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die waren auch darunter.“ Der Dicke zuckte zusammen und starrte zu Hasard hoch. „Stimmt das, daß Ihre Männer diese Beiboote in der Mill Bay versenkt haben?“

      Hasard zuckte mit den Schultern. „Die Leute reden viel. Haben Sie denn Drake mit Beibooten ausrüsten können?“

      „Nein.“

      „Und das hat er sich gefallen lassen?“

      „Getobt hat er“, erwiderte der Dikke seufzend. „Aber was soll ich tun? Seit den Armadakämpfen sind meine Lager geplündert. Ich weiß gar nicht, warum ich hier noch sitze.“

      „Das frag ich mich auch“, sagte Jean Ribault und grinste anzüglich. „Schließen Sie doch Ihren Saftladen, Mister Deventer.“

      „Ich verbitte mir es, mein Arsenal mit Saftladen zu bezeichnen“, sagte der Dicke giftig.

      „Ich hör immer Arsenal“, erklärte Jean Ribault. „Was ist denn ein Arsenal, das leer ist? Doch kein Arsenal mehr, oder? Also ist es ein Saftladen, ein Nichts, eine unnötige Angelegenheit mit Mauerwerk und Dach, aber ohne Inhalt. Abreißen sollte man diese Bude. Ihre beiden Schreiberlinge und die beiden Sekretäre hätten Sie längst feuern sollen. Die halten sich nur noch an ihren Stehpulten fest, statt Ihre Lieferanten vielleicht einmal persönlich aufzusuchen und für Nachschub zu sorgen. Anfang August war die Schlacht gegen die Spanier beendet, jetzt haben wir Mitte September. Man könnte beinahe meinen, Sie und Ihre Leute hätten in den letzten anderthalb Monaten weiter nichts getan als geschlafen. Führen Sie eigentlich Bestandslisten, Mister Deventer?“

      Der Dicke fuhr hoch. „Natürlich!“ Seine Pfeife war ausgegangen, und die Nebelwolken verteilten sich.

      „Dort in den Folianten?“ fragte Jean Ribault hinterhältig und deutete auf die schweinsledernen Werke, die John Deventers Brustwehr bildeten.

      „Ja.“ Und dann biß sich der Dicke auf die Zunge und wuchtete sich keuchend hinter dem Schreibtisch hoch. „Sie wollen doch nicht …“

      „Doch, wir wollen“, unterbrach ihn Jean Ribault. „Kapitän Killigrew und ich lesen so gerne. Jeden Abend lesen wir uns gegenseitig aus der Bibel vor, zu später Stunde auch die Werke von William Shakespeare, aber ganz besonders scharf sind wir auf Bestandslisten. Ganz trunken vor Glück sind wir, wenn wir die lesen können.“

      Jean Ribault grinste, Hasard grinste, nur der Dicke grinste nicht. Er war dem Heulen nahe, grapschte nach dem Folianten ganz links von sich und zerrte ihn zu sich heran.

      „Aha“, sagte Jean Ribault.

      „Soso“, sagte Hasard.

      „Wollen wir mal wetten, Freund Hasard?“ fragte Jean Ribault.

      „Aber gern, mein lieber Jean“, erwiderte Hasard. „Ich wette, daß in dem Folianten, den unser guter Freund Deventer so zärtlich umarmt, als sei er sein ganzes Glück, daß also in diesem Folianten die Bestände verzeichnet sind. Die Bestände, verstehst du? Nicht die gähnende Leere.“

      „Also du bist mir doch ein Schlauer“, sagte Jean Ribault und mimte den Empörten. „Dann wettest du ja genauso wie ich, das ist doch keine Wette.“ Er duckte sich etwas und drehte langsam den Kopf zu dem Dicken, auf dessen Stirn jetzt die Schweißtropfen glitzerten. „Aber da ist ja noch unser guter Freund Deventer“, fuhr er fort, „der wettet sicher dagegen, nicht wahr?“

      „Gegen – gegen was?“ fragte der Dicke und war sehr kurzatmig.

      „Paß auf, mein Guter“, sagte Jean Ribault vertraulich und beugte sich über den Monstertisch. „Mein Freund Hasard und ich behaupten, daß in deinem lieben Folianten die Bestände fein säuberlich aufgezeichnet sind, die sich noch auf Lager befinden. Und du wettest dagegen und sagst, laut deiner Bestandsliste sei nichts mehr da als gähnende Leere in Lagerhallen und Schuppen, Gewölben und Speichern. Klar, mein Guter?“

      „Und dann?“

      Jean Ribault hatte das Gesicht eines Katers, der lüstern vor einem Mauseloch lauert.

