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schwankenden Planken fast um, hielt sich an der Koje fest und ließ sich auf die Knie sinken. Er begann, in seinen Gepäckstücken herumzukramen, aber die Suche brachte nicht den gewünschten Erfolg.

      Mit einemmal war er nicht mehr sicher. Hatte er nun eine Pistole, oder hatte er sie nicht? Oder hatte Cubera heimlich seine Kammer durchsuchen lassen? Auch das war möglich. Überhaupt, auf diesem Teufelsschiff waren sie zu jeder Schandtat fähig.

      Erschöpft ließ sich Don Antonio auf die Koje sinken. Er mußte Kräfte sammeln. Wenn er schon nicht schlafen konnte, dann wollte er doch wenigstens ein bißchen ruhen. Und mit der Zeit kam auch der erforderliche Rat. Vielleicht, dachte er und gähnte, suche ich nachher weiter. Vielleicht ist das Glück mir armem Teufel doch noch hold.

      Der spanische Kampfverband lag in den Nachtstunden des neuen Tages, des 21. Juli also, nach dem Schebecken-Angriff wieder vor Treibanker im Nicolas-Kanal. Die beschädigte Ruderanlage der einen Kriegskaravelle mußte repariert werden, wie verrückt war das Schiff nach der Attacke in den Wind geschossen. Ebenso war es einer anderen Karavelle, der „Gaviota“, ergangen. Sie war sogar derart stark ramponiert, daß sie mit einem Notruder den nächsten Hafen anlaufen mußte.

      Das war Remedios an der Nordküste von Kuba. Don Garcia Cubera hatte dem Kapitän der „Gaviota“ den offiziellen Befehl erteilt, den Hafen anzulaufen und dort ins Dock zu gehen. Die „Gaviota“ schied somit aus der Unternehmung aus, hatte jedoch den Auftrag, eventuelle in Remedios liegende spanische Kriegsschiffe über den Raid gegen die englischen Piraten zu informieren und um Unterstützung zu bitten.

      Der Verband – so hatte Don Garcia Cubera dem Kapitän der „Gaviota“ mitgeteilt – würde den ganzen 21. Juli über noch vor Treibanker liegen und erst am Abend mit Kurs Osten zum Süden weiter an der Küste entlangsegeln, so daß man sich auf der Höhe von Remedios treffen konnte.

      Aufgrund der bösen Erfahrungen der beiden letzten Nächte und der Gewißheit, daß zumindest zwei Gegner bereits gegen den Verband kämpften, ließ Cubera auch in dieser Nacht die Jollen der einzelnen Schiffe ausschwärmen, um den Verband nach allen Seiten hin gegen etwaige neue Angriffe abzuschirmen. Immerhin war sein Verband zur Zeit um zwei Schiffe vermindert: Eine Kriegskaravelle war aus bisher noch ungeklärten Gründen gesunken, und man hatte nur Trümmerteile westlich der Cay-Sal-Bank gefunden. Das zweite Schiff war die „Gaviota“, die jetzt mit schwerstem Ruderschaden nach Remedios verholen mußte.

      Don Garcia Cubera stand auf dem Achterdeck der „San José“ und dachte erneut über die bisherigen Ereignisse nach. Vieles war ihm rätselhaft, aber folgende Punkte hatte er doch recherchieren können: Bei den beiden bisher festgestellten Gegnern handelte es sich – aus seiner Sicht – um einen Zweimaster, der laut Bericht der Jollenführer, die sich bereits mit der Besatzung dieses Schiffes herumgeschlagen hatten, von einer Negerin kommandiert wurde und mit dunkelhäutigen Männern besetzt sein sollte.

      Ob das wirklich stimmte? Cubera sah keinen Grund, an den Darstellungen seiner Leute zu zweifeln. Gewiß, es gab einige unter ihnen, die vieles übertrieben und besonders farbig ausgeschmückt wiedergaben. Doch die Jollenführer waren nüchterne, salzgewässerte Männer, die aufmerksam zu beobachten verstanden und nicht unter Einbildungen litten. Sie hatten von einem „Negerweib“ gesprochen, und sie täuschten sich gewiß nicht.

      Farbige also, die sich von einer Frau kommandieren ließen. Was für eine Bande war das? Nun, er würde es durch zähe Nachforschungen vielleicht doch noch herausfinden.

      Bei dem anderen Gegner sollte es sich um die Schebecke des Don Juan de Alcazar handeln. Der Kapitän der „Gaviota“ hatte sie deutlich gesehen, und er hatte seinem Kommandanten gegenüber noch nie etwas behauptet, das er nicht belegen konnte. Bei ihrem nächtlichen Angriff hatte er sie zweifelsfrei identifiziert.

