Скачать книгу

hatten wieder einmal mächtiges Glück gehabt.

      Ferris Tucker inspizierte sofort das ganze Schiff. Er kehrte zum Achterdeck zurück und meldete: „Wir haben zwei Lecks, und der Bugspriet ist leicht angeknackt!“

      „Damit ist der Fall noch leidlich gut für uns ausgegangen“, sagte Hasard. „Aber sehr lange hatten wir nicht mehr bestehen können. Dichte die Lecks ab, Ferris, und repariere den Bugspriet.“

      Der Sturm war noch nicht vorbei. Noch einmal entwickelte er seine volle Kraft und Mut. Die Arwenacks waren heilfroh, in der Bucht gelandet zu sein, die sich an der westlichen Seite der Insel, also an Leeseite befand.

      „So, Freunde“, sagte Hasard aufatmend. „Hier sind wir sicher.“

      So ganz traf das jedoch nicht zu. Aber das konnte nicht einmal Old Donegal Daniel O’Flynn ahnen, der sonst immer in die Zukunft blickte und auf Teufel komm raus seine haarsträubenden Orakel verkündete.

      Die Dschunke des Fong Chen Huan war dem Sturm ausgeliefert. Ein Mattensegel hatte es glatt weggefetzt, ein anderes war in der Mitte durchgerissen. Das dritte hatten die Chinesen gerade noch bergen können, ehe das Wetter richtig lostobte.

      Natürlich hatten sie Ersatzsegel, aber die würde Fong wohlweislich erst dann setzen lassen, wenn sich der Sturm wieder beruhigt hatte. Fong ließ die Dschunke in der See treiben und bediente lediglich die Ruderpinne. So steuerte er auf gleichsam halsbrecherische Weise die Küste an. Er kannte sämtliche Buchten und Flußmündungen, Inseln und Landzungen. Wo er sich vor dem Sturm verstecken und schützen konnte, wußte kaum jemand besser als Fong.

      Dann aber glaubte Fong, seinen Augen nicht trauen zu dürfen. Vor der Dschunke geisterte ein großes Schiff durch den Sturm – eine Galeone mit drei Masten! Nur wie ein Schemen war das Schiff zu erkennen. Doch das genügte Fong.

      Fremde Teufel, dachte er, seid ihr denn überall, ihr Hunde?

      Sofort beschloß er, die Fremden zu verfolgen. Er schrie seinen Kerlen Befehle zu. Die Dschunke fiel wieder etwas zurück. Die Galeone verschwand in einer Wolke von Regen und Gischt und tauchte nur hin und wieder erneut auf.

      Fong war ziemlich sicher, daß ihn die „weißen Teufel“ noch nicht gesichtet hätten. Ihr Augenmerk war, wie es die Situation erforderte, ausschließlich nach voraus gerichtet. Sicherlich suchten auch sie einen Schlupfwinkel, um dem Sturm zu entgehen. Mühelos konnte er sie verfolgen und stellen.

      Ein glatzköpfiger Chinese enterte zu Fong auf. Es war Pol Pot, Fongs rechte Hand an Bord der Dschunke. Pol Pot war fett und bärenstark. Er pflegte seinen nackten Oberkörper mit Tran einzureiben. Sein Leib glänzte, das Wasser perlte von ihm ab.

      „Was hast du vor, großer Fong?“ rief Pol Pot seinem Herrn zu.

      „Ich will die fremden Teufel stellen.“

      „Willst du sie auch an Bord holen?“

      „Das wären zu viele Gefangene“, erwiderte Fong. „Nein, wir schneiden ihnen die Hälse durch und werfen sie den Haien zum Fraß vor.“

      „Warum töten wir nicht auch die anderen?“ fragte Pol Pot.

      „Ich will, daß sie noch am Leben bleiben!“ brüllte Fong. „Du weißt, was ich mit ihnen vorhabe!“

      „Würden nicht zwei oder drei genügen?“

      „Nein!“ stieß Fong hervor. „Niemals! Ich will sie Chimion, dem Allmächtigen, opfern! Er wird uns dafür reich belohnen!“

      Pol Pot sah ein, daß es keinen Sinn hatte, weiter auf den Anführer einzureden. Fong Chen Huan ließ sich ohnehin nicht beeinflussen – von niemandem. Er tat, was er wollte, sein Wort war Gesetz. Alle hatten sich dem zu beugen. Wer nicht parierte, wurde hypnotisiert oder getötet.

      Fongs dunkle Augen richteten sich auf Pol Pots Gesicht. Der Glatzkopf hob abwehrend beide Hände.

