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Moment kann ich nur das eine sagen“, erwiderte sie. „Alles, was wir in dieser seltsamen Ecke Welt bisher erlebt haben – die Geschichte mit Cyril Auger und dessen Flaschenpost, mit den Karibu-Jägern, den Indianern am Ufer der Bucht, die Stürme, die Abenteuer, die Erlebnisse mit dem Wal – all das hat mich nur neugieriger gestimmt. Ich würde jetzt auch nicht mehr aufgeben.“

      Er blickte sie ernst und offen an und sagte: „Ich danke dir.“

      2.

      Vier Glasen nach Beginn der Abendwache, die wie gewöhnlich um vier Uhr nachmittags einsetzte, war es soweit. Bill, der Moses, beugte sich ein wenig fröstelnd und mit einem Gefühl, als habe er schwere Eisklötze an Armen und Beinen hängen, über den Rand der Segeltuchverkleidung des Großmarses und brüllte: „Deck, Deck, Land Steuerbord voraus in Sicht! Sir, wir haben’s geschafft!“

      Er trat auf der Stelle und schlug die Arme vor der Brust zusammen, um der Kälte Herr zu werden. Dann mußte er sich wieder an der Umrandung festhalten, um nicht die Balance auf dem luftigen Posten zu verlieren. Die Gefahr, abzustürzen und sich auf dem Hauptdeck das Genick und sämtliche Knochen im Leib zu brechen, war noch größer als die Aussicht, im Großmars zum Klumpen zu frieren.

      An Oberdeck wurden Kieker auseinandergezogen und ans Auge gehoben – oder einfach nur die bloßen Augen mit der Hand gegen die Sonnenstrahlen abgeschirmt.

      Hasard und Siri-Tong standen an der Schmuckbalustrade des Quarterdecks. Sie spähten beide durchs Spektiv und konnten im Rund der Optik jenen schmalen grauweißen Streifen erkennen, der sich im Osten über die Kimm geschoben hatte.

      Das Land, das die Wikinger „Grünland“ getauft hatten …

      „Land“, dröhnte nun Carberrys Stimme von der Back herüber. „Woher, zum Teufel, willst du triefäugiger Hering eigentlich wissen, ob das tatsächlich Land ist, was, wie?“

      „Sir“, entgegnete Bill von hoch oben. „Ich dachte mir …“

      „Du sollst nicht denken, sondern nachdenken, Sapperlot noch mal!“

      „Bei allem Nachdenken, Mister Carberry – es scheint mir Land zu sein!“

      „Es scheint!“ brüllte Carberry so laut, daß die ihm am nächsten stehenden Männer des Vordecks vorsichtshalber zurückwichen. „Was soll das jetzt wieder heißen – es scheint? Die Sonne scheint, du halbgarer Kabeljau!“

      „Mister Carberry, Sir!“ schrie Bill zurück. „Was soll’s denn sonst sein – außer Land?“

      „Eis und Schnee!“ brüllte der Profos, daß man es daheim in Plymouth noch vernehmen konnte.

      „So müssen die Trompeten von Jericho geklungen haben“, sagte der Kutscher, der gerade mit verwunderter Miene aus dem Kombüsenschott blickte. „Oder waren es Posaunen?“

      „Ist doch egal“, meinte Blacky, der nicht weit entfernt am Backbordschanzkleid der Kuhl stand.

      „Ruhe da unten“, röhrte die Stimme des Narbenmannes von der Back. „Bill, du dreimal verlauster Affenarsch …“

      „Edwin!“ rief die Rote Korsarin.

      „Verzeihung, Madam!“ rief Carberry um einiges lauter zurück. „Aber es ist meine Pflicht, diesen Kerl auf eine ordnungsgemäße Ausübung seiner Aufgabe zurechtzutrimmen. Bill, he, Bill!“

      „Sir?“

      „Das da vorn kann Schnee oder Eis sein, vom Land losgelöst, verstanden? Man ruft erst ‚Land in Sicht‘, wenn man sich seiner Sache völlig sicher ist, verstanden?“

      „Mister Carberry, ich habe noch nie einen so flachen Eisberg gesehen“, verteidigte sich Bill.

      „Hast du überhaupt schon mal einen gesehen?“

      „Jawohl …“

      „Stimmt“, gab der Profos in barschem Tonfall zurück. „Soviel wollen wir dir zugestehen. Aber was nun, wenn dein ‚Land‘ eine riesige Eisscholle ist, was, wie?“

      „Dann kapituliere ich!“ rief Bill fast verzweifelt.

