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und sich zu befreien versuchte. Gegen die vielen Fäuste hatte er jedoch keine Chance mehr. Ein Tau wurde um seine Beine geschlungen, sie streiften ihm die Schlinge über, und dann hängten sie ihn sehr schnell auf.

      Der Gerechtigkeit war Genüge getan. Die Volksseele hatte sich abreagiert, und alle waren zufrieden.

      In Abo aber gab es noch immer Trümmer, abgebrannte Häuser und Gebäude. Der Wind wirbelte die Asche durch die Stadt, und die Gehenkten schaukelten bei jedem Luftzug am Galgen.

      Totentanz in Abo.

      Einen Tag, bevor das große Hängen in Abo stattfand, war die „Isabella“ mit Ostkurs ausgelaufen.

      Durch die Brandstiftung war das gesamte Holzlager des Kaufmannes Heikki Lahtinen abgebrannt, mit dem Hasard gute Handelsbeziehungen angeknüpft hatte.

      Die Arwenacks hatten auch bei dem Aufräumen und den Löscharbeiten kräftig mitgeholfen, aber der Schaden, den Korsumäki angerichtet hatte, war nicht wiedergutzumachen. Das kostbare Holz war ein Raub der Flammen geworden.

      Jetzt lag die „Isabella“ auf Ostkurs in Richtung Wiborg. Hasard hatte von Lahtinen und auch von seinem Vetter Arne von Manteuffel ein paar wertvolle Tips erhalten, die sich auf den Handel mit Pelzen aller Art bezogen. Ein Empfehlungsschreiben des Holzhändlers Lathinen besaß der Seewolf ebenfalls, das ihn bei dem Pelzhändler Birger Runeberg einführen sollte.

      Auch für gute Seekarten hatte Lahtinen noch gesorgt. Hasard hatte jetzt Kartenmaterial und Segelanweisungen für den Finnischen Meerbusen und alle größeren Hafenstädte bis hinauf nach Wiborg.

      Die Stimmung an Bord der „Isabella“ war prächtig, fast geruhsam war das Leben.

      Das Schiff lief unter Vollzeug auf Ostnordostkurs seinem Ziel entgegen, nachdem die Arwenacks Hangö gerundet hatten.

      Am blauen Himmel kreisten zwei große Vögel. Ähnlich wie Albatrosse hingen sie auf weitausgebreiteten Schwingen in der Luft und ließen sich treiben.

      An Backbord war die finnische Küste zu sehen. Hasard verglich immer wieder die Karten und war erstaunt, wie gut und genau sie waren, denn in diesen Küstengewässern war das Segeln und Manövrieren wahrhaftig kein Kinderspiel.

      An Bord bestand aller Grund zur Zufriedenheit. Carberrys Kopfstreifschuß war für ihn selbst schon so gut wie vergessen. Die Schulterwunde von Luke Morgan, den der Profos seines Jähzorns wegen gern eine „aufgebraßte Pulverflasche“ nannte, verheilte prächtig.

      Auch Hasards Platzwunde am Kopf, verursacht durch einen Steinwurf, bereitete keine Beschwerden mehr. Die Wunde war verschorft, und der besorgte Kutscher, der sie am liebsten dreimal täglich kontrollierte, war mit dem Ergebnis zufrieden.

      Blieb noch Old O’Flynn, der sich in Abo den Knöchel verstaucht hatte und immer noch unter leichten Beschwerden litt. Erst wollte er seine Krücken wieder zu Hilfe nehmen, doch es ging ihm gegen den Strich, damit an Deck herumzuhumpeln und den anderen ständig im Wege zu sein. So hielt er sich meist in der Nähe des Schanzkleides auf, damit er sich notfalls festhalten konnte, und betrachtete sein Holzbein, das Ferris Tucker ihm kürzlich angefertigt hatte.

      An dem Holzbein war nichts auszusetzen, doch Old O’Flynn betrachtete es trotzdem immer noch eingehend wie einen neuen Erwerb, der ihn ganz besonders freute.

      Das einzige, was den salzgetränkten Alten jedoch mit leichtem Mißtrauen erfüllte, war der Bordhund Plymmie, so genannt nach dem dikken Wirt und Schnapphahn der „Bloody Mary“ und auf sein ruppiges Fell bezogen, das anfangs an Plymsons Perücke erinnerte, jetzt aber seidig und glatt war, seit die Zwillinge Lady Plymmie in ihre Obhut genommen hatten.

      Old O’Flynn sah düster auf den Hund, genauer die Hündin, die sich ebenfalls für das Holzbein zu interessieren schien. Insgeheim befürchtete er nämlich, daß Plymmie sein Holzbein vielleicht für ein kleines heranwachsendes Bäumchen halten könnte.

