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      Impressum

      © 1976/2017 Pabel-Moewig Verlag KG,

      Pabel ebook, Rastatt.

      eISBN: 978-3-95439-721-1

      Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

       Burt Frederick

Ehrenhändel

      Inhalt

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

       1.

      Dünn und klagend wehte der Glockenklang. Lebensbäume standen groß und düster, das dichte Zweigwerk von Böen zerzaust. Die vielköpfige Schar der Menschen harrte unter peitschenden Regenschwaden aus.

      „Asche zu Asche, Staub zu Staub …“ Die Worte des Geistlichen wurden vom Wind davongetragen.

      Das Gesicht Arne von Manteuffels war wie aus Stein. Starr haftete sein Blick auf dem Sarg, der nun ins Grab gesenkt wurde. Eine heulende Bö zerrte an dem Blumenschmuck, als sollte der Toten auch dieses nicht mehr gegönnt werden.

      Philip Hasard Killigrew spürte einen Druck in der Kehle, von dem er sich nicht befreien konnte. Mit jeder Faser seiner Gedanken konnte er nachempfinden, wie grausam der Schmerz für Arne sein mußte. Das Liebste auf der Welt war ihm genommen worden. Für Arne gab es keine Hoffnung mehr an diesem grauen Aprilmorgen. Und nur der letzte Rest seiner inneren Kraft hielt ihn aufrecht.

      Die Männer, die ihre Schiffe im Hafen von Rügenwalde zurückgelassen hatten, standen stumm und ergriffen. Sie alle, die salzgewässerten Rauhbeine von der „Isabella IX.“ und der „Wappen von Kolberg“ erschauerten noch immer bei der Erinnerung an das furchtbare Geschehen – jenen Moment des Entsetzens, in dem Gisela Freiin von Lankwitz von der Kugel des Meuchelmörders getroffen wurde.

      Gewiß, der Mörder hatte dafür mit dem eigenen Leben bezahlt, ebenso wie seine niederträchtigen Kumpane. Doch niemals konnte das den Schmerz Arne von Manteuffels tilgen und niemals; die Trauer der Männer, die mit ihm fühlten.

      Nach der Beisetzung führte der Weg der Trauergemeinde vorbei an der Kirche von Rügenwalde. Dort hatten Arne und Gisela noch in diesem Monat vor den Traualtar treten wollen.

      Dieser 7. April des Jahres 1593 sollte in bitterer Erinnerung bleiben, durch den Schmerz unauslöschlich eingeprägt in das Gedächtnis der Menschen, denen die Freiin von Lankwitz etwas bedeutet hatte.

      Am Abend dieses grauen, wolkenverhangenen Tages kehrte Arne von Manteuffel nach Rügenwaldermünde zurück. Eine einspännige Kutsche des Gutes derer von Lankwitz brachte ihn bis zum Liegeplatz der Schiffe. Es war bereits fast dunkel geworden. Die Hecklaterne der „Isabella“ streute matte Helligkeit aus, auf den Planken und Verschanzungen schimmerte die Nässe des Regens. Anheimelndes Licht fiel aus den kleinen Fenstern der Achterdeckskammern.

      Arne von Manteuffel wollte seine Schritte der „Wappen von Kolberg“ zuwenden, als er seinen Vetter erblickte. Hasard, der am Schanzkleid der Kuhl stand, hob die Hand zu einem stummen Gruß. Arne verharrte am Fuß der Stelling. Der Kutscher wendete und trieb das Pferd zurück in den trüben Abend.

      „Ich will dich nicht bedrängen“, sagte der Seewolf, „aber ich würde dich jetzt gern bei mir an Bord sehen.“ Er wußte, daß er für diese Worte keinen Übersetzer brauchte und sein Cousin ihn auch so verstand. Ohnehin hatten sie seit ihrer ersten Begegnung in Wisby auf Gotland schon viel von der sprachlichen Barriere abgebaut, die sie trennte. Auch menschlich waren sie einander näher. In der kurzen Zeit ihres Zusammenseins hatten sie immer häufiger feststellen können, daß sie aus dem gleichen harten Holz geschnitzt waren.

