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Grinsen eines Menschen nach. Anschließend schob er sich wieder eine Rosine auf die Zunge und zerdrückte sie.

      Dans Gestalt straffte sich plötzlich. Er hatte das Spektiv ans Auge gehoben und hielt in Richtung Nordwesten Ausschau. Seine Miene wurde starr. Er hatte etwas entdeckt, einen schwarzen Fleck, der sich nur undeutlich von der sonnendurchflirrten Kimm abhob.

      „Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt“, murmelte Dan.

      Arwenack gab eine Art Grunzen von sich.

      Dan ließ den Kieker sinken, schaute den Affen an und registrierte, daß dieser sich einen Finger in die Nase geschoben hatte und angelegentlich bohrte.

      Dan ahmte die Stimme von Profos Carberry nach. „He, du Rübenschwein, brich dir bloß nicht den Finger ab. Und sag Bescheid, wenn du Gold findest, verdammt noch mal.“

      Arwenack unterbrach sich irritiert.

      „Ich kann zwar nicht hinter den Horizont schauen wie ein Jonas“, sagte Dan O’Flynn, „aber da ist was an der Kimm, das zumindest verdächtig aussieht.“ Er richtete sich halb auf, beugte sich über die Segeltuchverkleidung und legte beide Hände als Schalltrichter an den Mund, um nach unten zu brüllen.

      Unter den stolz geschwellten Segeln der „Isabella VIII.“ bewegten sich auf Oberdeck die Gestalten der Männer. Braun glänzten ihre nackten Oberkörper. Sie hatten die Hemden abgelegt und waren beständig am Schuften, denn der Wind sprang dauernd um, blies aus wechselnden Richtungen, und Carberry purrte sie an die Brassen und Schoten. Mal pflügte die „Isabella“ mit achterlichem Wind die Dünung, mal kriegte sie ihn raumschots, mal von der Seite.

      „Deck!“ schrie Dan O’Flynn. „Deck, Achtung! Backbord voraus treibt ein Beiboot oder etwas Ähnliches!“

      Hasard stand gerade auf dem Quarterdeck, unweit des Ruderhauses. Er hob den Kopf und nahm Dans Meldung auf. Dann eilte er zum Backbordschanzkleid. Rasch nahm er den Kieker zur Hand und hielt nun seinerseits Ausschau, konnte aber nichts in der von Dan angegebenen Richtung entdecken.

      Ben Brighton, sein erster Offizier und Bootsmann, trat näher. „Teufel, wie das Bürschchen das jetzt wieder entdeckt hat. Und dann diese präzisen Angaben. Wie hat er bloß auf die Entfernung rausgefunden, daß es sich um ein Boot und nicht um ein Schiff handelt?“

      „Erfahrung, Ben. Immerhin fährt Dan ja auch nicht erst seit gestern auf der ‚Isabella‘.“

      „Trotzdem wundere ich mich immer wieder.“

      „Noch was, Ben. Dan ist kein Bürschchen mehr.“

      „Richtig, das vergesse ich immer wieder.“

      „Er legt aber großen Wert darauf, als voll tauglicher und sturmerprobter Seeman eingestuft zu werden“, sagte Hasard lächelnd. „Außerdem haben wir ja jetzt Bill, dem wir mit väterlichem Ratschlag auf die Schultern klopfen können.“ Er spähte wieder nach Nordwesten. Inzwischen hatte sich auch für ihn das Objekt in der Ferne so weit über die Kimm geschoben, daß er es sehen konnte.

      „Wir gehen näher ran“, entschied der Seewolf. „Profos, anluven, wir nehmen Kurs Nord-Nord-West!“

      „Hölle und Teufel“, dröhnte Carberrys mächtiges Organ über Deck. „Laufen wir jetzt schon wieder Kuba an? Was meinen Bedarf betrifft, ich hab die Schnauze gestrichen voll von dieser Scheißinsel, auf der es von Dons nur so wimmelt und …“

      „Profos“, unterbrach Hasard ihn. „Soll das ein Aufruf zur Meuterei sein?“

      „Ich – nein, Sir – ich meinte nur …“

      „Backbord voraus treibt ein Boot, das ich näher untersuchen will, falls du’s noch nicht begriffen hast“, polterte Hasard zurück. „Geht dir jetzt ein Licht auf?“

      „Aye, Sir.“

      „Dann beweg dich und befolge meine Befehle, sonst ziehe ich dir die Haut in Streifen von deinem Affenarsch!“

      „Aye, aye, Sir!“

      Die Männer auf der Kuhl bogen sich vor Lachen, besonders, weil der Seewolf soeben Carberrys Lieblingsspruch angewandt hatte.

