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war einer der Kerle Duvaliers, der nach einer Weile leise vor sich hin kicherte und dann mit seinem Häuptling zu flüstern begann. Dieser Mann hieß Alezan, was dem französischen „Fuchsrot“ entsprach. Tatsächlich hatte der Kerl eine solche Haarfarbe. Das war aber auch die einzige Ähnlichkeit mit dem Vierbeiner. Dessen Gerissenheit und Schläue war ihm vom Schöpfer allerdings vorenthalten worden, genauer gesagt, Alezan war ein totaler Blödmann. Der Mangel an geistiger Substanz wurde bei ihm durch Muskelkraft ersetzt, mit der war er bestens ausgestattet.

      So war es denn für Alezan typisch, daß ihm erst jetzt etwas einfiel, nämlich das Messer, das bei ihm nicht gefunden worden war, als man alle Kerle nach versteckten Waffen abgesucht hatte. Das Messer war an einer Stelle versteckt, wo niemand eine Waffe vermutete.

      Damit hatte es eine sehr einfache Bewandtnis. Neben seinen fuchsroten Haaren und den immensen Muskelpaketen war Alezan von der Schöpfung her mit zwei prächtigen O-Beinen ausgerüstet worden. Für die Kerle Duvaliers waren diese O-Beine ein steter Anlaß gewesen, darüber mehr oder weniger dämliche Witze zu reißen.

      Ob die krummen Beine nun daher stammten, daß Alezan in seiner Jugend zu viele Schweine gezählt hatte oder zu lange auf einem Bierfaß geritten war, darüber mochten die Witzbolde streiten. Viel wichtiger war die Tatsache, daß Alezan mit seinem blöden Kopf eine Bemerkung aufgegriffen und verwirklicht hatte, nämlich den praktischen Hinweis, er könnte doch zwischen seinen O-Beinen eine Waffe verstecken.

      Seitdem lebte der fuchshaarige Kerl mit einem Messer, das er sich in einer Lederscheide an die Innenseite seines linken Oberschenkels gebunden hatte. Bei der tonnenartigen Krümmung seiner Beine behinderte ihn das nicht weiter, auch nicht beim Gehen, er ging ja sowieso breitbeinig.

      Seit zwei Jahren trug er das Messer samt Scheide an dieser Stelle spazieren und hatte sich so daran gewöhnt, daß er zeitweise kaum noch an die Existenz dieser Waffe dachte.

      In seinem dummen Kopf war die Erinnerung daran aufgeblitzt, als der indianische Krieger oben am Lukensüll mit dem Messer herumhantiert hatte.

      Und da hatte er gekichert und seinem Häuptling zugeflüstert, er habe auch ein „Messerchen“, denn zwischen seinen Beinen hätten die englischen Bastarde nicht herumgefummelt, um nach verborgenen Waffen zu suchen.

      Da war Duvalier doch zunächst buchstäblich die Spucke weggeblieben.

      Dieser Schwachkopf hatte ein Messer! Und das sagte er jetzt erst!

      Unter anderen Voraussetzungen wäre für Alezan eine wüste Abreibung fällig gewesen. Dieser Idiot! Duvalier hatte Mühe, seine Wut zu unterdrücken. Gleichzeitig wurde ihm aber auch klar, daß mit dem Vorhandensein dieses Messers eine völlig neue Situation entstanden war.

      Dieses Messer war wie ein Silberstreif am trüben Horizont.

      Erregt schob sich Duvalier näher an Alezan heran. Das war gar nicht so leicht, weil man ihnen auch die Füße gefesselt hatte. Und die Hände waren ihnen auf dem Rücken zusammengebunden worden, das hatten noch die Engländer besorgt, und die wußten, wie man einen Gefangenen verschnürte, so daß er keine Chance hatte, die Fesseln selbst zu lösen.

      Es bedurfte einer schweißtreibenden Rutscherei, bis beide Kerle so lagen, daß Duvalier den linken Oberschenkel Alezans abfingern konnte. Dabei kicherte der Fuchsrote in einer Tour, und er kicherte noch mehr, als Duvalier nach dem Messer tastete, das unter der Hose verborgen war.

      „Pssst!“ zischte Duvalier wütend.

      „Ich bin so kitzlig!“ flüsterte der Blödmann.

      Duvalier hätte ihn erwürgen können.

      „Reiß dich zusammen!“ flüsterte er scharf. „Sonst geht alles schief!“

      Mardengo hatte längst die Ohren gespitzt und war aufmerksam geworden.

      „Was geht schief?“ fragte er flüsternd.

