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      2.

      Auf der sonnenüberfluteten Insel Mordelles, zwanzig Meilen von der Küste von Concarneau entfernt, hockten sie in den Felsen. Von dort aus konnten sie die versteckten Buchten einsehen, ohne selbst bemerkt oder entdeckt zu werden.

      Sie konnten aber auch die Kämpfenden sehen, die ohne Rücksicht auf Verluste aufeinander einhieben. Die Insel war ein Gewirr aus Felsen, versteckten Buchten und Hinterhalten. Segelte man auf sie zu, dann sah man das nicht, denn die felsigen Buchten reichten bis tief ins Innere. Hinter hochwuchtenden Felsen waren weitere Schiffe versteckt, die auch Hasard und Reeves nicht entdeckt hatten.

      Die Ausgucks in den Felsen gaben Zeichen und grinsten sich eins, denn jetzt konnten sie den Engländern den Weg verlegen, ohne dabei das geringste Risiko einzugehen.

      Ein Posten verständigte den anderen, und so erfolgten die verabredeten Zeichen an Pierre Servan, Saint Jacques und Jean Bauduc.

      Gleich darauf setzte die „Louise“ Segel und rauschte aus der versteckten Bucht heraus. In ihrem Kielwasser folgte die „Coquille“. Dann segelten zwei Galeonen und eine zweimastige Karavelle los, und den Abschluß bildete eine große Schaluppe, bestückt mit vier leichten Minions.

      Das war jedoch nur ein Teil von Grammonts Flotte. Weitere vier Schiffe waren vor ein paar Tagen ausgelaufen, um vor St. Nazaire englische Segler aufzubringen. Grammont erwartete diese restlichen vier Schiffe bald zurück.

      Der Verband segelte langsam weiter und begann fast die halbe Insel zu runden, ehe die Bucht sichtbar wurde, in der die „Hornet“ und die „Fidelity“ lagen und Boote abfierten.

      Saint-Jacques, Kapitän der „Coquille“, die als erstes Schiff auf die Bucht zusegelte, stand selbst am Ruder und grinste. Mit der rechten Hand fuhr er zufrieden über seinen drei Tage alten Bart.

      „Das ist das Aus für die Bastarde“, sagte er zu einem kleinen krummbeinigen Kerl, der neben ihm stand und erwartungsvoll in die Bucht blickte. Die Mastspitzen der beiden Schiffe waren schon zu sehen, und das Gebrüll am Strand hörte man ebenfalls.

      „Ja“, sagte der Krummbeinige händereibend. „Diesmal erwischt es die Engländer, endgültig und für alle Zeiten. Aus dieser Falle kommen sie nie mehr heraus.“

      „Und der Seewolf bringt allen einen Batzen Geld ein, wenn do Velho ihn erst einmal in den Fingern hat.“

      „Der ist uns so gut wie sicher. So dick wie heute saß er noch nie im Dreck.“

      Auch auf den anderen Schiffen wurde gegrinst. Sie würden es diesen verdammten Engländern schon zeigen. Und zwei Schiffe kriegten sie auch noch dazu. Die Galeone und die zweimastige Karavelle, die in dem Verband fuhren, waren ebenfalls Prisen, die man Engländern abgenommen hatte.

      Einer nach dem anderen segelte auf, bis alle sechs Schiffe endlich vor der Bucht auftauchten und sie abriegelten. Während zwei der Galeonen vor Anker gingen, begannen die anderen zu kreuzen. Damit war die Bucht dicht, und keine Maus konnte mehr hinaus. Grammont hatte einen Schachzug getan, der ihnen alle Engländer und beide Schiffe auslieferte. Es sah so aus, als hätte er diesmal auf der ganzen Linie gesiegt.

      Hasard, der immer noch kämpfte und sich so darauf konzentrierte, daß er kaum noch sah, was um ihn herum vorging, merkte plötzlich, daß das Geschrei nachgelassen hatte. Vier oder fünf Gegner hatte er bereits mit dem Degen in den Sand gestreckt. Jetzt fiel ihm die Stille auf, und ein letztes Mal klirrte sein Degen an einen anderen.

      Dann warf ihm sein Gegner, ein kleiner wendiger und ungemein schneller Kerl, den Degen grinsend vor die Füße. Die Klinge fuhr tief in den Sand und blieb zitternd darin stecken.

      Hasard hatte keinen Gegner mehr.

      Er wollte zu einem letzten Stoß ausholen, doch da sah er das höhnische Grinsen des Piratenführers Yves Grammont, der ein paar Yards neben ihm stand, und begriff die ganze schreckliche Wahrheit.

      Er blickte sich um und schluckte hart. Überall sah er verzerrte höhnische oder überlegene Gesichter, die ihn musterten. Augen, in denen Triumph blitzte.