      Cubera begriff die Zusammenhänge nicht. Die Schebecke war eine Prise des Don Juan de Alcazar, er hatte sie in den Hafen von Havanna überführt und dort vor Anker gehen lassen. Aber – sie war von den Soldaten des Gouverneurs unter Befehl des dann so plötzlich verstorbenen Stadtkommandanten Don Ruiz de Retortilla beschlagnahmt worden, soweit sich Cubera entsinnen konnte. Die kleine Mannschaft war ins Gefängnis geworfen worden, ganz abgesehen von der Ungeheuerlichkeit, daß ausgerechnet der Mann eine Frau ermordet haben sollte, der von der spanischen Krone beauftragt worden war, den englischen Kapitän Killigrew zur Strecke zu bringen. Don Juan ein Mörder – stimmte das denn wirklich?

      Das alles war höchst verwirrend und stand nicht miteinander in Einklang. Don Garcia Cubera fuhr sich mit der Hand übers Kinn und dachte angestrengt nach. Er wägte dieses und jenes ab und stellte verschiedene Theorien auf. Wenn sich Don Juan de Alcazar wieder in den Besitz der Schebecke gebracht hatte, warum bekämpfte er dann die eigenen spanischen Schiffe, die jetzt gegen jenen Feind segelten, den er doch eigentlich vernichten sollte?

      Cubera gelangte in dieser Nacht nicht zur Ruhe, denn natürlich beschäftigte ihn gleichzeitig auch der Gedanke an den Mordversuch, der an ihm vorgenommen worden war. Gomez Guevara, der Täter, war vom Bordgericht überführt worden. Und er hatte auch gestanden. Aber er hatte behauptet, von dem Gouverneur zu der Tat angestiftet worden zu sein. War es die Wahrheit?

      Don Antonio de Quintanilla hatte jede Anschuldigung heftig abgestritten und den verhinderten Mörder einen Schurken und Lügner genannt. Dabei handelte es sich bei dem Mann um seinen eigenen Kammerdiener, um eine Vertrauensperson also, die niemals in seinen Diensten hätte stehen können, wenn sie wirklich so verschlagen und unehrlich gewesen wäre, wie Don Antonio sie hingestellt hatte.

      Don Antonios Auftreten während der Verhandlung hatte Cubera eigentlich nur noch in seiner bisherigen Annahme bestätigt und bestärkt: daß nämlich der eigentliche Schuldige der Gouverneur war. Nur beweisen konnte er es nicht. Guevara hatte für sein Verbrechen mit dem Tod bezahlt. Don Antonio stand unter Kammerarrest, und daran würde sich auch nichts ändern. Später sollte er, seinem Rang als Gouverneur entsprechend, vor ein Gericht des Königs in Havanna gestellt werden.

      Da war tatsächlich einiges zu klären und zu untersuchen – zum Beispiel der Versuch des Gouverneurs, ihm, dem Kapitän, die Kommandogewalt über den Verband zu entziehen. Oder sein plötzlicher Entschluß, das Unternehmen gegen die Engländer wieder abzublasen. Und wenn Cubera daran dachte, wie der Dicke sich an Bord der „San José“ aufgeführt hatte, stieg ihm sowieso nachträglich die Galle hoch.

      Eine Kriegsgaleone war kein Lustfahrzeug zur Erbauung eines Gouverneurs der spanischen Krone. O nein! Hier wurde ein harter Dienst versehen, unter der permanenten Bedrohung eines unbekannten Gegners, der nachts tollkühn und mit offensichtlichem Erfolg angriff. Was sollten die Allüren eines Don Antonio, was bezweckte er mit seinem ganzen unhaltbaren Auftreten?

      Don Garcia Cubera folgte einem plötzlichen Entschluß – oder sollte er ihn lieber eine Eingebung nennen? Irgendwie hatte er das Gefühl, er könne die wahren Hintergründe noch erfahren – jetzt. Alles würde sich aufklären, man mußte nur den entsprechenden Schlüssel in der Hand haben.

      Er verließ das Achterdeck der „San José“. Der Erste Offizier übernahm solange das Kommando. Cubera begab sich ins Achterkastell und suchte Don Antonio de Quintanilla auf, vor dessen Kammer wie üblich ein Posten Wache stand. Er bedeutete dem Mann, zur Seite zu treten, und öffnete das Schott.

      Mit grimmiger Genugtuung stellte Cubera fest, daß auch dem Gouverneur der Schlaf abging. Er hockte auf seiner Koje und hielt einen Kelch in der rechten Hand, der zur Hälfte mit schwerem Portwein gefüllt war. Mit der Linken schob er sich nahezu ununterbrochen die kandierten Früchte in den Mund, die Cuberas Widerwillen hervorriefen. Überhaupt, er verspürte fast Ekel, wenn er sah, wie Don Antonio aß und mit Portwein nachspülte. Nie zuvor hatte er einen Mann gesehen, der derart viele Süßigkeiten in, sich hineinzustopfen vermochte.

      Don Antonio ähnelte zur Zeit einer in die Enge getriebenen, allerdings sehr fetten Ratte. Dieser Vergleich drängte sich Cubera auf, als er in die Kammer trat und das Schott hinter sich schloß.

      Don Antonio sah zu ihm auf. Sofort schien er zu begreifen, daß der Capitán etwas von ihm wollte, und entsprechend fiel seine Reaktion aus. Sofort richtete er sich auf, und seine alte Überheblichkeit war wieder da.

      „Capitán,

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