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blinzelte verblüfft. Es verschlug ihm glatt die Sprache.

      „Die rechtliche Lage ist folgendermaßen“, fuhr Arne lächelnd fort, „damals war dein Vater, Godefroy, der Erstgeborene. Wenn dieser nun aus irgendwelchen Gründen das Erbe nicht antreten kann, geht das Erbrecht auf den Zweitgeborenen über. Das war in diesem Fall Hasso von Manteuffel, mein Vater.“

      „Ein bißchen kompliziert“, sagte Hasard mit einem staunenden Kopfschütteln.

      „Das muß es wohl sein. Aber es geht noch weiter. Hat nun der Erstgeborene einen männlichen Erben – das wärst in unserem Falle du –, dann geht der Familienbesitz Alt-Quetzin wiederum auf ihn über. Vorausgesetzt, daß er alt genug ist, das Gut zu übernehmen, so heißt es in den Regularien. Aber diese Frage stellt sich bei dir natürlich nicht.“ Arne lächelte erneut. „Nun muß der Zweitgeborene zurücktreten oder das Gut solange verwalten, bis der rechtmäßige Erbe es übernehmen kann. Kurzum: Das Recht über Alt-Quetzin bleibt also gewissermaßen in einer Familienlinie, bis diese ausstirbt oder zugunsten der Nebenlinie verzichtet. Es ist nicht schön, davon zu reden, jedoch – nach deinem Tod wäre also Hasard junior, der ältere deiner beiden Söhne, der rechtmäßige Erbe von Alt-Quetzin.“ Arne lehnte sich zurück und sah Hasard erwartungsvoll an.

      „Du lieber Himmel!“ rief der Seewolf. „Das muß ich erst einmal verdauen.“

      Die Eröffnungen Arnes waren mehr als überraschend. Nicht etwa deshalb, weil Hasard vorhatte, auf sein Recht zu pochen und das Gut zu übernehmen. Nein, dies weckte Erinnerungen an seine Kindheit und an jene Jahre, die vor seinem Erinnerungsvermögen lagen.

      Da hatte es die Hansekogge „Wappen von Wismar“ gegeben. Auf ihr hatten ihn die Brüder seiner Mutter damals als Säugling nach Deutschland abschieben wollen. Und wäre nicht die raffgierige Lady Killigrew gewesen, die die Kogge im Hafen von Falmouth überfallen und ausplündern ließ, so hätte sein Leben einen völlig anderen Verlauf genommen. Das stand unumstößlich fest. Und noch eins stand fest. Hasard sagte es laut.

      „Ich werde dieses Erbe nicht antreten, Arne.“

      Arne beugte sich verblüfft vor.

      „Warum nicht? Es ist nicht etwa so, daß meine Familie davon abhängig wäre. Außerdem – in diesen paar Minuten kannst du das doch noch gar nicht richtig überlegt haben.“

      „Doch, ich denke schon. Die Dinge liegen für mich völlig klar. Ich kann nicht etwas beanspruchen, was mir meinem Gefühl nach nicht zusteht. Sicher bin ich von der Blutsverwandtschaft her ein von Manteuffel.“ Hasard schüttelte den Kopf. „Ein Gedanke, der für mich immer noch merkwürdig ist. Das mußt du verstehen.“

      Arne nickte schweigend.

      „Ich bin in England bei den Killigrews aufgewachsen“, fuhr Hasard fort, „und diese Kinder- und Jugendjahre sind nicht wegzuwischen. Ich bin dadurch zum Engländer geworden. Mein ganzes Leben wurde dadurch geprägt.“

      Arne von Manteuffel schwieg noch eine Weile.

      „Ich habe mit dieser Antwort gerechnet“, sagte er dann, „weil ich selbst nicht anders reagiert hätte.“

       2.

      Man schrieb den 9. April anno 1593.

      Mit rauschender Fahrt, bei halbem Wind über Backbordbug segelnd, liefen die „Isabella“ und die „Wappen von Kolberg“ auf die Küste von Hinterpommern zu. Die Mittagsstunde war eben vorüber, der Himmel über der Baltischen See versteckte sich hinter schweren grauen Wolken. Der Monat April, soviel hatten die Arwenacks zur Genüge feststellen können, zeigte, daß er in diesem Teil Europas zu Recht als launisch bezeichnet wurde. Mit einem baldigen Regenguß war jedenfalls zu rechnen.

      Die beiden Galeonen erreichten die Mündung der Persante, und nach und nach schälten sich die Umrisse der Hafen- und Handelsstadt Kolberg aus dem Dunst. Den Männern, die zum Aufgeien der Segel in die Wanten gescheucht wurden, bot sich zum Lohn für die harte Arbeit der schönste Überblick.

