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für seine Verfolger bestimmt gewesen sein.

      Die Schüsse hatten nicht getroffen, aber sie führten die Wende herbei.

      Die Brüder Ducale mußten eingesehen haben, daß sie, nur mit Messern zwischen den Zähnen, keine Chance gegen die Schußwaffen der Männer im Beiboot hatten. Je näher sie an das Boot heranschwimmen würden, desto größer wurde das Risiko für sie. Außerdem konnten sie abschätzen, daß der Vorsprung Sebastiano Tursis nicht mehr einzuholen war. So blieb ihnen keine andere Wahl, als fluchend und zähneknirschend umzukehren.

      Sebastiano erreichte inzwischen das Boot. Keuchend rang er nach Luft und klammerte sich mit den Händen an das Dollbord. Als ihn Kapitän Borgos Leute in Empfang nahmen, hörte er noch die lauten und wüsten Beschimpfungen, die Fulvio und Cosimo Ducale ihm nachbrüllten.

      2.

      Ein neuer Tag war angebrochen. Das anfängliche Grau am Himmel war längst von der aufgehenden Sonne verscheucht worden, die jetzt die Wassermassen mit gleißendem Licht überschüttete. Die Luft war am frühen Morgen noch frisch und kühl, aber das würde sich recht bald ändern, wenn erst der goldene Glutball höher am Himmel stand.

      Das Klima im westlichen Mittelmeer war auch in den Wintermonaten meist sonnig und mild, so auch jetzt Ende Oktober. Man schrieb das Jahr des Herrn 1591.

      Die „Isabella VIII.“ segelte unter ihrem Kapitän Philip Hasard Killigrew bei rauhem Wind über Steuerbordbug liegend Nordwestkurs.

      Noch vor Tagen hatte der Mistral, ein kalter, trockener Fallwind, der besonders im Winter das westliche Mittelmeer heimsuchte, den Seewölfen erheblich zugesetzt. Doch jetzt blies ein leichter, beständiger Wind und brachte den schlanken Rahsegler gut voran.

      Philip Hasard Killigrew, der Seewolf, kniete neben Ben Brighton auf den Planken des Achterdecks und ließ seine eisblauen Augen prüfend über die Karte wandern, die er vor wenigen Minuten dort ausgebreitet hatte.

      „Wenn wir diesen Kurs beibehalten“, sagte er dann zu seinem Stellvertreter und ersten Offizier, „wird uns unsere Lady an die Südwestküste der Insel Korsika tragen.“

      Ben Brighton nickte.

      „Zur Insel der Schönheit“, sagte er. „Übrigens ein recht fruchtbares Land. Die Genuesen wissen wohl, warum sie ihre Herrschaft über diese Insel durch viele blutige Kämpfe behauptet haben. Den Franzosen ist es jedenfalls nicht gelungen, sich auf Dauer dort festzusetzen.“

      Hasard lächelte. „Kühe, die man melken kann, sind überall begehrt“, sagte er. Dann erhob sich der mehr als sechs Fuß große und breitschultrige Kapitän der „Isabella“ von den Planken und begann damit, die Seekarte wieder zusammenzurollen.

      Auch Ben Brighton stand wieder auf.

      Das Leben an Bord der „Isabella“ verlief auch an diesem frühen Morgen völlig normal. Während der Kutscher, ein dunkelblonder, schmalbrüstiger Mann, der als Koch und Feldscher fungierte, das Frühstück für die Mannschaft zubereitete, gingen auch die übrigen Mitglieder der Crew ihrer gewohnten Beschäftigung nach.

      Will Thorne, der grauhaarige Segelmacher, werkte schon eine Weile in der Segellast herum, und Ferris Tucker, der rothaarige Schiffszimmermann, schwang seine mächtige Axt bei Reparaturarbeiten an der Balustrade, die die Back zum Galionsdeck hin abgrenzte. Batuti, der schwarze Mann aus Gambia, und Smoky, ein Rauhbein, das früher unter Francis Drake als Decksältester gefahren war, halfen ihm dabei. Auch Old Donegal Daniel O’Flynn, der Alte mit dem Holzbein und dem verwitterten Gesicht, hatte sich zu ihnen gesellt.

      Dan O’Flynn, sein Sohn, der unbestritten die schärfsten Augen an Bord hatte, ließ als Ausguck im Großmars seine Blicke über das Wasser gleiten. Er hatte erst vor wenigen Augenblikken Bill, den Moses, dort oben abgelöst.

      Pete Ballie, ein kleiner, stämmiger Draufgänger mit Fäusten, so groß wie Ankerklüsen, stand am Ruder, und der schwarzhaarige Stückmeister, Al Conroy, stieg mit Big Old Shane, dem ehemaligen Schmied der Feste Arwenack, in die Waffenkammer hinunter, um dessen neuangefertigte Brandpfeile mit der nötigen Pulverladung zu versehen.

