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nur der Tatsache, daß jeder an Bord sich scheute, die beiden Jungen und die kleine Liza mit der grausamen Realität einer Hinrichtung zu belasten. Aber nachdem man sich nun einmal für Gnade vor Recht entschieden hatte, konnte man auch nicht zusehen, wie der Bursche elend krepierte.

      „Na schön“, knurrte Hasard. „Holt ihn heraus und bringt ihn in die Mannschaftsmesse. Aber paßt auf, daß Trieberg ihm nicht an die Kehle geht.“

      „Aye, aye, Sir.“

      Ben Brighton schwang herum und stapfte wieder den Niedergang hinunter. Hasard spähte über die Kuhl. Ein Dutzend Männer standen am Schanzkleid und starrten in die ziehenden Nebelfetzen, da es in dieser Situation, driftend im Würgegriff des Eises, absolut nichts für sie zu tun gab.

      Martin Trieberg und Björn Springdaal waren unter ihnen. Auch sie waren Todfeinde gewesen. Die Schuld am Schicksal der Männer, die von den Meuterern auf der „Helsingborg“ ausgesetzt und im Sturm von Trieberg getrennt worden waren, konnte nichts und niemand Springdaal abnehmen. Aber der blonde Schwede hatte sich von Jayhawk losgesagt, sich gegen ihn gestellt und dabei das eigene Leben in die Schanze geschlagen. Martin Trieberg begriff, daß sein Gegner ein anderer geworden war. Die beiden Männer hatten sich die Hand gereicht – und jetzt sah es fast so aus, als seien sie Freunde geworden.

      Der Seewolf nickte Big Old Shane zu, löste sich von der Schmuckbalustrade und enterte ebenfalls den Niedergang hinunter.

      Er wußte, daß seine Männer immer noch eine Menge Wut im Bauch hatten. Trotzdem würden sie Jack Jayhawk nicht anrühren. Das war gar keine Frage, da war das Wort des Seewolfs ehernes Gesetz. Aber Martin Trieberg unterstand nicht Hasards Kommando. Und wenn er ehrlich war, mußte er sich eingestehen, daß er nicht wußte, was er selbst an Triebergs Stelle getan hätte. Die Situation, daß acht Männer der „Isabella“ durch Jayhawks Schuld in der Eiswüste verschollen wären, wollte sich der Seewolf lieber gar nicht erst ausmalen.

      Er stand neben dem Schwarzwälder, als das Schott zum Vorschiff aufsprang.

      Ben Brighton und Blacky schoben den schwarzen Jack auf die Kuhl. Er hatte sich eine Felldecke umgehängt und klapperte haltlos mit den Zähnen. Sein bleiches, bärtiges Gesicht war noch gezeichnet von den Strapazen der Überwinterung an der Küste, die ihm und seinen Kumpanen in der elenden, aus Planken zusammengenagelten Hütte fast zum Verhängnis geworden wäre. Niemand konnte bezweifeln, daß die Hölle hinter ihm lag. Aber das hatte ihn nicht geläutert und seine verbrecherische Energie in keiner Weise geschmälert. Er war immer noch derselbe hinterhältige Halunke wie vorher.

      Martin Triebergs Haltung verkrampfte sich.

      Seine behandschuhte Rechte fuhr zum Griff des Säbels, der an seiner Hüfte hing. Hasard legte ihm ruhig die Hand auf die Schulter. Triebergs Kopf flog herum. Seine hellen Augen flackerten.

      „Acht Männer!“ stieß er hervor. „Er hat sie auf dem Gewissen, er allein! Dieses Schwein hat …“

      „Das weiß ich, Martin. Aber er ist wehrlos. Wollen Sie ihn wirklich wie eine Ratte erschlagen?“

      Triebergs Zähne knirschten.

      Einen Augenblick sah es so aus, als könne er den Haß, der in ihm tobte, nicht länger ertragen, als werde er im nächsten Augenblick die Nerven verlieren und sich auf seinen gefesselten Gegner stürzen. Dann atmete er heftig aus und schüttelte den Kopf.

      „Er ist eine Ratte“, sagte er heiser. „Er hat hundertmal den Tod verdient. Aber ich will mich nicht auf die gleiche Stufe mit ihm stellen, ich will nicht auch zum Mörder werden.“

      Hasard nickte nur.

      Er wartete ein paar Sekunden, bis Blacky und Ben Brighton den schlotternden Goldgräber in den Niedergang zur Mannschaftsmesse geschoben hatten, wo er sich aufwärmen konnte. Dann wandte er sich um und ließ den Blick über die Männer gleiten, die von den Strapazen der letzten Tage alle noch mehr oder weniger erschöpft waren.