      „Halt ’s Maul!“ lautete Duvaliers Antwort kurz und präzise.

      Die beiden Gruppen lagen getrennt voneinander. Das hatte sich schon ergeben, als sie sich in die Haare geraten waren und sich gegenseitig ihre Freundlichkeiten gesagt hatten. Im übrigen war es im Frachtraum so dunkel, daß sie einander nicht sehen konnten.

      Gleichviel war Mardengo neugierig geworden. Bei den Kerlen Duvaliers bahnte sich was an, und er wollte wissen, was das war.

      Oka Mama klärte ihn auf. Mit ihren scharfen Ohren hatte sie etwas aufgeschnappt und sich den Rest zusammengereimt.

      „Einer von diesen Hurenböcken hat ein Messer!“ zischte sie giftig.

      Mardengo war so verblüfft, daß er fast dümmlich zurückfragte: „Ein Messer?“

      „Ja!“

      „Die alte Hexe spinnt!“ In Duvaliers verhaltener Stimme war deutlich die Wut herauszuhören.

      Ja, das war jetzt das Problem. Duvalier hatte das sofort begriffen. Wenn sie sich befreiten und auszubrechen versuchten, ohne sich um Mardengo und seine Mistkerle samt der alten Schlampe zu kümmern, dann konnten diese elenden Hunde alles aufplatzen lassen.

      Prompt meldete sich auch Mardengo mit zuckersüßer Stimme, die dennoch schleimig und höhnisch klang.

      „Ei, ei! Was höre ich da?“ flüsterte er. „Ihr wollt uns doch nicht etwa verlassen, Freunde?“

      Duvalier schwieg. Aber er keuchte und war verbissen bemüht, mit den gefesselten Händen den Griff des Messers hochzuschieben. Die verdammte Hose spannte über dem Griff, und jetzt zischte er den Fuchshaarigen an, das linke Bein zu strecken, damit die Hose nicht so strammte.

      Mardengo, Oka Mama und seine Kerle lauschten lauernd, was sich auf der anderen Seite des Laderaums tat.

      „Huch!“ kicherte der dämliche Alezan.

      „Hör auf!“ zischte Duvalier in mörderischer Erbitterung. „Ich bring dich um, du Schwachkopf!“

      „Das kribbelt so!“ ächzte Alezan.

      „Halt ’s Bein still!“ fauchte Duvalier.

      Seine Hände waren schweißnaß, aber plötzlich spürte er, wie das Messer aus der Scheide rutschte. Es mußte jetzt auf dem linken Hüftknochen liegen. Er tastete an der Klinge herum, fand die Schneide und drehte sie nach oben. Dann glitten seine Hände zurück zum Griff, drückten ihn auf die Hüfte, so daß die Klinge angelüftet wurde, und stießen das Messer scharf in Richtung des Knies. Ein Reißen war zu hören, die Klinge ratschte durchs Hosenbein, es war geschafft.

      Duvalier fieselte das Messer aus dem Riß, krümmte sich zusammen, zog die Beine an und zertrennte sich selbst zuerst die Fußfesseln.

      Jetzt konnte er besser herumrutschen und legte sich Rücken an Rücken mit Alezan. Minuten später hatte er dessen Handfesseln durchgeschnitten und wurde seinerseits von Alezan befreit.

      „Wenn ihr denkt, ihr könnt ohne uns türmen“, sagte Mardengo leise und dennoch hart, „dann veranstalten wir hier ein Brüllkonzert, das bis nach Pensacola zu hören sein wird, verlaßt euch drauf!“

      „Mit einem Messerschnitt in der Kehle kannst du nicht mehr brüllen“, sagte Duvalier höhnisch.

      „Ich nicht, aber Oka Mama und meine Männer“, sagte Mardengo kalt. „So schnell kannst du uns alle gar nicht abmurksen, Duvalier. Und jetzt sei vernünftig! Wenn wir gemeinsam ausbrechen, haben wir bessere Chancen, als wenn ihr das allein versucht. Auf dieser Karavelle sind sechs indianische Wachposten. Wenn es uns gelingt, sie lautlos zu überrumpeln, sollte es auch möglich sein, mit der Karavelle zu verschwinden. Wir sind sechsundzwanzig Männer und eine Frau – genug, um das zu schaffen.“

      „Du willst mit der Karavelle verschwinden?“ fragte Duvalier lauernd.

      „Ja. Was sonst?“

      „Nicht über die verdammten Engländer herfallen?“

      „Bin ich verrückt?“ zischte Mardengo. „Ich weiß, wann ich keine Chance

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