      Ja, er hatte eine Niederlage erlitten, das gestand er sich zähneknirschend ein. Daran gab es nichts zu rütteln. Da nutzten auch die Boote nichts mehr, die immer langsamer auf den Strand zupullten, als ahnten die Männer, daß jetzt ohnehin alles zu spät war.

      „Sieh mal da hin“, sagte Grammont gehässig und überlegen. „Du bist erledigt, Seewolf. Kein lausiger Köter nimmt mehr ein Stück Brot von dir. Es ist aus. Streich die Flagge!“

      Ein bitterer Zug erschien in Hasards Gesicht. Seine Männer hatten gekämpft wie in alten Zeiten, aber jetzt lagen sie im Sand und rührten sich nicht mehr, und er wußte nicht, ob sie noch alle lebten oder einige von ihnen den Kampf mit dem Leben bezahlt hatten.

      „Wirf den Degen weg!“ forderte Grammont laut. „Wirf ihn in den Sand, oder deine Kerle müssen dran glauben. Oder kapierst du immer noch nicht, was du hier siehst?“

      „Wenn auch nur einer tot ist“, sagte Hasard leise, „dann wirst du den Tag deiner Geburt verfluchen, Grammont.“

      Ein höhnisches Lachen war die Antwort. Buntgekleidete Piratengestalten drängten sich in Hasards Nähe und starrten ihn an. Grammont selbst stand breitbeinig im Sand, die Arme in die Hüften gestemmt, lachend, absolut überlegen.

      „Wirf den Degen weg!“ brüllte Grammont noch einmal. Gleichzeitig gab er den weiter hinten stehenden Kerlen mit der Hand ein Zeichen. „Wenn nicht, lasse ich deine Kerle abstechen, einen nach dem anderen!“

      Was Hasard sah, war absolut hoffnungslos.

      Da lag Ferris Tucker, eine Degenspitze am Hals. Er lebte, denn er funkelte vor hilfloser Wut mit den Augen. Nicht weit von ihm hockte der Profos Edwin Carberry, ebenfalls eine Degenspitze am Hals. Zwei weitere Kerle mit Pistolen umstanden ihn.

      Blacky und Big Old Shane wurden bewacht. Le Testu lag blutend und reglos im Sand, ebenfalls umringt von etlichen Kerlen. Zwischen ihnen stand die blonde Lucille, amüsiert, frech und arrogant, als hätte sie allein den Sieg davongetragen.

      Das war aber noch nicht alles. Aus den Augenwinkeln, Hasard hielt immer noch unschlüssig den Degen in der Hand, sah er, was da alles vor der Bucht aufgekreuzt war.

      Zu allem Überfluß erschien Easton Terry. Sein Gesicht war vor Haß verzerrt. Er hielt in der rechten Hand einen zum Schlag erhobenen schweren Säbel, und diese breite Klinge zielte genau auf Roger Brighton, der entwaffnet ebenfalls im Sand lag. Terry brauchte nur den Arm zu senken, dann war Roger ein toter Mann.

      Hasard stieß tief die Luft aus. Mit einer wütenden und gleichzeitig resignierenden Bewegung wollte er den Degen in den Sand werfen, denn er wußte, daß er das Spiel endgültig verloren hatte. Aber noch zögerte er und sah Grammont an.

      „Wer garantiert mir, daß meine Leute nicht umgebracht werden, wenn ich mich ergebe?“ fragte er heiser.

      Wieder lachte Grammont laut und stoßartig.

      „Du willst noch Garantien?“ fragte er höhnisch. „Ich gebe dir mein Wort, das ist die einzige Garantie.“

      „Das Wort eines Halsabschneiders ist nicht viel wert.“

      „Du hast weder Bedingungen zu stellen noch Garantien zu verlangen“, knurrte Grammont. „Und für jede weitere Beleidigung wird ab sofort einer der Kerle sterben. Gleich hier im Sand.“

      „Und dieser wird der erste sein!“ brüllte Terry wutentbrannt. „Ein geschlagener Mann hat nichts mehr zu fordern, er hat nur noch zu gehorchen. Und du wirst dir, verdammt noch mal, noch viel mehr Bedingungen anhören müssen, die wir stellen. Meine letzte Aufforderung, Killigrew: Gib auf, oder ich töte zuerst diesen Mann. Du hast gehört, was Grammont gesagt hat.“

      In Hasards Kehle hing ein dicker Kloß, als er den Degen von sich stieß, als hätte er glühendes Eisen in der Hand. Seine eisblauen Augen waren auf den Verräter Terry gerichtet, einen Kerl, dem er von Anfang an nie so richtig über den Weg getraut hatte, und der sich jetzt endgültig auf die andere Seite geschlagen

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