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angepaßt und konnten unbehelligt – womöglich noch von den Bewohnern der Gegend als fromme Männer geehrt und geachtet – ihr Unwesen treiben.

      Wie er jetzt aus eigener Erfahrung wußte, verlegte dieses Gesindel seine Beutezüge in entferntere Gegenden und hauste sonst hier am Rio Tejo in meisterhafter Tarnung.

      Felipe wurde aus seinen Gedankengängen gerissen. Ein Stoß gegen den Rücken dirigierte ihn zum Backbordschanzkleid.

      „Nur nicht einschlafen“, herrschte ihn Fernandez an. „Die hübsche Gegend kannst du noch lange genug genießen. Aber vergiß nicht, Freundchen: Wenn du hoch einmal versuchen solltest, uns Ärger zu bereiten, dann fackeln wir nicht lange. Es gibt dort drüben genug Bäume mit kräftigen Ästen, an denen man einen Kerl wie dich zappeln lassen kann. Auch am nötigen Tauwerk fehlt es uns nicht.“

      Die Schnapphähne hatten bereits zwei Boote abgefiert und bemannt. Felipe wurde gleich im ersten Fahrzeug in Empfang genommen und mußte auf der mittleren Ducht Platz nehmen. Während Margarida und die anderen Mädchen an Deck gebracht wurden, stießen die Piraten das Boot bereits von der Bordwand ab.

      Felipe fühlte Wut und Enttäuschung in sich aufsteigen, denn er hatte gehofft, wenigstens auf einem der Boote mit Margarida zusammenzutreffen. Er hätte ihr so etwas Mut zusprechen können. Aber genau das wollten diese Teufelsmönche offenbar vermeiden.

      Fernandez, der sich auf der achteren Ducht niedergelassen hatte, schien Felipes Gedanken zu erraten.

      „Aus einer gemeinsamen Spazierfahrt mit deiner hübschen Gespielin wird leider nichts“, sagte er mit beißendem Spott. „Aber du kannst beruhigt sein, wir werden sie rührend betreuen.“

      „Sogar mit Himmelsspeck werden wir sie füttern, damit sie noch hübscher wird!“ rief ein anderer.

      Das Boot wurde rasch zum nahen Ufer gepullt. Das zweite, in dem man einige der Mädchen untergebracht hatte, folgte sofort.

      Margarida war dabei. Ihr langes, schwarzes Haar und ihre ranke Gestalt war für Felipe unübersehbar. Als er sich auf dem Weg zu dem alten Gemäuer noch einmal umdrehte, überfiel ihn erneut das zermürbende Gefühl der Hilflosigkeit.

      Temperamentvoll wie Margarida war, versuchte sie, sich von ihren Bewachern loszureißen. Sie war in Freiheit aufgewachsen und wollte sich nicht ein ungewisses Schicksal aufzwingen lassen.

      Aber sie hatte nicht die geringste Chance. Einer der falschen Mönche zerrte sie brutal hinter sich her, ein anderer hatte – um sie und die anderen einzuschüchtern – einen Dolch gezückt.

      Felipe biß die Zähne zusammen, zumal er keine Möglichkeit sah, ihr zu helfen. Im Augenblick blieb ihm nur die Hoffnung, bald eine Gelegenheit zur Flucht zu finden, damit er Hilfe herbeiholen konnte. Das war zwar nur eine vage Hoffnung, aber der junge Fischer klammerte sich daran wie ein Ertrinkender an einen Strohhalm.

       6.

      In der langgezogenen Mündung des Rio Tejo beherrschten zahlreiche Kleinsegler und Fischerboote das Bild. Von der Schebecke der Seewölfe nahm kaum jemand Notiz. Man war hier an fremde Schiffe gewöhnt, zumal an solche, die die spanische Flagge führten.

      Der schlanke Dreimaster segelte über Backbordbug liegend auf den Hafen von Lissabon zu. Eine Schar hungriger Möwen flatterte mit lautem Geschrei über die Masttoppen und stürzte sich auf die Küchenabfälle, die der Kutscher über Bord gegeben hatte.

      „Den armen Vögelchen ist wohl auch der Proviant ausgegangen“, meinte Carberry. „Hört’s euch nur gut an. So jämmerlich schreit man, wenn man richtigen Kohldampf hat.“

      Der Profos hatte eine mitleidige Miene aufgesetzt, während er mit der rechten Hand liebevoll seinen Magen tätschelte.

      Der Kutscher, der die leere Abfallpütz in der Hand hielt, lächelte verhalten.