      Die Mauern und Türme der Stadt zeugten vom Reichtum ihrer Einwohner, aber auch von der Kraft und Entschlossenheit, das Erworbene zu verteidigen. Trutzige Mauern waren es, die auch vermuten ließen, wie sich diese Ansiedlung zu immer mehr Wohlstand entwickelt hatte.

      Die Hafenanlagen, vor den entfesselten Naturgewalten der See hervorragend geschützt, beherbergten einen Mastenwald von beträchtlichen Ausmaßen. Die Frachtsegler, die an Piers und Duckdalben vertäut hatten, stammten überwiegend aus den Ländern rings um die Ostsee. Neben den Skandinaviern gab es etliche polnische und auch holländische Schiffe. Von den letzteren wußte der Seewolf, daß sie in jüngster Zeit mit ziemlichen Anstrengungen in den Tuchhandel eingestiegen waren. In der Mehrzahl waren hier in Kolberg naturgemäß die deutschen Schiffe vertreten, wobei dies wiederum für die meisten von ihnen der Heimathafen war.

      Neugierige scharten sich vor den Lagerhäusern und Kontoren am Kai zusammen, nachdem der „Isabella“ und der „Wappen von Kolberg“ ihre Liegeplätze zugewiesen worden waren. Aber auch von den anderen Schiffen waren interessierte Blicke festzustellen, zum Teil nicht ohne einen gewissen Neid. Denn die schlanke englische Galeone war schon allein von ihrem äußeren Bild her ungewöhnlich. Den fast ausnahmslos fachmännischen Blicken blieb nicht verborgen, daß dieser Segler aus dem fernen Britannien über Eigenschaften verfügen mußte, die man nur ahnen konnte. Denn soviel stand fest: einen Dreimaster von dieser neuzeitlichen Bauart hatte man hier in Kolberg noch nicht gesehen.

      Eindeutig auch, daß die „Isabella“ nicht allein für friedliche kaufmännische Zwecke gebaut worden war. Bei einem Registergewicht von runden 550 tons und einer Länge von 52 Yards verfügte die Galeone über eine beachtenswerte Armierung. Hinter den jetzt geschlossenen Stückpforten verbargen sich drei 25-Pfünder auf beiden Seiten des Quarterdecks, drei 17-Pfünder je Seite auf dem darunterliegenden Deck, vier 25-Pfünder auf beiden Seiten der Kuhl und drei weitere 17-Pfünder pro Seite unter der Back. Außerdem gab es je zwei Drehbassen auf der Back und auf dem Achterdeck.

      Nachdem die Segel aufgetucht und die „Isabella“ und die „Wappen von Kolberg“ vertäut worden waren, hatten die Männer an Deck Gelegenheit, sich in der näheren Umgebung umzusehen.

      Auf der Kuhl der englischen Galeone wandten sich unvermittelt alle Augenpaare nach Backbord, als die Zwillinge lebhaft zu gestikulieren begannen.

      „Schon wieder so ein lausiger Don!“ rief Hasard junior, der seine Zunge nicht im Zaum halten konnte.

      „Jetzt treiben sie sich sogar hier schon herum!“ fügte Philip junior prompt hinzu.

      Auf dem Achterdeck griffen der Seewolf und Ben Brighton zu den Spektiven. Hasard beschloß, sich seine beiden Söhne später vorzuknöpfen. Die beiden gerieten in jene Jahre, die man auch als „Flegelalter“ bezeichnete. Hinzu gesellte sich ihr Temperament, und so fiel es ihnen manchmal höllisch schwer, gründlich über das nachzudenken, was sie von sich gaben. Wie oft hatte er ihnen bereits eingebleut, daß man auch einem Gegner gegenüber Fairneß zu üben hatte – in Taten und in Worten. Sie wußten das verdammt genau. Er würde sie gehörig daran erinnern müssen.

      Auf dem Hauptdeck stemmte Ed Carberry die Fäuste in die Hüften, schob das Rammkinn vor und starrte der Crew nach, die sich samt und sonders der Neugier hingab.

      „Welcher Wurm ist euch ins Hirn gekrochen?“ brüllte er. „Ihr glaubt wohl, ihr seid schon fertig mit dem Aufklaren, was, wie? Wenn ihr nicht auf der Stelle …“

      Smoky, der breitschultrige Decksälteste, drehte sich um und unterbrach ihn mit einem Grinsen.

      „Sei nicht so pingelig, Mister Carberry. Hier liegt was in der Luft, sage ich dir. Da wird man doch mal einen Blick riskieren dürfen.“

      Der Profos der „Isabella“ kratzte sich am Hinterkopf. Seine Haarpracht, die er in Wiborg nach einer Wette mit Luke Morgan verloren hatte, begann neu zu sprießen. Dichte Stoppeln bedeckten bereits seinen Schädel, und er verzichtete deshalb seit ein paar Tagen auf die Pelzmütze, die er bisher zur Tarnung

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