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      Als er nach der Schlacht gegen die Armada über ein zum Wrack geschossenes spanisches Schiff hatte herfallen wollen, um es auszuplündern und die schiffbrüchige Besatzung zu massakrieren, waren Philip Hasard Killigrew und Jean Ribault dazwischengegangen und hatten diese Leichenfledderei verhindern können.

      Dabei hatte Hasard der „Revenge“ die Ruderanlage zerschossen, und darum lag jetzt Drakes Flaggschiff im Dock.

      Im übrigen hatten die „Revenge“-Leute schwer Senge bezogen, als sie vor zwei Tagen versucht hatten, die Le-Vengeurs und die Seewölfe zu provozieren. Unabhängig davon hatte der Admiral bei einem Bankett des Bürgermeisters von Plymouth zu Ehren der Sieger gegen die Armada ein paar moralische Ohrfeigen von Hasard einstecken müssen.

      Bei der nächsten Gelegenheit hatte er es dem Seewolf heimzahlen wollen, und die hatte sich ihm geboten, als dessen beide Söhne vom Landsitz Doc Freemonts zur „Isabella“ zurückkehrten.

      Er hatte die Zwillinge brutal entführt. Aber die hatten den Spieß umdrehen und den Admiral übertölpeln können.

      Es war zuviel, was sich der sehr ehrenwerte Admiral Drake Hasard und den Seewölfen gegenüber geleistet hatte. Mit dem Entführungsversuch an den beiden Jungen hatte er das Faß zum Überlaufen gebracht. Von Hasard hatte er keine Rücksichten mehr zu erwarten. Der hatte sich eine Menge bieten lassen, aber das war endgültig vorbei.

      Das Übel war, daß dieser Francis Drake nicht verlieren konnte. Er begriff auch nicht, daß die Schlappen, die ihm Hasard und seine Männer bereitet hatten, keine Zufälle gewesen waren. Nein, das begriff er nicht, weil er sich selbst für unfehlbar hielt. So verrannte er sich immer mehr in die fixe Idee, es diesem verdammten Seewolf heimzahlen zu müssen.

      Und je mehr er sich verrannte, desto lächerlicher wurde die ganze Sache. Nur das merkte er nicht.

      Carberry lauschte hinter sich und hörte die Schritte des Admirals. Sie verhielten neben ihm. Carberry knüpfte noch einen halben Schlag in das Tau, prüfte dessen Sitz, wandte sich halb zum Achterdeck und rief nach oben: „Hiev auf, das Ding!“

      Oben legten sich Batuti, der herkulische Gambia-Neger, Smoky, der Decksälteste, und Dan O’Flynn ins Zeug, um die Kiste mittels der holenden Part der Talje an Bord zu hieven. Carberry sah, wie die drei verstohlen grinsten, weil sie genau wußten, was jetzt passieren würde. Um sie nicht zu enttäuschen – und weil er das ja sowieso im Sinn gehabt hatte –, trat Carberry abrupt und auch kräftig „aus dem Kinken“. Das tut jeder Seemann, wenn er unter einer schwebenden Last steht. Also war das ganz legal, nicht wahr?

      Und kein Mensch konnte Carberry deswegen verdammen, daß er dabei dem sehr ehrenwerten Admiral kräftig auf die Zehen stieg, natürlich mit voller Absicht, aber das sollte erst mal jemand beweisen!

      „Au!“ brüllte der Admiral und hüpfte auf einem Bein.

      Carberry wirbelte mit erstauntem Gesicht herum.

      „Oh“, sagte er freundlich und grinste.

      „Können Sie nicht aufpassen, Sie Idiot?“ brüllte der Admiral.

      „Wieso?“ fragte Carberry mit biederer Miene.

      „Sie sind mir auf den Fuß getreten, Mann!“ stieß der Admiral wütend hervor.

      „Ich hab hinten keine Augen“, sagte Carberry seelenruhig. „Außerdem ist auf der Pier Platz für ’ne ganze Armee. Mußten Sie sich da unmittelbar hinter mir aufstellen, Mister Drake?“

      „Ich bin mit Admiral und Sir anzureden?“ fauchte Drake.

      „Und ich bin für Sie Mister Carberry und nicht ‚Sie Idiot‘ oder ‚Mann‘, klar, Mister Drake?“

      „Ich bitte mir mehr Respekt aus, Profos!“ Drake kochte.

      „Respekt vor was?“ fragte Carberry gleichmütig.

