. Hasard setzte eine strenge, zurechtweisende Miene auf. „Donegal …“

      „Ehm, ich meine natürlich Arwenack, nicht den Profos. Was denkst du denn von mir?“

      Diesmal lächelte der Seewolf. „Gar nichts. Nie und nimmer würdest du den guten alten Ed einen verlausten Drecksaffen nennen, oder?“

      „Wo kämen wir denn da hin“, sagte O’Flynn. Um seine Mundwinkel zuckte es.

      Sie lachten nun alle, der Bann war gebrochen. Hasard blickte zum Großmars hoch und sah Dan, nicht aber den Schimpansen. Hoch über dem Ausguck thronte jedoch Sir John auf der Großmarsrah, und so wußte Hasard plötzlich, warum Arwenack sich so aggressiv benahm.

      Hasard schritt bis zur Heckreling und schaute an der Laterne vorbei. Die See war eine flüssige Wüste, die sich in der Ewigkeit zu verlaufen schien. Abgesehen vom schwarzen Segler war weit und breit nichts zu sehen als türkisfarbenes Wasser.

      Hasard drehte sich um. „Eigentlich hatte ich mit euch über etwas anderes sprechen wollen. Ihr erinnert euch doch an die Ledermappe, die wir Sabreras abgenommen haben.“

      „Richtig“, sagte Ferris. „Da waren die Schriftstücke drin, aus denen hervorging, wieviel die Smaragdmine in Neu-Granada pro Jahr abwarf, auf welche Galeonen die Ausbeute verschifft wurde und wann die Kähne von der Neuen Welt in die Alte Welt segelten.“

      „Und was er klammheimlich für sich beiseite geschafft hatte, war von diesem Halunken mit keiner Silbe erwähnt worden“, ergänzte Shane.

      Sabreras war tot. Er hätte noch leben können, wenn er Hasard nicht zum Duell aufgefordert hätte. Er hatte zu hoch gesetzt und verloren, dieser durchtriebene spanische Kommandant.

      Aber die Ereignisse lagen bereits wieder mehr als einen Monat zurück und gerieten bei den Seewölfen allmählich in Vergessenheit. Nur der „Nachlaß“ aus dem Sabreras-Abenteuer reiste auf der „Isabella“ und dem schwarzen Schiff mit: Funkelnde Zweikaräter, in Truhen und Kisten verpackt, Smaragdschmuck der Chibchas – und die Krone von unermeßlichem Wert, den diese Indianer einst als Opfer für ihre Gottheiten hergestellt hatten. Die Krone ruhte jetzt in einem der Schränke von Hasards Kapitänskammer.

      „Ich habe mir die Dokumente noch einmal angesehen“, sagte Hasard. „Sie haben jetzt keine Bedeutung mehr für uns, weil wir die Smaragd-Transporte ja selbst unterbrochen und die Mine stillgelegt haben. Außerdem werden die Dons alles neu planen, falls sie jemals wieder ‚Esmeraldas‘ von Neu-Granada zum Isthmus hinaufschaffen. Trotzdem. Ich habe die Mappe erneut untersucht und bin dabei auf ein Schreiben gestoßen, das ich vorher übersehen hatte.“

      Die Männer horchten auf.

      Hasard griff in die Hosentasche und zog einen zusammengefalteten Bogen Büttenpapier hervor. „Hier ist die Rede von der legendären ‚Nao de China‘ oder besser, von der Manila-Galeone.“

      „Manila? Was ist das?“ wollte Old O’Flynn wissen.

      Ferris Tucker faßte sich an die Stirn und stöhnte auf. „O Mann. Das ist eine Niederlassung der Spanier auf den Inseln, die sie zu Ehren ihres Allerkatholischsten Königs die Philippinen genannt haben.“

      Smoky nickte. „Stimmt. Erst haben die Philippinen den Portugiesen gehört, dann haben die Dons sie eingeheimst.“

      „Kann ich doch nicht wissen“, knurrte der Alte. „Bin ich vielleicht Hellseher?“

      Hasard entfaltete das Schriftstück. Die Männer rückten näher auf ihn zu.

      „Einmal im Jahr segelt die Manila-Galeone mit Waren aus China quer über den Stillen Ozean in die Neue Welt“, erklärte er. „Den Gegenwert in Gold und Silber nimmt sie dann von Acapulco aus wieder mit zurück nach Manila.“

      Shane stieß einen Pfiff aus. „Donnerwetter, jetzt geht mir langsam ein Licht auf.“

      „Unterbrich doch nicht dauernd“, fuhr O’Flynn ihn an.

      „Hier steht, daß der Gouverneur von Panama vorgeschlagen hatte, diesen Gegenwert einmal in Smaragden zu entrichten, sobald man genug Steine aus der Mine in Neu-Granada angehäuft hatte.“

      „Daraus wird jetzt nichts mehr“, frohlockte der alte Donegal. Er verstummte aber, als er den drohenden Blick bemerkte, den Shane auf ihn abschoß.

      „Ob der König oder einer seiner Vizes diesem Plan zugestimmt hat, geht aus diesem Geheimdokument nicht hervor“, sagte Hasard. „Es ist nur von dem Geldwert die Rede, dem die jeweilige Ladung Gold, Silber oder Juwelen zu entsprechen hat – zwei Millionen spanische Piaster.“

      Die Männer hielten unwillkürlich die Luft an. Erst Ferris Tucker fand nach einigem Staunen als erster die Sprache wieder.

      „Donnerschlag – zwei Millionen! Das ist ein enormer Batzen!“

      „Wem sagst du das?“ gab Ben Brighton trocken zurück. „Die Manila-Galeone dürfte für einen Freibeuter wohl das begehrteste Schiff sein, das je über dieses Meer gesegelt ist.“

      Old O’Flynn stapfte mit seinem Holzbein auf. Der alte Schnapphahn wurde wieder in ihm wach, das sah man ihm deutlich an. „Warum, zum Teufel, bringen wir diesen elenden Zuber dann nicht auf?“

      „Die Route der ‚Nao‘ wird streng geheimgehalten“, erwiderte Ben Brighton. „Und ich glaube, Philipp II. selbst legt sie jedes Jahr neu fest.“

      „Du

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