      „Etwas anderes bleibt dir auch nicht übrig …“

      „Ed!“ rief der Seewolf.

      Carberry drehte sich seinem Kapitän zu, senkte den Kopf ein wenig und zeigte Hasard sein narbiges, häßliches Gesicht, das von den Rändern einer flauschigen Mütze gerahmt, dadurch aber keineswegs schöner wurde. „Sir?“

      „Wir steuern direkt darauf zu, dann werden wir ja Gewißheit erhalten, um was es sich handelt. Pete, wir halten mehr Steuerbord.“

      „Aye, Sir.“

      Carberry zeigte klar, wandte sich der Crew zu und brüllte: „Anbrassen, ihr Pfeifen, wir gehen höher an den Wind! Seid ihr taub?“

      Blacky grinste den Kutscher schief an und meinte: „Na bitte, jetzt hackt er auf uns herum. Ich sage dir, die Kälte bekommt ihm nicht.“

      Der Kutscher nickte, verließ die Kombüse und hievte zwei mit Sand gefüllte Holzkübel heraus. Es war Sand zum Löschen der Holzkohlefeuer unter den Kombüsenkesseln. Im Gefecht benutzte man ihn auch, um den Männern an den Geschützen einen besseren Stand auf den Planken zu verschaffen – man streute ihn auf dem Batteriedeck aus. Warum also sollte man den Sand nicht auch dazu verwenden, das Ausrutschen auf dem elenden Eis zu vermeiden?

      Der Seewolf hatte natürlich sofort zugestimmt, als der Kutscher ihm diesen Vorschlag unterbreitet hatte. Jetzt, als der Koch und Feldscher der „Isabella“ emsig darum bemüht war, so viel Sand wie möglich auf dem Hauptdeck auszustreuen, verließ Hasard seinen Platz auf dem Quarterdeck und stieg zu ihm hinunter.

      „Ausgezeichnet, Kutscher“, lobte er. „Du solltest hinterher auch noch ein wenig Asche aus deinen Kombüsenfeuern dazutun, das hält besser.“

      „Aye, Sir.“ Der Kutscher blickte nach Steuerbord. Der kalte Wind schnitt ihm ins Gesicht. „Wenn wir Sturm kriegen, haben wir einen sicheren Stand auf Deck bitter nötig, Sir. Aber ich schätze, die überkommenden Seen werden mir einen Strich durch die Rechnung ziehen. Jeder Spritzer Wasser gefriert bei diesen Temperaturen sofort, und ich glaube, bei richtig dickem Wetter kann ich gar nicht so schnell streuen, wie sich das Deck wieder mit einer Eisschicht überzieht.“

      Hasard sah ebenfalls zu der schwarzen Wolkenwand, die sich unheilverkündend zusammengeballt hatte und nun näher und näher heranschob.

      „Bestimmt hast du recht“, erwiderte er. „Aber wir werden versuchen, eine schützende Bucht zu erreichen, ehe das Theater losgeht.“

      Der Kutscher grinste plötzlich. „Du glaubst also auch, daß wir wirklich Land vor uns haben?“

      „Ja.“

      „Jesus, was ist denn bloß in den Profos gefahren?“

      „Die Kälte geht ihm ans Gemüt, aber er will’s nicht zugeben“, erwiderte der Seewolf. „Außerdem will er endlich einen richtigen Eisbären sehen.“

      „Schön, aber deswegen braucht man doch nicht gleich so verbiestert zu sein …“

      „Was gibt es zum Abendessen?“ unterbrach ihn Hasard.

      „Eine kräftige Fleischsuppe, Sir.“

      „Gut. Dazu teilst du eine Sonderration Rum aus, und zwar eine doppelte. An alle. Ich hoffe, daß das die allgemeine Stimmung wieder etwas hebt.“

      „Heißen Rum?“

      „Ja, natürlich. Wir müssen uns von innen aufwärmen.“

      Aus dem Großmars ertönte Bills neue Sichtmeldung: „Land! Es ist wirklich Land, Sir! Ich kann’s jetzt in aller Deutlichkeit erkennen, daß es weder ein Eisberg noch eine Scholle ist!“

      „Hurra!“ jubelte die Crew.

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