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einem Schiffshauer absolut vergleichbar.

      Die Müdigkeit des einsamen Mannes war wie weggeblasen. Der Wille zu überleben hatte seine Kraft von einem Herzschlag zum anderen wieder geweckt.

      Sie tauchten so plötzlich auf, daß er erschrak.

      Ihre Helme und Brustpanzer waren grelle Fremdkörper in der grünen Hölle. Sie bewegten sich langsam in der Schneise, die er geschlagen hatte, nach allen Seiten sichernd.

      Zwei Soldaten waren es. Junge Männer noch. Ihre Gesichter wirkten bleich und schmal unter den großen Helmen. Der Tropensonne setzten sich diese Nachfahren der Conquistadores nur selten aus. Lederer kannte das Leben in den spanischen Garnisonen der Neuen Welt. Wo immer es der Dienst erlaubte, zog man sich in die Schatten der Unterkünfte zurück und träumte von der Heimat, vom goldenen Spanien, das noch immer der Nabel der Welt war.

      Er dachte daran, ob sie wirklich bereit waren, für ihre Heimat zu sterben. So jung und ahnungslos, wie sie aussahen, war der Tod in ihrem Bewußtsein sicherlich nicht allgegenwärtig. Vielleicht stellten sie ihn sich als heldenhaftes Geschick auf dem Schlachtfeld oder im Gefecht zur See vor. Der Dampfkessel des venezolanischen Dschungels bot solche Ehre nicht. Hier war der Tod lautlos.

      Johannes Lederer ließ sie bis auf zwei Schritte heran.

      Sie zögerten angesichts der umgestürzten Baumriesen und schienen von einer Ahnung befallen zu sein. Die Musketen, die sie der Dienstvorschrift entsprechend in den Händen hielten, waren wenig nütze für einen Kampf im Dickicht.

      Jäh schnellte Lederer hoch. Das Haumesser wirbelte aus seiner Rechten mit flirrendem Reflex.

      Noch vor dem dumpfen Aufprall flankte der Deutsche mit einem federnden Satz über den Baumstamm.

      Der vorderste der beiden Soldaten sank in sich zusammen.

      Vergeblich versuchte der andere, die Muskete in Anschlag zu bringen. Angesichts der geringen Entfernung war es ein lächerlich wirkender Versuch. Lederer war bei ihm, bevor er die Waffe auch nur hochreißen konnte. Er schlug ihn mit dem Knauf der Radschloßpistole nieder.

      Einen Moment verharrte er regungslos. Dann war er sicher, daß weitere Verfolger noch nicht in unmittelbarer Nähe waren. Eilends nahm er das Haumesser wieder auf. Für den Soldaten, den es getroffen hatte, gab es keine Rettung mehr. Den anderen, der nur bewußtlos war, konnte er nicht umbringen. Er war kein Mann, der um des Tötens willen tötete. Stets hatte er sorgfältig abgewogen, welches Gegengewicht er für sein eigenes Leben in die Waagschale werfen durfte, ohne sein Gewissen belasten zu müssen.

      Johannes Lederer ließ die Lichtung hinter sich zurück und setzte seinen beschwerlichen Weg durch das Gewirr der Schlingpflanzen fort. Er wußte, daß ihm die Verfolger sehr bald dichter auf den Fersen sein würden. Der kurze Schlaf hatte ihn wertvolle Zeit gekostet. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis sie die beiden Männer fanden, die er überwältigt hatte.

      Keuchend arbeitete er sich voran. Jetzt war es wieder das vielstimmige Geschrei der Tropenvögel, das ihn begleitete. Hoch oben unter dem Laubdach der Baumriesen bewegten sie sich majestätisch gelassen mit buntgefiederten Schwingen. Der Mensch, der dazu verdammt war, sich beschwerlich wie ein Kriechtier auf dem Erdboden zu bewegen, mußte in ihren Augen klein und erbarmenswürdig erscheinen.

      Lederer war nicht mehr sicher, ob es ihm noch gelang, seine ursprüngliche südwestliche Fluchtrichtung beizubehalten. Er wußte, wie leicht man die Orientierung verlor und sich im Kreis bewegte. Aber er verfügte auch über eine gewisse Erfahrung, was den tropischen Regenwald betraf, denn es war seine dritte Reise nach Venezuela. Er kannte dieses Land, dessen ungebändigte Natur für den Menschen lebensfeindlich sein konnte. Wenn seine Rechnung aufging, mußte er irgendwann auf die Küste im Norden des Golfes von Paria stoßen.

      Schaffte er das, so bedeutete es keineswegs schon große Hoffnung. Sein weiteres Schicksal war immer noch in höchstem Maße ungewiß. Sicher konnte er sich eine Weile bei jenen Indios aufhalten, die den Weißen gegenüber keine Feindseligkeiten hegten. Aber ebensogut konnte er auch einem der blutrünstigen Kannibalenstämme in die Hände fallen, die in der Gegend der Orinoco-Mündung beheimatet sein sollten.

