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keine Extrawurst gibt.“

      Der Profos verschluckte sich fast an einer Blattnudel.

      In den nächsten Minuten war ihm anzusehen, wie er sich ehrlich anstrengte, an dem teigigen Gericht Gefallen zu finden.

      Das Essen im Hause Nócciolo hatte gut zwei Stunden gedauert. Gigliola hatte mehrere Vorspeisen und einen Hauptgang mit köstlich gesottenem Fisch zubereitet. Zum Abschluß gab es würzigen Käse und frisches Brot, das erst am Morgen dieses Februartages 1598 gebacken worden war.

      Gigliola brachte eine neue Flasche Rotwein und zog sich in die Küche zurück, um das Geschirr zu spülen.

      Blacky hatte die ganze Zeit über keine Chance gehabt, auch nur ein paar Sekunden mit der hübschen Händlerstochter allein zu sein.

      Auch jetzt, während draußen das Zwielicht der beginnenden Abenddämmerung einsetzte, war er gezwungen, seine Aufmerksamkeit dem Hausherrn zu widmen.

      Wie Porfirio Nócciolo die Flasche entkorkte, war es ein geradezu weihevolles Zeremoniell. Im Licht der beiden Öllampen, die über dem blankgescheuerten Tisch blakten, funkelten kleine Reflexe auf dem rubinroten Wein, als Porfirio ihn in die kristallenen Gläser schenkte.

      Blacky hatte die samtene Weiche dieses Tropfens zu schätzen gelernt. Ein einfacher, aber dennoch edler Vino, den der Händler Jahr für Jahr von einem Weinbauern aus den Bergen bezog – nur für den privaten Gebrauch, wie Porfirio versichert hatte.

      Längst waren die beiden Männer per Du. Da Gigliolas Vater der eindeutig redseligere war, kannte Blacky fast die gesamte Lebensgeschichte des fülligen kleinen Mannes.

      Das Wohnzimmer des schlichten Hauses am nordöstlichen Stadtrand von Cagliari strahlte nach Blackys Eindruck unvergleichliche Behaglichkeit aus. Für die späteren, kühleren Stunden des Abends befanden sich sauber aufgeschichtete Holzscheite im Kamin. Die Möbel waren aus dunklem Holz und bildeten einen wirkungsvollen Kontrast zu den weißgetünchten Wänden. Gerahmte Kupferstiche zeigten eine Hafenszene in Cagliari, Fischerboote auf dem Meer und Frauen bei der Weinlese in den Bergen.

      Porfirio hob sein Glas. Blacky tat es ihm nach, und sie ließen das Kristall aneinanderklingen.

      Nachdem sie einen Schluck getrunken hatten, sah sich der Händler verstohlen zur Küche hin um. Aber da war nur das Geschirrklappern zu hören, das von Gigliolas Geschäftigkeit zeugte.

      Porfirio beugte sich über den Tisch und flüsterte mit Verschwörermiene: „Ich habe etwas Wichtiges mit dir zu besprechen, Blacky. Du bist ein weitgereister Mann, und du weißt vermutlich Dinge, von denen ich keine Ahnung habe. Außerdem bist du Engländer. Den Engländern gehört die Zukunft.“

      „Woher willst du das wissen?“ entgegnete Blacky grinsend. „Zumal du doch von bestimmten Dingen keine Ahnung hast, wie du selbst zugibst.“

      „Mit den Spaniern geht es bergab. Pas ist so ein Gefühl. Ich kann es nicht begründen. Aber darüber will ich nicht mit dir reden.“

      „Sondern?“

      Porfirio drehte sich sichernd um. Beruhigt wandte er sich wieder seinem Gegenüber zu. „Gigliola will nichts davon wissen. Sie sagt, ich hätte auf meine alten Tage Flausen im Kopf. Aber es geht mir nur ums Geschäft. Das kannst du mir glauben, Blacky.“

      „Ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln. Was ist es?“

      Porfirio nahm einen weiteren Schluck Wein. „Ich habe über einen berühmten Engländer gelesen, einen gewissen Sir Walter Raleigh.“

      „Ist mir bekannt“, sagte Blacky.

      „Persönlich?“ Der Händler sperrte die Augen weit auf.