      „Wenn du Beutelratte jetzt das Beinchen hebst“, sagte er grollend, „dann lernst du den alten Donegal aber von der ganz üblen Seite kennen.“

      „Nur Rüden heben das Bein, Grandad“, wurde der Alte ziemlich hochnäsig von Philip junior belehrt. „Weibchen hocken sich dazu immer hin, die heben kein Bein.“

      „Trotzdem“, beharrte Grandad eigensinnig, „vielleicht weiß Plymmie nicht, daß sie kein Rüde ist, oder sie guckt es einem anderen männlichen Hund ab.“

      „Das geht gar nicht“, meinte Philip, „das ist jedem angeboren. Du hockst dich ja auch nicht auf den Boden und guckst es keinem …“

      „Willst du Taschenkrebs mir jetzt Vorträge halten“, schnauzte der Alte seinen Enkel an. „Was ich weiß, das weiß ich.“

      „Ich auch“, sagte Philip grinsend, „und ich weiß inzwischen verdammt viel.“

      So war an Bord also alles in bester Ordnung, und der Friede lag fast sichtbar über allen Decks, wenn da nicht die Sache mit den Hühnern gewesen wäre, denn da bahnte sich nun etwas an, und wenig später wurde aus dem behaglichen Bordfrieden ein Krieg, der immer weiter eskalierte und die „Isabella“ in ein Tollhaus verwandelte.

      Dabei fing alles ganz harmlos an.

      2.

      Der Kutscher hatte zusammen mit Mac Pellew fünfzehn lebende Hühner von einem Bauern in Abo erstanden. Der Bauer, der sie im Hafen anbot, hatte auch gleich die drei passenden Verschläge dazugeliefert, und so befand sich das Federvieh nun auf der Kuhl.

      Verstaut und festgezurrt waren die drei Käfige übereinander unter dem überdachten Freiraum des achteren Backbordniederganges. Niemand störte sie dort, bis auf den Arakanga-Papagei Sir John, der hin und wieder mal eine kurze Attacke flog, wenn das Gegacker allzu laut wurde. Seine Angriffsoperationen endeten jedoch immer vor den vergitterten Frontseiten der drei Verschläge.

      Dann stoben die Hühner jedesmal hoch und begannen aufgeregt zu flattern.

      Auch Plymmie kam hin und wieder mal, um zu schnüffeln, ebenso der Schimpanse Arwenack, dem das Viehzeug nicht ganz geheuer war. Sir John aber trieb es mit seinen Sturzflügen am tollsten, und er scheute sich auch nicht, auch mal kräftig zwischen die Gitter zu hakken. Die Hühner, anfangs heillos erschreckt, revanchierten sich später mit kräftigen Schnabelhieben. Das vergrößerte natürlich das Konzert, bis Hasard der Kragen platzte, als Sir John wieder eine Attacke segelte und kreischend lamentierte.

      Er sah den Profos grinsen, als Sir John vor dem Käfig zeterte und üble Tiraden vom Stapel ließ. In Carberrys Blick lag dabei ein gewisses Maß an Wohlwollen, vermutlich weil „sein“ Sir John sich cleverer benahm als die dämlichen Hühner.

      „Mister Carberry!“ rief Hasard vom Achterdeck. „Wie lange soll man sich dieses Gekreische und Gezeter eigentlich noch anhören? Sieh endlich zu, daß der verdammte Sir John von den Verschlägen ferngehalten wird. Das ist ja nicht zum Aushalten. Bring den Vogel weg, oder binde ihn an der Rah fest.“

      Ein wüstes, narbiges und ungläubig verzogenes Gesicht blickte nach oben.

      Das beleidigte „Aye, aye, Sir“, tropfte so zäh wie dicker Haferbrei von seinen Lippen. Der Profos war sauer, von wegen verdammter Sir John, und so. Die lausigen Hühner waren schuld – wer sonst!

      Er brachte den Papagei aber doch fort, mit biestigem Gesicht und unter leisem Fluchen. Auf der Kuhl setzte er ihn halb zusammengefaltet in die Webeleinen des Großmastes.

      Sir John zeterte und schrie. Er ratterte kreischend die ganze Skala seines blumenreichen Wortschatzes herunter und beleidigte die unschuldigen Ahnen des Profos’ aufs allerübelste. Auch die anderen mußten sich eine ganze Menge anhören.

      Inzwischen war auch der Kutscher auf der Kuhl erschienen, und da hatte der Profos endlich ein Objekt, an dem er Dampf ablassen konnte.

      Eine gewisse Hinterhältigkeit lag in seinem Blick, als er den nichtsahnenden Kutscher musterte. Der würde jetzt für den Anschiß herhalten müssen, das war nur gerecht, denn schließlich

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