      „Woher wußtest du …?“ Arne sprach den Satz nicht zu Ende, während er zu seinem Vetter aufblickte. Da war etwas, das seine Stimme erstickte, und sein Gesicht hatte noch immer diesen wie versteinerten Ausdruck.

      „Ich habe die Kutsche gehört“, entgegnete Hasard. „Komm an Bord. Ich will nicht, daß du dich verkriechst.“

      Arne nickte mit zusammengepreßten Lippen. Dann enterte er über die Stelling auf. Seine Bewegungen waren müde wie die eines alten Mannes, der den größten Teil seines Lebens hinter sich hat.

      Hasard gab Gary Andrews einen Wink. Gary war als Bordwache eingeteilt, und er verstand, daß Nils Larsen nun doch als Dolmetscher gebraucht wurde. Hasard legte seinem Vetter den Arm auf die Schulter und führte ihn in die Behaglichkeit der Kapitänskammer. Wenig später war Nils zur Stelle, der seit jenem denkwürdigen Zusammentreffen in Wisby ein besonderes Vertrauensverhältnis in der Beziehung der beiden Vettern erworben hatte.

      Der Seewolf nahm eine Flasche Rotwein aus dem Schapp, stellte Gläser auf den Tisch und hängte den regenfeuchten Umhang seines Vetters weg. Dann setzte er sich Arne gegenüber. Nils schenkte ein. Der Wein funkelte rubinrot im geschliffenen Kristall.

      „Ich fühle mich elend“, sagte Arne leise, „weil ich Giselas Familie alleingelassen habe. Einerseits glaubte ich mich verpflichtet, in ihrer Nähe zu bleiben. Andererseits hatte ich aber auch das Gefühl, daß sie in ihrer Trauer unter sich bleiben möchten, obwohl sie das natürlich nicht gesagt haben.“ Arne atmete tief durch, wie nach einer schweren Anstrengung.

      Nils übersetzte so zügig und lückenlos, wie die Männer es schon seit vielen Gelegenheiten gewohnt waren. Es entstanden keine störenden Gesprächspausen, und für die beiden Vettern war es fast so, als sprächen sie die gleiche Sprache. Hasard hob das Glas und nickte Arne zu.

      „Ich, meine, du hast richtig entschieden“, sagte der Seewolf, „die Eltern Giselas betrachten dich sicher nicht als einen Fremden. Trotzdem werden sie ihre Trauer in erster Linie als eine Familienangelegenheit empfinden. Sie haben Erinnerungen an ihre Tochter, die du mit ihnen nicht teilen kannst.“

      Arne nickte mit starrer Miene und drehte das Glas zwischen seinen Fingern. Dann hob er den Kopf und sah Hasard fragend an.

      „Ich weiß ein wenig über dein Schicksal, aber …“

      Hasard lächelte kaum merklich.

      „Du hast recht. Was ich gesagt habe, klingt schulmeisterhaft. Das ist es aber nicht.“ Er zögerte einen Moment, preßte die Fingerspitzen gegeneinander, und schließlich gab er sich einen Ruck. Mit wenigen Worten, um nicht seine eigenen Belange in den Vordergrund zu rücken, berichtete er über den tragischen Tod seiner Frau Gwendolyn, der Mutter seiner Söhne Philip und Hasard. Die Naturgewalten hatten ihm Gwen entrissen, damals, im Sturm bei der Flucht nach Calais.

      In Arnes Augen entstand deutliche Betroffenheit.

      „Das habe ich nicht gewußt. Es tut mir leid, daß ich an deinen Feststellungen gezweifelt habe. Dann ist Dan O’Flynn dein Schwager? Und Old Donegal dein Schwiegervater?“

      „So ist es. Aber diese Zeit liegt hinter uns. Der alte Donegal und sein Sohn waren zumindestens genauso betroffen

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