      „Man schreit nicht nur jämmerlich, wenn man vom Hunger geplagt wird“, sagte er, „sondern man wird auch ganz bescheiden. Schau dir die lieben Vögelchen nur an, Ed – unsere Abfälle scheinen ein wahres Festmahl für sie zu sein.“

      „Pfui Teufel“, entfuhr es dem Profos. „So was könnte mir nicht mal der schlimmste Hunger reintreiben. Kein gesitteter Christenmensch würde deine Kombüsenabfälle anrühren. Nicht mal mit dem kleinen Finger.“

      Der Kutscher winkte ab.

      „Wenn man wirklich Hunger hat, kann man fast alles essen“, erklärte er. „Und was der eine verabscheut, ist für den anderen vielleicht eine Delikatesse. Oder könntest du dir vorstellen, einen schönen fetten Hirschkäfer zu verspeisen?“

      Carberrys Gesicht wirkte angewidert.

      „So ein Schweinkram!“ stieß er hervor. „Da wird man ja grün im Gesicht, wenn man nur daran denkt.“

      „Na bitte“, fuhr der Kutscher fort. „Du wirst grün im Gesicht, und den alten Römern lief schon beim Gedanken an das köstliche Mahl das Wasser im Munde zusammen. Die haben die niedlichen Käfer nämlich mit Weizenmehl gemästet, sie dann geröstet und als Delikatesse verkauft. Doch vielleicht hätte das wilde Reitervolk der Hunnen etwas für deinen Geschmack zu bieten. Diese verwegenen Burschen ritten rohes Fleisch unter ihren Pferdesätteln mürbe und verspeisten es dann mit Kräutern und Gewürzen.“

      Der Profos rollte mit den Augen und preßte beide Pranken gegen den Magen. „Hör sofort auf, du Zwiebelhacker! Ich nehme alles, was ich gegen deine Kombüsenabfälle gesagt habe, zurück. Und bevor du eine Suppe davon kochst, schauen wir uns doch lieber ein bißchen auf den Märkten von Lissabon um.“

      Die Arwenacks grinsten und bemühten sich, den Speisezettel der Römer und Hunnen schnell wieder zu vergessen. Noch hatte der Vorrat des Kutschers ausgereicht, um alle Mann satt zu kriegen. Und was die Portugiesen für die Kombüse zu bieten hatten, würde man ja bald sehen.

      Hasards Blicke waren auf das Dächergewirr gerichtet, das Backbord voraus auftauchte.

      „Lissabon ist eine schone Stadt“, sagte er. „Sie baut sich von der Uferfront her fast wie ein Amphitheater auf.“

      „Du hast recht“, pflichtete ihm Big Old Shane bei, der sich mit nachdenklichem Gesicht durch den grauen Bart strich. „Die Stadt wirkt majestätisch und ist ein bedeutender Handelsplatz. Man kann sich nicht so recht erklären, warum sich die Portugiesen jetzt schon achtzehn Jahre lang vom spanischen König herumkommandieren lassen, ohne dem Burschen mal auf die Finger zu klopfen.“

      Hasard zuckte mit den Schultern. „Das ist Politik, Shane, und da ist manches schwer zu verstehen. Manchmal gleichen ganze Länder und Völker den Figuren auf einem Spielbrett. Die Mächtigen schieben sie nach Belieben hin und her, je nachdem, was sie sich davon versprechen.“

      Der Seewolf spielte damit auf Ereignisse im Jahre 1580 an. Der Kardinal-König Henrique, ein Sohn Manuels I., war gestorben, und mit ihm die Dynastie Aviz. Portugal fiel damit an den spanischen König Philipp II., der ein Enkel Manuels I. war. Auf diese Weise sorgte die Erbfolge wieder einmal dafür, daß alles „in der Familie“ blieb.

      „Im übrigen sollten wir den Einfluß der Dons nicht vergessen, wenn wir in Lissabon an Land gehen“, fügte Hasard hinzu. „Es kann nicht schaden, wenn wir ab jetzt wieder in unsere vielgeübte Rolle schlüpfen und uns als Spanier ausgeben. Außer dem Kutscher sollten die ausgesprochenen Blondschöpfe unter uns besser an Bord bleiben.“

      Der Seewolf dachte dabei in erster Linie an Bob Grey, Roger Brighton, Stenmark, Piet Straaten, Jan Ranse sowie Nils Larsen und Dan O’Flynn. Die anderen Arwenacks würden im Gewimmel einer großen Hafenstadt nicht sonderlich auffallen, zumal auch die spanische Sprache, die von vielen Portugiesen verstanden wurde, kein Problem für sie war.

      Hasard ließ einen Teil der Segel bergen, das Schiff verlangsamte seine Fahrt. Besonderes Aufsehen erregte es nicht, da außer den Franzosen und Spaniern auch die Portugiesen Schebecken als Handelsschiffe benutzten.

      Im Hafen von Lissabon herrschte ein

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