      „Nein!“ schrie er. „Nicht! Du hast ja recht!“

      Fong lachte höhnisch und sah wieder voraus. Pol Pot klammerte sich an der Balustrade fest und senkte dabei etwas den Kopf. Seine Bedenken, die er bezüglich der Gefangenen hegte, blieben. Neun fremde Teufel an Bord der Dschunke – das waren seiner Meinung nach zu viele. Nur ein toter Weißer war ein guter Weißer.

      Wenn man einen von ihnen erwischte, mußte man trachten, ihn so schnell wie möglich umzubringen. Und wenn man das Leben dieser Ratten Chimion, dem Affengott, weihen wollte, dann genügten sicherlich ein oder zwei Exemplare von ihnen, um ihn zufriedenzustellen.

      Doch über diesen Punkt ließ sich mit Fong nicht diskutieren. Er wollte dem Affengott ein großes Opfer bringen. Fong war besessen von dem Gedanken. Er war sicher, daß Chimion die Sekte dafür mit Gold beschenken würde.

      Pol Pot wagte nicht, noch weitere Einwände zu erheben. Denn das nächste Mal würde Fong nicht versuchen, ihn in Trance zu versetzen, sondern sein Messer zücken. Dann nahm er keine Rücksicht darauf, daß der Glatzkopf sein engster Vertrauter war.

      Fong deutete voraus. „Da! Siehst du sie? Da sind sie wieder!“

      Pol Pot verfolgte mit dem Blick, wie sich vor ihnen die Dreimastgaleone aus Dunst und Dunkelheit schälte. Ein feines Schiff, dachte der Glatzkopf, aber wie viele Mann mögen an Bord sein und wie viele Kanonen haben sie?

      Wenig später stand fest, was das Ziel der „Yang kuei tzû“, der „fremden Teufel“, war. Fong Chen Huan wußte auch im Sturm genau, wo er sich befand. So war ihm sofort klar, welche Insel dort mit ihren Umrissen vor ihnen auftauchte.

      „Das ist Luciyu“, teilte er Pol Pot mit.

      „Sie steuern die Bucht an“, sagte Pol Pot.

      „Dort sitzen sie in der Falle.“

      „Greifen wir sie sofort an?“ wollte der Glatzkopf wissen.

      „Das hängt von den Gegebenheiten ab“, entgegnete sein Herr.

      Fong und seine Mannen ließen die „Santa Barbara“ nicht mehr aus den Augen. Sie gewährten dem Schiff wieder einigen Vorsprung. Als der Sturm zu einem neuen brüllenden Ausfall anschwoll, bugsierte Fong die Dschunke durch die Einfahrt in die Inselbucht. Die Bucht war größer, als man von außen ahnte. Sie bot mehr als nur zwei Seglern Platz.

      Die Chinesen gingen in einigem Abstand von der „Santa Barbara“ vor Anker. Noch regnete es, noch hing ein schwärzlicher, prasselnder Vorhang zwischen der Dschunke und der Galeone. Vorläufig konnte man sich gegenseitig nicht sehen. Aber das würde sich sehr rasch ändern.

      Fong Chen Huan legte sich seinen Plan zurecht. Er würde es mit einem Trick versuchen und die Fremden um Hilfe bitten. Er konnte sich ja in ihrer Sprache verständigen – ein unschätzbarer Vorteil. Bei den weißen Teufeln handelte es sich zweifellos entweder um Spanier oder aber um Portugiesen.

      Er würde ihnen vorschwindeln, er habe einen Ruderschaden. Dann schickten sie ihm ein paar Männer, die das Ruder reparieren sollten. Fong nahm sie als Geiseln gefangen und zwang den fremden Kapitän zur Kapitulation. So einfach war das.

      Wenn sich der Kapitän stur stellte, genügte es, ein Exempel zu statuieren und einen der Teufel abzustechen. Danach würden die anderen kuschen.

      Vielleicht kam aber auch der Kapitän selbst an Bord der Dschunke. Fong hatte es in anderen Fällen schon erlebt. Er hatte viele „fremde Teufel“ auf dem Gewissen – so viele, daß er sie selbst schon nicht mehr zu zählen vermochte.

      Allerdings sollte sich die Lage völlig anders entwickeln. Davon aber spürte selbst Fong, der sich vom Affengott Chimion erleuchtet glaubte, zu diesem Zeitpunkt nichts.

      Carlos Gerado rieb sich die Augen. Träumte er? Das konnte doch nicht wahr sein. Und doch irrte er sich nicht – das Schott des Schiffsraumes war offen. Es lag platt auf dem schmalen, niedrigen Gang.

      Wie Pedro Molina das fertiggebracht hatte, war Gerado nicht ganz klar, aber er fragte ihn auch nicht danach. Jetzt ging es darum, so schnell wie möglich auch die Portugiesen zu befreien und sich von dieser

Скачать книгу