      „Natürlich nicht. Ich bin ein einfacher Decksmann, Porfirio, kein Mann von Adel. Der Kapitän unserer Crew, Sir Philip Hasard Killigrew, hat den ausreichenden Rang, um mit einem Sir Walter zu verkehren.“

      „Nun, ihr Engländer seid in solchen Dingen ein bißchen zu genau.“ Porfirio winkte ab. „Aber darum geht es mir nicht. Dieser Sir Walter, heißt es, habe eine bei uns unbekannte Pflanze mitgebracht, die man Tabak nennt. Oder Tobak, Tobacco oder so. Lassen wir es bei Tabak, das klingt am einfachsten. Was weißt du darüber?“

      „Nicht viel.“

      „Sag es mir!“ drängte Porfirio. „Jede Kleinigkeit kann für mich wichtig sein. Sag mir alles, was du weißt.“

      „Warum, zum Teufel?“ Blacky setzte sein Glas an und nahm genußvoll einen langen Schluck. „Ich bin doch völlig unmaßgeblich. Außerdem weiß ich auch nur das, was ich von anderen gehört habe.“

      „Stell dein Licht nicht unter den Scheffel. Du bist in der Welt herumgekommen, ich dagegen über die Stadtgrenzen von Cagliari nicht hinaus. Sag schon! Was hast du von Sir Walters Tabak gehört?“

      „Man stopft das Zeug in tönerne Pfeifen, zündet es mit einem Kienspan an und atmet den Qualm ein.“

      „Wer ist ‚man‘?“

      „Die Ladys und Gentlemen in Adelskreisen. In London soll es sogar schon sogenannte Rauchsalons geben. Aber ich habe nie einen gesehen. Das kann ich also nicht bestätigen.“

      „Aber es kommt in Mode, das Rauchen?“

      Blacky nickte. „In den größeren Städten der Neuen Welt stolzieren die Dons qualmend herum. Daß sie damit eine Angewohnheit des roten Mannes nachahmen, stört sie kein bißchen.“

      „Und ihr Engländer? Ahmt ihr Sir Walter nach?“

      „Ich jedenfalls nicht. Und er hat diesen Tabakkram von einer Expedition mitgebracht. Ob die königliche Lissy davon erbaut war, ist mir nicht bekannt. Jedenfalls hat sie die Qualmerei nicht verboten.“

      „Daran hat sie gutgetan“, sagte Porfirio mit eifrigem Nicken. „Wie ich schon sagte: England gehört die Zukunft.“

      „Ich verstehe nicht, was die Zukunft mit Tabak zu tun hat.“ Blacky blickte unauffällig an der Schulter seines Gastgebers vorbei. Porfirio hatte nicht bemerkt, daß das Klappern in der Küche verstummt war.

      Gigliola lehnte im offenen Durchgang zwischen den beiden Räumen und sah Blacky voller Sehnsucht an.

      Er versuchte, ihr seinerseits mit Blicken mitzuteilen, daß er sich mächtig anstrengen würde, um das Gespräch unter Männern so bald wie möglich zu beenden. Gigliola zog sich leise seufzend zurück und fuhr fort, in der Küche zu hantieren – wohl mehr, weil ihr nichts anderes übrigblieb.

      Porfirio ergriff Blackys Unterarm. „Tabak, mein Junge, ist die Zukunft. In England hat man erkannt, welche Bedeutung diese neue Ware und welche Bedeutung der Handel damit hat. Die Spanier haben das noch nicht begriffen. Und jene, die sich drüben in Neu-Spanien am Tabakrauch erfreuen, denken nur über eins nach – wie sie ihren Tagesablauf so angenehm wie möglich gestalten können. Nicht aber über die großen, weltweiten Zusammenhänge.“

      Blacky ergriff die Weinflasche und schenkte das Glas seines Gegenübers voll.

      „Ich verstehe“, sagte er, während er in sein eigenes Glas nur ein paar Tropfen fließen ließ. „Du bist also der Meinung, daß die Engländer den künftigen Welthandel mit Tabak an sich reißen werden.“

      „Vielleicht nicht auf die Dauer. Aber sie werden immer ein gewichtiges Wort mitzureden haben. Davon bin ich überzeugt.“

      Blacky hob sein Glas und prostete ihm zu. „In Ordnung, und warum erzählst du mir das alles?“

      Porfirio trank und senkte seine Stimme abermals zum Flüsterton. „Ich will in den Tabakhandel einsteigen, mein Junge. Und du könntest mir dabei helfen. Verstehst du? Knüpfe in England für mich Verbindungen an, werde mein Agent, mein Dolmetscher und, wenn du dich mit Gigliola gut verstehst, auch …“ Er grinste und winkte ab. „Lassen wir das. Zuviel Zukunftsmusik bringt Unglück. Halten wir uns an das, was wirklich greifbar ist. Und das ist der Tabak. Ich werde hier in Cagliari das Monopol haben, Blacky. Und wenn wir beide clever genug sind, bauen wir sogar das Monopol

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