      „Und dann, mein Guter“, sagte er sehr sanft, „schlagen wir deinen Folianten auf und schauen gemeinsam hinein.“

      Ein bißchen röchelte der Dicke. „Und wenn ihr die Wette gewonnen habt?“

      „Ja, mein Guter.“ Jean Ribault überlegte. „Dann müßten wir dir eigentlich sehr böse sein und dich ein bißchen klopfen, weil du zwei arme Kapitäne betrügen wolltest.“

      Da saß er ganz schön in der Patsche, der Dicke. Und einen Fluchtweg hatte er auch nicht. Zu dumm, an so was hatte er nie gedacht. Bisher hatten sie auch alle vor ihm gekuscht – na ja, bis auf den Lordadmiral und Admiral Hawkins. Aber so hartnäkkig und schlitzohrig wie diese beiden salzwassergetränkten und scharfgesichtigen Kerle waren noch kein Kapitän und kein Kommandant gewesen. Und leimen ließen die sich nicht, im Gegenteil, sie hatten ihn geleimt.

      Einen Moment überlegte John Deventer, ob er um Hilfe schreien solle. Aber noch als er das dachte, war ihm klar, daß sich weder Smith und Miller noch Fuller und Plewitt um seine Hilfeschreie kümmern würden. Eher krochen sie unter ihre Stehpulte. Nein, das war nichts. Aber dann hatte er einen besonders schlauen Gedanken – bluffen.

      „Und wenn ich gewinne?“ fragte er und bemühte ein Grinsen unter seine Perücke.

      „Oho, oho“, sagte Jean Ribault, „jetzt geht er aber ran, unser lieber Freund Deventer, jetzt werden die Sturmleitern angesetzt, und die Trompeter blasen zur Attacke. Ja, mein Guter, bist du denn sicher, daß du gewinnst?“

      „Völlig sicher“, sagte der Dicke forsch und mit quellenden Froschaugen.

      „Wetter auch“, sagte Jean Ribault bewundernd. „Ja, wenn du gewinnst, mein Guter, dann haben wir verloren. Ist doch klar, oder?“

      „Und was habe ich davon? Ich denke, das soll eine Wette sein, Gentlemen?“ Jetzt schnaufte der Dicke sogar verächtlich. „Schöne Wette, bei der man nichts gewinnt, phh!“

      „Wer sagt das denn, daß Sie nichts gewinnen?“ Hasard zog aus seinem Wams einen Lederbeutel, löste die Verschnürung und fischte einen schönen, runden spanischen Golddukaten hervor. Den ließ er ein bißchen auf dem Refektoriumstisch hin und her rollen.

      Der Kopf des Dicken folgte dem rollenden Dukaten – von links nach rechts, von rechts nach links und wieder zurück. Seine Froschaugen rollten auch, sein Froschmaul machte schnappende Bewegungen.

      „Hier sind noch mehr drin“, sagte Hasard und schüttelte den Beutel. Es klirrte angenehm.

      Der herausgefischte Golddukaten rollte aufrecht in Richtung des Dikken, sanft angestoßen von Hasard, lief langsam aus, schien zu zögern, nach welcher Seite er kippen solle, und legte sich schließlich auf die Seite mit dem Kreuz und dem Löwenwappen.

      Langsam kroch die Hand des Dikken auf den Dukaten zu. Eine Fingerbreite davor verhielt sie, und der Dicke schielte zu Hasard hoch. Er räusperte sich die Kehle frei und sagte: „Darf – darf ich mal anfassen?“

      „Bitte sehr, der Dukaten beißt nicht. Echt ist er auch, falls Sie das bezweifeln sollten.“

      Der Dicke nahm den Dukaten auf, kratzte auf ihm herum, betrachtete ihn von beiden Seiten und zeigte eine recht wechselvolle Miene. Gier war auch dabei, unverhohlene Gier. Am liebsten hätte er gleich den ganzen Beutel an sich gerafft.

      Aber dann rang er sich wohl zu der Erkenntnis durch, daß Kapitän Killigrew ihn matt gesetzt hatte. Wenn er auf die Wette einging, würde er den Folianten aufschlagen müssen. Und dann konnte er die Golddukaten vergessen. Er hatte bluffen wollen und saß jetzt noch tiefer in der Patsche. Und alles das angesichts eines Beutels lockender Goldstücke!

      Des Dicken Gesicht drückte all seinen Jammer aus.

      „Merkst du was, Freund Hasard?“ fragte Jean Ribault.

      „Ja.“ Hasard nickte. „Wir haben die Wette gewonnen. Dieser sehr ehrenwerte Gentleman hat uns die Hucke vollgelogen und ist dabei noch

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