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den Atem anzuhalten. Dann kam wieder Leben in die wie erstarrt dastehenden Gestalten.

      Hasard gab den Kieker kommentarlos an Dan weiter, weil der nun einmal die schärfsten Augen von allen hatte.

      „Kannst du erkennen, was es für eine Flagge ist?“ fragte der Seewolf.

      „Offenbar eine spanische. Die Farben sind verblaßt, das Tuch ist ausgebleicht und verwittert. Ich halte es für eine spanische Flagge.“

      „Also gibt es doch Überlebende“, sagte Hasard. „Wie sonst sollte sie hier wohl im Sand stecken?“

      Er blickte Al Conroy an, den Waffen- und Stückmeister, der mit aufgestützten Armen auf dem Handlauf des Schanzkleids auf dem Quarterdeck lehnte und den Anblick des Strandes genoß.

      Al Conroy nickte beruhigend.

      „Wir sind für alle Fälle feuerbereit, Sir. Aber es sind keine Boote zu sehen – und auch keine Menschen. Eine Hütte kann ich ebenfalls nirgends entdecken.“

      „Schon gut. Vorsicht ist immer angebracht. Haltet die Augen offen.“

      Kurz darauf stand fest, daß es sich tatsächlich um eine spanische Flagge handelte. Ausgefranst und zerschlissen wehte sie an dem eingerammten Flaggenstock im Sand. Sie befand sich vor einer Gruppe von Kokospalmen. Wie lange sie dort schon wehte, ließ sich nicht einmal erahnen.

      Sehr sorgfältig suchte Dan O’Flynn die Umgebung ab. Nach einer Weile schüttelte er den Kopf.

      „Kein Mensch, keine Behausung zu sehen. Vielleicht haben die Dons bei ihrer unfreiwilligen Landung die Flagge aufgestellt und sind dann nach und nach umgekommen.“

      „So weit von dem Wrack entfernt?“ entgegnete Hasard.

      Darauf wußte Dan O’Flynn auch keine Antwort.

      „Gut, nehmen wir an, es gibt ein paar Überlebende“, sagte Hasard. „Dann haben sie das Schiff ausgeräumt und sich irgendwo an Land häuslich eingerichtet. Das Wrack kann früher auch hier gelegen haben. Wind und Wellen haben es wieder mitgenommen und an anderer Stelle abgesetzt. Das ist ganz natürlich. Diese paar Überlebenden haben aber allerdings keine Kanonen, keine Drehbassen, denn die befanden sich noch auf dem Wrack, wie wir sahen.“

      „Was also heißt, daß sie uns auch nicht gefährlich werden können“, meinte Dan. „Und woraus weiter folgert, daß wir dort in der Nähe bei dem Flaggenstock vor Anker gehen.“

      „Du bist schon fast so ein Hellseher wie dein Vater.“

      Dan O’Flynn schüttelte grinsend den Kopf.

      „Ich überlege nur logisch, während Väterchen ja wohl richtig hinter die Kimm blicken kann.“

      „Auf dieser Reise hat er es noch nicht bewiesen. Aber lassen wir das. Wir gehen dort wirklich vor Anker und sehen uns einmal um. Mit der gebotenen Vorsicht natürlich.“

      Die ersten Segel wurden lose ins Gei gehängt. Die „Santa Barbara“ driftete auf ihrem Kurs parallel zur Küste dahin und folgte dem Verlauf des Strandes. Das Wasser war kristallklar. Bunte Fische schwammen ungeniert und furchtlos neben dem Schiff her. Eine Schildkröte war zu sehen, die neugierig den Kopf hob und das vorbeitreibende Ungeheuer musterte.

      Als der Anker gesetzt war, stieg Hasard mit ein paar Männern in die Jolle und pullte zum Strand.

      Hier gab es kein Riff und keine Brandung. Daher war es hier auch noch stiller als am anderen Liegeplatz. Die Ruhe wirkte fast beängstigend. Es war nur das leise Murmeln des Wassers zu vernehmen sowie die Geräusche, die sie selbst verursachten.

      Wie gebannt starrte Hasard zu dem Flaggenstock. Es war ein von jeglicher Farbe längst abgeblätterter Holzpfahl, die Farben der Flagge waren aus der Nähe unverkennbar. Die Flagge mußte zu dem Wrack gehören.

      Wo aber waren die Überlebenden?