      Dann aber war der Profos mitten zwischen ihnen und ranzte sie an: „Ihr Himmelhunde, ihr Kanalratten, ihr Bäckerburschen, was steht ihr rum und glotzt Löcher in die Luft? Wollt ihr wohl springen, oder soll ich euch anlüften, was, wie? Ihr Pökelheringe und Saufsäcke, braßt an, packt zu, hopp-hopp, daß die Schwarte kracht, sonst bringe ich euch verlausten Decksaffen die Flötentöne bei!“

      Dieses Gebrüll war sozusagen Tradition an Bord der „Isabella VIII.“ und einfach nicht mehr wegzudenken. Mehr noch, Carberrys Flüche wären von den Männern vermißt worden, hätten sie gefehlt, denn sie wußten ja, daß er es nicht so meinte, wie er’s schrie, und außerdem war er im Grunde seines Herzens eine Seele von Mensch.

      Hasard hatte seinen Platz am Backbordschanzkleid des Quarterdecks nicht verlassen. Unausgesetzt blickte er jetzt durch das Spektiv und beobachtete. Die „Isabella“ lief raumschots bei aus Südwesten einfallendem Wind und segelte auf das gesichtete Boot zu.

      „Dan hat recht“, sagte Hasard. „Es ist so was Ähnliches wie ein kleines Beiboot. Liegt sehr tief im Wasser.“

      „Kommt mir verdammt merkwürdig vor“, meinte Ben Brighton.

      „Spanisch, wolltest du wohl sagen“, sagte der alte Donegal Daniel O’Flynn. Er war auf seinen hölzernen Krücken herangehumpelt. „Wenn ihr mich fragt, das ist ein Trick der Dons, um uns reinzulegen.“

      „Abwarten“, erwiderte Hasard.

      „Erst mal sehen wir uns das Boot an. Ich bin ein von Natur aus neugieriger Mensch. Manchmal hat mir das Schätze, manchmal knüppeldicken Verdruß eingebracht, aber, was soll’s!“

      Punktum und basta. Der Seewolf verstand in gewissen Dingen nun mal keinen Spaß und duldete keinen Widerspruch. Es war eine feine Sache, die gesamte Mannschaft in Besprechungen miteinzubeziehen und stets jedem Mann die Achtung zu schenken, die er verdiente. Aber ein Kapitän blieb nun mal der Kapitän an Bord eines Segelschiffes. Daran gab es nichts zu rütteln.

      Falle oder nicht, Hasard mußte sehen, was es mit dem Boot auf sich hatte.

      „Deck!“ schrie Dan aus dem Großmars. „In der Nußschale liegt ein Mann. Zwischen den Duchten, deswegen seh ich ihn erst jetzt. Und, verflucht und zugenäht, ja – der Kahn säuft ab!“

      Hasards Stirn legte sich in Falten. Die Angelegenheit gefiel ihm immer weniger.

      Konnten die Spanier diese List ausgeheckt haben? Sie ließen einen „Schiffbrüchigen“ von der „Isabella“-Crew auffischen, und dieser Bursche war dann ein Spion, ein Saboteur.

      Na schön, und wenn es so war? Hasard wollte es wissen. Von einem einzelnen Mann ließ er sich schon nicht übers Ohr hauen.

      Vielleicht hatte sich herumgesprochen, was er und seine Männer jüngst auf Jamaica erlebt hatten. Die Spanier würden ihm liebend gern die Schuld an allem in die Schuhe schieben, das war ja ihre Spezialität.

      Als die „Isabella“ an Jamaica vorbeigesegelt war, hatte Dan in einer Bucht Rauchzeichen entdeckt. So hatten sie schließlich Bill und dessen Vater gefunden. Beide waren von einem spanischen Schiff geflüchtet, auf dem sie, Engländer, zur Bordarbeit gepreßt und ständig schikaniert worden waren.

      In einem günstigen Augenblick waren sie geflohen. Bills Vater war jedoch bereits sterbenskrank gewesen, für ihn gab es keine Rettung mehr. Er hatte Bill dem Seewolf überantwortet und ihm das Geheimnis des von ihm versteckten Schatzes offenbart. Danach war er aus dem Diesseits geschieden.

      Eine Zauberin war aufgetaucht, eine alte Frau, die den Voodoo-Kult der Eingeborenen von Hispaniola beherrschte. Sie hatte von Hasards drei Kindern gesprochen, hatte Arkana erwähnt und gezeigt, wie Hasard sich mit dem Stachel des Armreifs in Trance versetzen konnte. Später hatte sie den spanischen Kapitän Rafael Virgil zum Tode verurteilt und symbolisch umgebracht. Am darauffolgenden Morgen

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