      Die übrigen Männer der Crew, unter ihnen Blacky, Gary Andrews, Stenmark, Matt Davies und Jeff Bowie, waren auf der Kuhl beschäftigt.

      Der alte O’Flynn, der Ferris Tukkers Reparaturkünste mit kritischen Augen verfolgte, entdeckte plötzlich in einem Winkel an der Balustrade einen Fussel Takelgarn. Mit einer raschen Handbewegung zupfte er ihn weg.

      „Fädchen am Morgen bringen Kummer und Sorgen“, deklamierte er dann. „Ich habe doch gleich gesagt, daß dieser Tag mit einer trügerischen Stille begonnen hat. So idyllisch kann es nicht bleiben.“

      Ferris Tucker stemmte die linke Faust in die Hüfte und warf ihm einen schiefen Blick zu. Mit einem leisen Knurren in der Stimme sagte er: „Du willst doch wohl nicht behaupten, daß wir heute noch auf Grund gehen werden, bloß weil du einen Fussel entdeckt hast, der beim letzten Reinschiff übersehen wurde. Ich muß schon sagen, Donegal, du hörst wieder einmal die Kakerlaken husten.“

      Der rauhbeinige Alte legte die Stirn in Falten. Sein Gesicht wirkte wie aus Granit und eisen. „Was sagst du da? Ich soll die Kakerlaken husten hören? Du Holzkopf! Mach mir doch erst einmal vor, wie eine Kakerlake hustet. Hast du das vielleicht schon mal gehört, he? Da lachen doch glatt deine verdammten Holzwürmer, die du ständig mit deiner Axt in Scheibchen haust.“

      Der rothaarige Riese, der ein Kreuz wie ein Rahsegel hatte, richtete sich auf. Sein spöttischer Blick traf den alten O’Flynn, der für seine düsteren Ahnungen bekannt war. „Natürlich hab ich es schon gehört“, sagte er. „Du etwa nicht? Du bist doch sonst so blitzgescheit und hörst sogar die Wassermänner knurren und die Windsbräute singen. Warum sollten da Kakerlaken nicht husten können? Wenn der Kutscher die lieben Tierchen nicht in die warme Kombüse läßt, kann es doch passieren, daß sie sich erkälten. Oder vielleicht nicht?“

      Damit war Old O’Flynn total überfragt. Wütend stieß er mit dem Holzbein auf die Planken, murmelte etwas von „Holzwürmern im Kopf“ und „Fusseln im Hirn“, und begab sich dann auf die Kuhl, wo Philip und Hasard, die elfjährigen Zwillingssöhne des Seewolfs, gerade mit dem Schrubben des Decks beginnen wollten.

      Die beiden „Rübenschweinchen“, wie Edwin Carberry, der Profos der „Isabella“, sie oft zu bezeichnen pflegte, hatten etliche Schlagpfützen mit Seewasser über das Schanzkleid gehievt. Nun griffen sie zu den Holystones, jenen weißen Sandsteinen, mit denen sich unter Verwendung von Wasser und Sand die Decksplanken sehr gut sauberschrubben ließen.

      „Paßt nur auf“, sagte Old O’Flynn mürrisch, „daß ihr nicht wieder die Fusseln überseht. Fusseln bedeuten nichts Gutes.“

      „Was heißt hier ‚wieder‘?“ fragte Hasard junior und verbesserte sich rasch, als er das wütende Gesicht des Alten entdeckte. „Ich meine – haben wir die schon mal übersehen, Mister O’Flynn?“ Wenn die Zwillinge ihren Großvater so anredeten, dann gab es meist etwas, was sie gewaltig wurmte.

      „Jawohl, ihr habt den Fussel übersehen!“ sagte der alte O’Flynn. „Dort vorn an der Balustrade zwischen Back und Galionsdeck. Man hätte drüber stolpern können, so groß war er.“

      Jetzt kriegte Philip junior einen roten Kopf. „Aber der Fussel kann dort erst nach dem letzten Reinschiff hängengeblieben sein!“ rief er. In seinen Augen funkelte es.

      „Natürlich kann er das, ihr beiden Blindfische, aber so was sieht man sofort und entfernt es dann. Basta!“

      Old O’Flynn stapfte weiter, in der Hoffnung, daß der Kutscher bald mit den Frühstücksvorbereitungen fertig sein würde. Gewöhnlich sah nach einem kräftigen Imbiß die Welt wieder etwas freundlicher aus.

      Da dröhnte plötzlich ein gewaltiger Schrei über sämtliche Decks. Er hörte sich an wie ein Urschrei, ausgestoßen von einem vorsintflutlichen Seeungeheuer.

      Hasard junior stieß vor Schreck beinahe seine Pütz um, und Philip ließ

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