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Trägheit auf das Ruder. Beim Kampf gegen den Sturm war das erschreckend deutlich geworden. Die Schebecke zeigte ein ähnliches Handicap indessen nur im Ansatz. Bei den Symptomen war allen Männern die Ursache klar. Sie brauchten nicht lange herumzugrübeln.

      Vor allem die „Fidelidad“ schleppte einen mächtigen Panzer aus Muscheln und Algen am Unterwasserschiff mit sich. Dieser Panzer war zu einem solchen Gewicht angewachsen, daß er die Stabilität der Galeone stark beeinträchtigte. Weder Don Juan noch der Seewolf wollten daher riskieren, die Route nach Cornwall weiterzusegeln und ein erneutes Unwetter in Kauf zu nehmen.

      Dan O’Flynn, in seiner Funktion als Navigator, hatte anhand der Seekarten ermittelt, daß sie sich nur zwei Seemeilen westlich von der Ile de Sein befanden.

      Die Insel war Pointe du Raz vorgelagert, einer von Quimper nach Westen hinausragenden Halbinsel, die zur Bretagne gehörte. Die Arwenacks hatten ihre besonderen Erinnerungen an diesen Teil Frankreichs.

      Da der Wind mit tückischen Böen aus südwestlichen Richtungen wehte, hatten die Arwenacks keine Schwierigkeiten, auf Ostkurs zu gehen und Direktkurs auf die Ile de Sein zu nehmen. Doch der Sturm, der sich mit einer pechschwarzen Wolkenfront von Westen her ankündigte, holte sie ein. Innerhalb von Minuten brach die Finsternis herein.

      Hasard und Don Juan ließen Tuch wegnehmen.

      Beide Schiffe hatten Lampen gesetzt. Die Schebecke übernahm die Führung, und Dan O’Flynns scharfe Augen gaben den Ausschlag, Trotz der miserablen Sicht erspähte er die winzigen Lichtpunkte, die auf einen schützenden Hafen hinwiesen.

      Dan täuschte sich nicht. Während Sturm und Gewitter mit voller Wucht losbrachen, zeichneten sich im taghellen Licht der Blitze die Konturen der Bucht ab. Es war vermutlich der bestmögliche natürliche Hafen, den man hier, auf der Ile de Sein, hatte nutzen können.

      Hohe Felswände umschlossen die Bucht im Norden und im Süden, die Einfahrt war ohne größere Gefahr passierbar. Die Lichter waren nun deutlicher erkennbar, auch für alle übrigen Arwenacks, die nicht über die ungewöhnliche Sehschärfe Dan O’Flynns verfügten.

      Mit hoher Fahrt liefen die von Größe und Konstruktion her so unterschiedlichen Dreimaster in die Bucht ein. Augenblicklich schien zumindest der Sturm ausgesperrt zu sein. Dank der Helligkeit der Blitze, die in rascher Folge aus der finsteren Wolkenmasse zuckten, waren der Seewolf und Don Juan auf die Hafenlaternen fast nicht angewiesen.

      Überwiegend waren es Fischkutter, die an Dalben und Stegen dümpelten. Lediglich einen etwas größeren Zweimaster, der offenbar als Frachtsegler für die Versorgung der Insel diente, konnten die Männer entdecken.

      Noch im Eingang der Bucht nahmen sie das letzte Tuch weg. Etwa zwei Kabellängen von einer in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Kaimauer entfernt, legten sie die Galeone und die Schebecke an Duckdalben.

      Der Seewolf ließ das Beiboot fieren, und gemeinsam mit Ben Brighton und Dan O’Flynn begab er sich an Land. Das Gewitter zog mittlerweile langsam ab, doch der Sturm tobte heftiger und jagte seine brüllenden Böen über die Felswände hinweg, die sowohl die Bucht als auch die kleine Ansiedlung wirksam schützten.

      Am Kai waren Männer erschienen. Sie beobachteten die Bucht, als erwarteten sie weitere schutzsuchende Schiffe. Einige der Männer hielten Laternen in der Hand. Ihre Kleidung war geeignet, dem Sturm und der Nässe zu trotzen.

      In den übergroßen Jacken aus Ölzeug sahen sie wie Statuen aus, unter den wie große Schlapphüte geformten Kopfbedeckungen wirkten ihre Gesichter wie helle, unbewegte Flecken.

      Hasard stellte sich als Kapitän der Schebecke vor und fügte hinzu, daß sie gemeinsam mit der Galeone nach England unterwegs seien. Einer der Bretonen übersetzte in die gutturale keltische Sprache seiner Landsleute. Sie grinsten. Warum, das sollten Hasard und seine Begleiter gleich darauf erfahren.

      „Eine spanische Galeone?“ fragte der Mann, der das Englische beherrschte. „Gekapert?“

      Hasard, Ben und Dan konnten nicht umhin, ebenfalls zu grinsen.