      „Wir müssen aus dem Eis heraus“, sagte er. „Jede Stunde, die wir warten, verringert unsere Chancen. Diese verdammte Drift führt uns sonstwohin, aber nicht näher an die Passage nach Süden.“

      „Sprengen“, schlug der schwarzhaarige Stückmeister Al Conroy vor.

      „Sicher, Al Aber zunächst einmal müssen wir wissen, wo wir sprengen können. Deshalb werden wir einen Trupp losschicken, der das Eisfeld untersucht.“ Er lächelte matt. „Ich möchte freiwillige Meldungen von denjenigen, die sich tatsächlich noch in Form fühlen.“

      Sofort flogen zwölf Arme hoch.

      Wären mehr als dieses Dutzend Männer auf der Kuhl gewesen, hätte er auch mehr freiwillige Meldungen erhalten. Sie fühlten sich alle in Form, obwohl sie bis zum Umfallen gegen den Schneesturm gekämpft hatten und hinter den meisten ohnehin schon lange, anstrengende Märsche über das Eis lagen.

      „Die blöden Stinte können wohl den Hals nicht vollkriegen“, knurrte der Profos.

      Dabei übersah er großzügig, daß er selbst sich natürlich auch gemeldet hatte. Aber für den eisernen Profos galten eben besondere Maßstäbe, der marschierte noch, wenn andere nur noch kriechen konnten. Der Seewolf grinste.

      „Gut, Ed. Wir beide, Luke Morgan, Sam Roskill und Bob Grey. Einen Materialschlitten brauchen wir nicht, nur Musketen, Handkompaß und eiserne Ration. Al, du kannst inzwischen schon mal alles für die Sprengung vorbereiten.“

      „Aye, aye, Sir.“

      Der Stückmeister wandte sich um und verschwand im Niedergang. Björn Springdaal folgte ihm. Der Schwede verstand eine Menge von Sprengstoffen und hatte sein Talent schon bewiesen, als sie das Riff in die Luft jagten, auf das der Sturm die „Isabella“ geworfen hatte.

      Hasard und die anderen brauchten nicht lange, um sich vorzubereiten.

      Schon eine halbe Stunde später enterten sie über die Jakobsleiter ab: fünf Vermummte, in Felle gehüllte Gestalten. Ed Carberry erinnerte aus der Entfernung an einen zottigen Eisbären. Luke Morgan, Sam Roskill und Bob Grey gehörten alle drei nicht zu den Hünen. Aber sie waren kräftig und zäh, und da sie an einigen der anstrengenden Unternehmungen aus den letzten Tagen nicht teilgenommen hatten, waren sie weniger verausgabt als die meisten anderen.

      Der Seewolf übernahm die Führung.

      Schnurstracks marschierte er nach Westen, in die weißen, ziehenden Nebelschwaden. Die anderen folgten ihm, und schon nach wenigen Minuten konnten sie die „Isabella“ nicht mehr sehen.

      Sechs Männer waren es, die das Fellboot mühsam durch das Gewirr der Eisschollen steuerten.

      Walfänger. Überlebende der „Helsingborg“, von skrupellosen Meuterern mit einer lächerlich geringen Ausrüstung an Land gesetzt. Sie wußten nicht, daß ihr Schiff im Eis festsaß und auch die Meuterer in eine verzweifelte Lage geraten waren. Ein Schneesturm hatte sie von Martin Trieberg getrennt, und genau wie er verdankten sie ihr Leben einer Eskimo-Sippe, die sie gefunden und bei sich aufgenommen hatte.

      Jetzt versuchten sie, mit dem Boot an der Küste entlang den Weg nach Süden zu finden.

      Sie waren acht gewesen, als sie vor Wochen aufbrachen. Zwei hatte die eisige See geholt. Und auch die anderen sahen aus, als grinse ihnen der Sensenmann schon über die Schultern. Felle und Decken schlotterten um abgezehrte Gestalten. Die Gesichter waren eingefallen, fiebrig glänzende Augen lagen tief in den Höhlen. Die Lippen der meisten waren mit weißem Schorf bedeckt, Fetzen lösten sich aus ihrer Haut – der Skorbut, dem sie auch im Lager der Eskimos nicht hatten begegnen können. Ihre Gastgeber hatten kaum selbst genug zum Überleben. Es grenzte an ein Wunder, daß sie es geschafft hatten, acht Menschen durchzufüttern, die zu schwach waren, um sich an Jagd und Fischfang zu beteiligen. Als der Sommer begann, hatte man ihnen das Boot geschenkt – und damit die Chance, den Weg zurück in die Zivilisation zu finden. Aber die Vorräte waren schnell zur Neige gegangen, und es hatte Tage gegeben, an denen die Männer in ihrer Verzweiflung ausgekochte Seehundsfelle kauten, um den Hunger zu betäuben.

      An Land gruben sie Moos und Flechten aus dem Schnee, um den Skorbut

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