      Hilfe, vor allem für seine Gefährten, konnte er nur dann erwarten, wenn er eine der deutschen Niederlassungen im Landesinneren erreichte.

      Gewissensbisse wegen seiner Flucht hatte Johannes Lederer nicht. Auch kannte er Gerhard von Echten und die anderen gut genug, um zu wissen, wie sie die Dinge betrachteten. Nur dadurch, daß er den Spaniern entronnen war, konnten die anderen auf Befreiung hoffen. Sie wußten, wie sie ihn einzuschätzen hatten. Er war nicht der Mann, der nur um seiner selbst willen das Weite suchte.

      In welcher Form er seinen Gefährten Hilfe bringen konnte, war allerdings noch sehr zweifelhaft. Zwar gab es Niederlassungen seiner Landsleute in Venezuela, doch waren diese Stützpunkte mehr für Handels- und Forschungszwecke eingerichtet. Über eine nennenswerte bewaffnete Truppe verfügte man hier nicht – nichts jedenfalls, was man einer spanischen Festung entgegensetzen konnte. Die Befreiung der Gefangenen konnte folglich nur durch einen raffiniert geplanten Handstreich gelingen.

      Ein Sinnesimpuls ließ Johannes Lederer in seinem schweißtreibenden Vordringen innehalten.

      Er blinzelte, schloß die Augen und öffnete sie wieder. Aber es gab keinen Zweifel. Helligkeit drang durch das sich lichtende Grün.

      Wieder hob er das Haumesser und zertrennte die Stränge der Schlingpflanzen mit heftigeren, wild entschlossenen Schlägen. Die Helligkeit nahm zu, und plötzlich stach Sonnenlicht in seine Augen. Im Schutz einer Mangrovenwurzel verharrte er, ungläubig staunend.

      So weit sein Blick reichte, dehnte sich die Wasserfläche. Im schwachen Wellengang funkelten Millionen von Lichtreflexen der Sonne. Geblendet schloß Johannes Lederer abermals die Augen. Er hätte einen Triumphschrei ausstoßen mögen. Es mußte der Golf von Paria sein, den er erreicht hatte, nichts anderes, keine Sinnestäuschung. Deutlich spürte er jetzt auch den klareren Luftzug, der die stickige Feuchtigkeit des Dschungels überlagerte.

      Als er wieder hinsah, hatten sich seine Pupillen genügend an die gleißende Helligkeit gewöhnt, um Einzelheiten zu erkennen. Bis zum seichten Uferwasser erstreckte sich blaßgelber Strand auf etwa hundert Yards. Und …

      Unwillkürlich zog er den Kopf tiefer zwischen die Schultern.

      Da waren die Umrisse eines Schiffes. Jetzt sah er es deutlich, woran ihn die Blendwirkung der Sonne zuvor noch gehindert hatte.

      Fassungslosigkeit packte ihn. Noch wußte er nicht, ob er in Freudengeheul ausbrechen oder sich in Niedergeschlagenheit ergeben sollte.

      Aber der Silhouette nach war dieses kein spanisches Schiff. Es war schlanker und flacher gebaut als die plumpen Galeonen der Dons, die so sehr an behäbige Seekühe erinnerten, wenn sie sich den Bauch mit Gold und Silber vollgeschlagen hatten.

      Nein, dieser Dreimaster war mit Gewißheit kein Spanier. Er zeigte keine Flagge, und es war unter den gegebenen Umständen wohl auch besser, daß er seine Nationalität nicht prahlerisch demonstrierte. Immerhin hatten die Dons absolute Vorherrschaft im gesamten Gebiet des Golfes von Paria. Der Kapitän dieses Schiffes mußte entweder ein eiskalter Draufgänger oder ein ahnungsloser Engel sein, wenn er sich bis hierher vorgewagt hatte.

      Der Bauweise nach war das Schiff eine Galeone. Lederer schätzte ihre Kapazität auf dreihundert Tonnen. Die Masten hatten Überhöhe, wodurch eine wesentlich größere Segelfläche als bei den traditionellen spanischen Galeonen erreicht wurde. Durch die flache Bauweise hatte auch das Achterdeck nur eine geringe Neigung. An den jetzt geschlossenen Stückpforten ließ sich abzählen, daß der Dreimaster über je acht Kanonen auf Backbord und Steuerbord verfügte.

      Das schlanke Schiff lag vor Anker und schwojte sacht um die Trosse. Bei angestrengtem Hinsehen erkannte Johannes Lederer die Umrisse der Männer an Deck wie scharf gezeichnete Schatten.

      Sie fierten ein Beiboot ab.

      Was veranlaßte sie, an diesem menschenleeren Küstenstreifen an Land zu gehen? Sofern es darum ging, Vorräte zu ergänzen, hatten sie einen beschwerlichen Weg vor sich, bis sie landeinwärts

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