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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 609. Sean Beaufort
Читать онлайн.Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 609
Год выпуска 0
isbn 9783966880237
Автор произведения Sean Beaufort
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Bookwire
Immerhin ließ er sich herab, zwei faustgroße Stücke in den Kessel rutschen zu lassen. Der Junge versuchte, das Brot in einigermaßen gleichgroße Teile zu zerschneiden. Leise zählte er vor sich hin. Es gab jedesmal Ärger, wenn ein Stück fehlte oder sich einer aus der Crew benachteiligt fühlte. Die Auswanderer riskierten nicht, sich zu beschweren. Für das bißchen Geld, das sie für die Passage gezahlt hatten, hatten sie keine Extra-Behandlung zu erwarten.
„Die Butter war schon ranzig, als sie noch der Händler hatte“, bemerkte Taylor. „Du weißt, was das heißt, Bascott?“
„Na klar.“
Der Profos, der Proviantmeister und der Kapitän steckten höchstwahrscheinlich unter einer Decke. Sie stellten einwandfreie Ware in Rechnung, zahlten dem Schiffsausrüster für minderwertiges Zeug, und den Unterschied schoben sie in die eigenen Taschen. Ob die Mannschaft mit dem Fraß zufrieden war, interessierte sie nicht sonderlich. An die Pilger und die Kinder dachte keiner.
Daß es in der Kapitänskammer ein Sortiment erstklassiger Weine und guten Proviant gab, war unter den Offizieren ein offenes Geheimnis. Bascott hatte bisher noch keine Möglichkeit gefunden, sich mit irgendwelchen leckeren Sachen einzudecken. Er kochte seine Suppen so schlecht oder gut, wie er konnte.
„Bist du bald fertig?“ schrie er und rührte mit dem großen Holzlöffel in der Suppe herum. „Das ist ja nicht auszuhalten.“
Der Junge hatte die Brotkanten in Körbe gezählt und schaute traurig die Reste des Vorrats an. Die Brotlaibe schienen auf wundersame Weise kleiner zu werden und weniger dazu. Das hatte wenigstens den Vorteil, daß sie aufgegessen waren, bevor sie ganz verschimmelten.
„Was willst du?“
Der Junge hatte angefangen, die eckigen Stücke des Schiffszwiebacks auf dem Brett zu klopfen. Hin und wieder fiel ein kleiner Wurm heraus und bewegte sich über das Holz in eine Ritze. Das Klopfen des krümeligen Zwiebacks marterte die Ohren des Kochs.
„Beeil dich mit der Klopferei. Die Kerle sollen die Würmer ruhig fressen. Dann haben sie wenigstens Fleisch zu ihrer Suppe!“ schrie Bascott und wischte sich mit der fettigen Hand über die Glatze.
Der Junge hob die mageren Schultern und klopfte weiter. Erst merkten sie es nicht, aber dann schob sich eine Gestalt in die Kombüse, von der sie nur den Rücken sahen. Als er sich umdrehte, erkannten sie Mister Harris.
Die meisten Crewmitglieder nannten ihn nur „Harris mit den Falten“. Der Spitzname kennzeichnete den Ersten Offizier sehr gut, denn die tiefen Querfalten auf seiner Stirn zeigten deutlich, daß er seine eigenen Gedanken über Schiff, Mannschaft und Passagiere hatte.
Harris nahm seine Aufgabe sehr ernst. Stundenlang spazierte er an Deck herum, kletterte in alle Laderäume und Lasten hinunter, schwieg und betrachtete das dichtgepackte Durcheinander mit ruhigen Augen.
Wenn er seine Befehle gab, dann in überlegener Ruhe und fehlerfrei. Er schien alles zu sehen. Hin und wieder schenkte er einem Auswanderer ein zögerndes, aufmunterndes Lächeln, das sein Gesicht völlig veränderte.
Langsam hob er die Schultern und den Kopf, warf einen Blick zur rußigen Decke und blickte in die merkwürdig gelben Augen des Kochs.
„Was hast du an wohlschmeckend den Überraschungen da im Kessel?“ erkundigte er sich mit ausdrucksloser Miene. „Ich hoffe, ein Löffel davon bringt mich nicht um?“
Der Koch grinste bereitwillig. Um seinen Mund bildete sich ein fettes Lächeln, das Harris nur als tückisch deuten konnte. Er hütete sich, es dem Fetten zu sagen. Am Ende dieser Atlantiküberquerung würde auch der Koch eine Figur wie eine Rahstenge haben.
„Hier, Sir. Man kann es essen und davon satt werden. Ich kann nur mit dem kochen, was ich habe.“
„Begreiflich.“
Der Erste, den viele fürchteten, weil er in seinen Handlungen nicht so berechenbar war wie der Finsterling, der Kapitän, nahm einen Löffel, drehte ihn prüfend vor den Augen und tauchte ihn vorsichtig in die Suppe, die Bascott diensteifrig umrührte. Dann nahm er ebenso zurückhaltend eine Kostprobe des bräunlichen Gebräus, das dampfend in dem Kessel schwappte. Er schluckte und gab Taylor den Löffel zurück.
„Ich bin sicher, daß die Suppe besser sein könnte“, sagte er kühl und nahm sich vor, die Proviantlast noch einmal genauer zu inspizieren. „Da ich aber nicht weiß, womit sie sich verbessern läßt, gebe ich diesmal keinen Rat. Schließlich wollt ihr die Mannschaft nicht umbringen, wie?“
„Auf keinen Fall, Sir. Wie ich schon erklärt habe …“, begann der Koch.
Harris winkte ab und sagte in unüberhörbarer Schärfe: „Das Schiff ist schwer beladen. Es sind zu viele Menschen an Bord. Alles muß unternommen werden, um Krankheiten zu vermeiden. Ich will nicht auf einem Totenschiff segeln.“
„Sir“, wandte Bascott ein, und sein verschlagenes Grinsen vertiefte sich, „ich habe meine Befehle. Ich versuche, für jeden an Bord zu kochen, was die Last hergibt. Ich habe nichts anderes. Ich schmecke alle paar Stunden das Wasser ab, damit es die Leute nicht krank werden läßt.“
„Es wird sich zeigen“, brummte der Erste, nickte den Männern zu und enterte aus der Kombüse. Auch ihn störten der Rauch und der Gestank, aber er konnte bei diesem unruhigen Seegang nicht riskieren, alle Luken zu öffnen. Als die ersten Züge seine Lungen mit Seeluft füllten, fing er zum drittenmal an, die Auswanderer zu bedauern.
Er begab sich auf den Weg hinauf zur Kampanje und zur Hecklaterne. Das Wetter verhieß nicht viel Gutes. Obwohl an einigen Stellen die Planken rott zu werden schienen, war die „Discoverer“ kein schlechtes Schiff. Seine Befürchtungen würden sich beim ersten heftigen Sturm als falsch oder richtig erweisen.
Sorgfältig kontrollierte er die Segelstellung, das laufende Gut und den Kurs. Im schwindenden Licht des frühen Abends suchte Harris mit dem Spektiv die Horizonte ab und sah die anderen Schiffe, meist noch weit unterhalb der Kimm.
Auf der Kuhl wurde zum Backen und Banken gerufen.
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