      Die Jolle lief auf den Sand und wurde hochgezogen. Sechs Mann standen da und blickten in die Büsche, das Dickicht, den Verhau, der hinter den Palmen begann.

      Als Hasard näher an den Flaggenstock herantrat, stutzte er. Er hielt den Radschloßdrehling locker in der Hand und musterte die Umgebung aus schmalen Augen. Er hatte das untrügliche Gefühl, als befänden sich in unmittelbarer Nähe Menschen, die jede ihrer Bewegungen belauerten.

      In der Nähe des Flaggenstockes befanden sich Fußspuren. Sie rührten zweifellos von spanischen Stiefeln, her.

      „Sie können noch nicht sehr alt sein“, sagte Don Juan in die lastende Stille hinein. „Beim Wrack gab es keine, hier sind sie ganz deutlich zu erkennen. Offenbar tauchen hier regelmäßig Leute auf, die nach der Flagge sehen.“

      „Sie sind wirklich nicht alt“, gab Hasard zu, „sonst hätten Zeit und Wetter sie längst verwischt. Aber die Überlebenden legen besonderen Wert auf diese Flagge. Warum wohl?“

      Don Juans Grinsen wirkte ein bißchen schief.

      „Das hier ist spanisches Territorium, Sir. Die Überlebenden haben es annektiert und zum Zeichen der Besitznahme die spanische Flagge gehißt. Wir befinden uns also auf spanischem Boden.“

      „Hm, das hat ganz den Anschein. Sehen wir uns doch einmal ein wenig in der näheren Umgebung um. Irgendwo werden die Spanier ja stecken und uns Eindringlinge bemerken.“

      „Kaum stranden diese Kerle auf einer Insel, schon gehört sie ihnen“, empörte sich der Profos. „Statt froh zu sein, überlebt zu haben, hissen sie gleich ihren Lappen und halten das Land für spanisches Territorium. Die Rübenschweine sollen mir nur mal über den Weg laufen, denen werde ich schon verklaren, was hier los ist.“

      „Reg dich wieder ab, Ed“, riet Hasard. „Noch wissen wir überhaupt nichts.“

      In unmittelbarer Nähe der Kokospalmen waren ebenfalls Fußspuren zu sehen.

      Als Hasard ihnen ein Stück folgte, hörten sie abrupt auf, als seien sie absichtlich verwischt worden.

      Er blickte in das Gebüsch. Es war nur ein kurzer Verhau. Dahinter begann eine Grasfläche, die zu kleinen Hügeln führte. Bunte, leuchtende Blumen hatten ihre Blüten geöffnet und säumten die Hügel.

      „Weiter links hinüber“, sagte Hasard. „Dort scheint es ebenfalls Wasser zu geben.“

      Er zeigte auf den feuchten Boden und das Gras. Aus den Hügel lief irgendwo Wasser hinunter.

      Als sie die Hügel von links umgingen, befanden sie sich übergangslos in einem schmalen fruchtbaren Tal. Der Eingang zu diesem Tal war links und rechts von Büschen und Wald umgeben. Ein silbriges Rinnsal schlängelte sich durch das Tal und versickerte irgendwo.

      Wie vom Blitz getroffen blieben sie stehen.

      „Ich habe es geahnt“, sagte Hasard. „Hierhin haben sich die Überlebenden also verzogen. Sehr viel können es aber nicht sein.“

      „Sicher nicht mehr als ein Dutzend“, raunte Don Juan.

      In dem stillen Seitental stand neben dem silbrigen Bach eine Hütte. Sie war aus Holzresten eines Schiffes erbaut worden und mit Palmenwedeln gedeckt.

      Dicht dahinter stand eine weitere Hütte, aber die war so klein, daß Carberry sie als Hundehütte bezeichnete, obwohl weit und breit auch von einem Hund nichts zu sehen oder zu hören war.

      Sie blickten sich nach allen Seiten um, aber so aufmerksam sie auch alles absuchten, sie konnten niemanden entdecken.

      „Sehr merkwürdig“, sagte Don Juan.

      Die Stille lastete wieder über der Insel. Der hohe Berg verhüllte erneut sein Haupt in einem riesigen Dunstschleier von Nebel.

      Dann wurden sie trotz aller Vorsicht überrumpelt, und zwar so schnell, wie sie das nur selten erlebt hatten.

      Aus den Büschen rechts und links sprangen zwei Männer hervor. Sie trugen die Uniform der spanischen Soldaten, aber keine Helme.

      Sie trugen Stiefel, Kürbishosen und

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