      „Vor Spaniens Nordküste“, antwortete er, um zu unterstreichen, wie sehr man den Dons eins ausgewischt hatte. Der letzte Krieg, den die Franzosen gemeinsam mit Engländern und Holländern gegen die Spanier und ihre gegenreformatorische Einmischung geführt hatten, war erst vor zwei Jahren zu Ende gegangen.

      Sie wurden zum Bürgermeister geführt, der in Hafennähe wohnte. Der grauhaarige alte Mann hieß sie auf der Ile de Sein willkommen und erklärte ihnen, daß sie die Gastfreundschaft der Dorfbewohner so lange genießen könnten, wie sie wollten.

      Der englischsprechende Bretone wies den Seewolf und seine Begleiter darauf hin, daß der Tidenhub hier, an der Küste der Bretagne, über sieben Faden betrage. Obwohl er es wußte, bedankte sich Hasard für den Hinweis und versprach, seine Gefährten entsprechend zu unterrichten.

      Sie kehrten auf die Schebecke zurück. Etwa eine Stunde später sahen sie einen Fischkutter einlaufen, der offenbar die schlimmste Sturmhölle mit knapper Mühe überwunden hatte.

      Den Arwenacks fiel auf, daß sich nur zwei Mann an Bord des Kutters befanden, der zudem über kein Beiboot verfügte. Die beiden Fischer vertäuten den Kutter am Kai, wechselten nur wenige Worte mit den dort ausharrenden Dorfbewohnern und verschwanden dann in einer der unbeleuchteten Gassen.

      Der Sturm wütete weiter über der See.

      Maureen erinnerte sich an den Mann.

      Zwar hatte sie ihn an Bord des Kutters nur in schwerem Ölzeug gesehen, aber das war zunächst noch bei Tageslicht gewesen, und sein Gesicht war so markant, daß man es unter Tausenden erkennen würde, selbst wenn man ihm nur ein- oder zweimal gegenübergestanden hatte.

      Eine vorspringende, scharfkantig gebogene Nase beherrschte sein Gesicht. Der sichelförmige Bart, den die Nasenspitze in der Mitte fast verdeckte, ließ das Grinsen doppelt spöttisch erscheinen. In seinen Augen, so schwarz wie das Haar, funkelte ein tückisches Feuer. Der Mann war mittelgroß und drahtig. Er trug jetzt lediglich einfache Leinenkleidung.

      „Bist ein hübsches Kind“, sagte er mit anerkennendem Nicken, nachdem sein Blick an ihrem Körper auf und nieder gewandert war. Er trat zwei Schritte auf sie zu.

      Maureen wich zurück, vom Feuer weg, die Augen vor Angst geweitet. „Ich – ich – ich wollte nur …“, stammelte sie.

      „Klar“, sagte der Schwarzhaarige und blieb noch einmal stehen. Er legte die Hände in die Hüften. „Du wolltest deinen hinreißenden Körper mit ein wenig Wärme verwöhnen. Gut. Jetzt bin ich da, und das Verwöhnen wird zehnmal schöner.“

      „Nein!“ stieß Maureen entsetzt hervor. „Sie können doch nicht …“ Sie wich weiter zurück, bis sie gegen die harte Steinwand stieß. Sie keuchte in Panik und brachte kein Wort mehr hervor.

      Er lachte. „Hör auf, mich so förmlich anzureden. Ich heiße Jacques. Jacques Hélias. Mich kennt sowieso jeder in dieser Gegend, die künftig dein Zuhause sein wird. Nun“, er grinste und strich sich über den Sichelbart, „da ich dich – beschafft habe, ist es gewissermaßen meine Pflicht, dich ein bißchen zu prüfen, bevor ich dich ausliefere.“

      Maureen verstand überhaupt nichts mehr. Ihre Angst steigerte sich von Atemzug zu Atemzug, ihr Denkvermögen war wie ausgelöscht. Sie begann zu zittern und schob sich an der rauhen, scharfkantigen Wand entlang auf das Lager aus Fellen und Decken zu, ohne zu erfassen, daß sie damit den Wünschen des Bretonen nur entgegenkam.

      Er folgte ihr mit lauernden Bewegungen.

      „Nimm endlich die Hände runter“, sagte er barsch. „Glaubst du, ich hätte noch nie ein nacktes Weib gesehen? Du bist vielleicht ein besonders gutgebautes Exemplar, aber im wesentlichen unterscheidest du dich nicht von allen anderen. Stimmt’s?“ Abermals lachte er.

      Maureen wollte schreien, aber ihre Stimmbänder versagten. Mit den Kniekehlen stieß sie gegen die Kante der Lagerstatt. Sie knickte ein, verlor das Gleichgewicht und riß reflexartig die Arme hoch, um sich abstützen zu können.

      Sie

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