      „Vor meinem Dienstrang als Admiral der Royal Navy, verdammt!“

      „Ach du meine Güte“, sagte Ed Carberry, „mit der Royal Navy hab ich nichts am Hut, also interessieren mich auch ihre Ränge nicht, Mister Drake. Oder geht das nicht in Ihren Kopf? Also, für mich sind Sie Mister Drake – klabasta!“ Er spuckte ins Hafenbecken. „Und wieso ich vor einem Dienstrang der Royal Navy Respekt haben soll, kapier ich überhaupt nicht. Ist das was besonderes, so’n Dienstrang? Noch dazu, wenn Sie ihn innehaben? Da kann doch nicht viel dran sein, oder?“ Carberry spuckte noch einmal ins Hafenbekken. Offensichtlich mußte er eine Menge Spucke loswerden – und wohl auch Zorn, den er aber äußerlich nicht zeigte. Den Blattschuß auf den sehr ehrenwerten Sir Francis hatte er jedoch noch nicht abgefeuert. Der kam jetzt.

      Er sagte: „Und Admirale, die Kinder klauen wollen, aber von denen noch aufs Kreuz gelegt werden, na, vor solchen Admiralen hab ich schon gar keinen Respekt. Oder rekrutieren sich neuerdings die Admirale der Royal Navy aus der Gilde der Schnapphähne und Wegelagerer, Mister Drake?“

      „Sie – Sie …“ keuchte der Admiral, rot vor Wut und unfähig, noch weiter zu sprechen, weil er an seiner Wut nahezu erstickte.

      Über die Gangway schlenderte Hasard und näherte sich den beiden. Neben Carberry blieb er stehen und musterte Drake eisig.

      „Was will der Kerl hier?“ fragte er Carberry. „Will er stänkern?“

      Carberry grinste. „Ich bin ihm wohl auf die Zehen getreten – wortwörtlich, Sir. Er stand hinter mir, als ich zurücktrat, weil die Kiste hochgehievt wurde. Dann meinte er, ich müsse ihn mit Admiral und Sir anreden, und er bäte sich mehr Respekt aus, na, und da sagte ich ihm, daß ich vor Admiralen, die Kinder klauen und sich wie Schnapphähne und Wegelagerer benehmen, keinen Respekt hätte. Darauf kaut er jetzt herum. Offensichtlich schmeckt’s ihm nicht. Ob er stänkern wollte, weiß ich nicht. Ich hab eher den Eindruck, daß er hier herumschnüffeln wollte.“

      Hasards Stimme war ätzend. „Verschwinden Sie, Drake! Sie haben in unmittelbarer Nähe der ‚Isabella‘ nichts zu suchen. Wenn Sie es trotzdem tun, muß ich nach Ihrem bisherigen Verhalten annehmen, daß Sie wieder einen Ihrer dreckigen Pläne verfolgen. Um dem begegnen zu können, würde ich mich gezwungen sehen, Ihnen Respekt beizubringen.“ Hasards Degen zischte aus der Scheide. „Hiermit!“

      Die Degenspitze deutete auf Drakes Kehle. Drake zuckte zurück. Unwillkürlich fuhr seine Rechte ebenfalls zum Degen hinunter.

      Hasard glitt leicht einen Schritt zurück und senkte seinen Degen etwas.

      „Na los!“ sagte er scharf. „Ich bin bereit. Tragen wir es endlich aus. Einer von uns beiden scheint zuviel auf dieser Erde zu sein. Wir werden sehen, wer es ist.“

      Der Admiral versteckte seine Rechte auf dem Rücken. Er war käseweiß.

      „Ich duelliere mich nicht mit Ihresgleichen“, sagte er heiser.

      „Sie Feigling!“

      Noch einmal zuckte der Admiral zusammen. Aber auch diese Beleidigung nahm er hin, obwohl sie tödlicher nicht sein konnte. Kein von der Königin zum Ritter geschlagener Mann hätte eine solche Beleidigung auf sich sitzen lassen, ganz abgesehen davon, daß es nach dem ritterlichen Kodex selbstverständlich war, dem Vorwurf der Feigheit mit der Blankwaffe zu begegnen.

      Der Admiral tat es nicht.

      „Sauber, sauber“, murmelte Edwin Carberry und spuckte zum dritten Male ins Hafenbecken. „Und so ein Scheißkerl verlangt von mir, ich solle Respekt vor ihm haben – zum Kotzen!“

      Hasard stieß seinen Degen in die Scheide zurück. Eisige Verachtung zeichnete sein Gesicht. Wenn er dachte, diesen Mann endgültig geschafft zu haben, dann hatte er sich getäuscht. Drakes Dickfelligkeit war nicht zu überbieten.

      Kaum war die unmittelbare Gefahr der Auseinandersetzung mit den Blankwaffen vorbei, da schnarrte er: „Wie ich sehe, übernehmen Sie und dieser französische Pirat Stückgüter aus dem Arsenal der Royal Navy. Ich verlange eine Auskunft, wie das möglich ist. Laut Aussage der Arsenalverwaltung gibt es keine Lagerbestände mehr. Was geht hier vor?“

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